Interview mit Ray Benson, Austin, TX, 2012

© June 2012 / Bruno Michel

 

Ray Benson war gerade mal 19 Jahre alt, als er als Mitbegründer von Asleep At The Wheel ins Rampenlicht trat. Fast ebenso lange ist die Band der Inbegriff für Western Swing. Als Musiker, Produzent und Besitzer einer Plattenfirma ist Bensons Kalender mehr als nur voll. Trotzdem arbeitet er in mehreren wohltätigen Organisationen im Vorstand mit und unterstützt bedürftige Mitmenschen wo er nur kann. Die Auszeichnungen stehen in seinem Büro in Austin zwischen Gitarren, Plakaten und CDs verteilt. Alleine an Grammy-Awards gewann er bisher neun Stück. Ein äusserst sympathischer Mensch, der sich trotz kurzfristiger Anfrage umgehend Zeit für ein Interview nahm.

Bruno Michel: In den frühen 70er Jahren hat euch Willie Nelson geraten, nach Texas zu ziehen. Wie hätte sich Asleep At The Wheel ohne diesen Umzug entwickelt?
Ray Benson: Anders, klarerweise. Aber ich glaube, wir würden trotzdem dieselbe Musik machen. Anders, weil unterschiedliche Leute in die Band gekommen wären, sich unterschiedliche Gelegenheiten geboten hätten. Wer weiss.

Du bist Musiker, Produzent, Gründungsmitglied der Rhythm & Blues Foundation, Mitglied der Direktion der SIMS Foundation und vielen andern wohltätigen Organisationen. Wo nimmst du die Zeit und Energie her, das alles zu koordinieren?
Dies ist nur möglich, weil ich so gute Mitarbeiter habe. Zudem stehe ich früh auf und gehe spät zu Bett.

Eigentlich untypisch für einen Musiker, zumindest der erste Teil...
Das ist ja das Witzige. Ich bin auch im Vorstand der St. Davis Foundation und vielen andern. Ein Freund von mir sagte mal: 'Du sitzt in mehr Leitungs-Ausschüssen als ein Politiker'. Ich mag es einfach, guten Leuten zu helfen. Die Ärzte nennen das ADHD oder Aufmerksamkeits-Defizit verbunden mit Hyperaktivität (lacht). Wie auch immer, es ermöglicht mir, mich für mehrere Dinge zu engagieren und von einer Aufgabe zur andern zu springen.

Hat die Band schon immer Western Swing gespielt? Schwer vorstellbar, da ihr in den frühen 70er Jahren für Alice Cooper und ähnliche Künstler Konzerte eröffnet habt.
Nein, wir waren Country pur. Wir haben nur einmal für Alice Cooper eröffnet - ich habe ihn kürzlich wieder getroffen - und ich weiss eigentlich gar nicht, warum diese Kombination überhaupt zustande kam (lacht). Wir hatten lange Haare, waren richtige Hippies, aber spielten Truckdrivin' Songs sowie Johnny Cash und Hank Williams. Hardcore Country eben.

Du hast erwähnt, Alice Cooper kürzlich getroffen zu haben. Führt er immer noch sein Restaurant?
Du meinst das in Phoenix? Ja. Nun, eigentlich führt er es nicht. Er hat nur seinen Namen gegeben und kassiert die Kohle.

Also wie du mit dem kürzlich eröffneten Rattle Inn in Austin? (eröffnet Januar 2012, Red).
Genau. Mit dem Unterschied, dass ich meinen Namen gegeben habe und mein Geld (lacht). Ich muss gelegentlich mal das Geschäftsmodell überarbeiten, so dass ich mit der Bar auch Geld verdienen kann.

Verständlicherweise hat die Band in den über vierzig Jahren viele Musiker kommen und gehen sehen..
Rund einhundert sind es gewesen. Die genaue Zahl weiss ich gerade nicht...

In den späten 80er Jahren war auch Jann Browne bei euch dabei. Sie wurde ein gern gesehener Solo Künstler in der Schweiz. Wer wäre deine weibliche Traumstimme für die Band gewesen, wenn Elizabeth McQueen nicht zu euch gestossen wäre?
Chris O'Connell. Sie hat mit uns angefangen und war eine grossartige Sängerin. Ist es immer noch. Leider hatte sie Alkohol-Probleme. Zwar ist sie seit langem trocken, aber damals hatte sie Schwierigkeiten ohne Alkohol. Also verliess sie die Band 1986.

Du hat mit vielen Plattenfirmen zusammen gearbeitet, inklusive der Major Labels, bevor du Bismeaux Records gegründet hast. Warum, deiner Meinung nach, bleiben gestandene Künstler nicht mehr so lange bei einer Firma wie früher?
Das Ganze hat sich total verändert. Die Geschäftsmodelle, die Art wie wir Aufnahmen machen oder verkaufen, die Anzahl verkaufter Einheiten. Alles komplett anders. Es spielt keine Rolle mehr, ob oder wie lange du bei einer grossen Firma unter Vertrag bist. Heute gibt es das Internet, die Piraterie. Viele neue Trends kommen laufend dazu. Einige der älteren Künstler haben das noch nicht verstanden. Die leben immer noch in den 80er Jahren oder so.

Aber dann gibt's auch Leute wie Willie Nelson, der gerade sein neues Album Heroes bei seinem ehemaligen Major Label veröffentlicht hat.
Nun, wenn du fast 80 Jahre alt bist und dir jemand einen 5-Jahres-Vertrag offeriert, dann musst du zuschlagen. Ich habe Willie geraten: Die Gelegenheit musst du einfach packen (lacht). Es ist eine nette Summe im Vertrag und die Scheibe ist grossartig. Sehr gute Musik.

Die Band sowie du selbst haben zahllose Auszeichnungen gewonnen. Gibt es einen Award, auf den du wirklich stolz wärst, falls du ihn bekommen würdest?
Ach weisst du, das ist so eine Sache. Ich bin dankbar für die Auszeichnungen. Sie bringen Visibilität und Anerkennung. Aber bitte, da sind fünf grossartige Künstler, einer besser als der andere, die in der Endausscheidung für einen Award sind. Da ist's dann vor allem Politik. Woran ich wirklich Freude hätte, wäre, wenn unsere Fans einen Preis vergeben würden. Das sind doch die Leute, die zählen. Darum sind wir, wo wir sind. Es geht nicht darum, besser zu sein, als andere Künstler. Ich hoffe sehr, dass unsere Fans auch Willie Nelson oder Dale Watson mögen und deren Produktionen kaufen. Es geht doch nur um grossartige Musik und ebensolche Fans.

Wenn du nochmal von vorne anfangen könntest mit Asleep At The Wheel, was wäre der wichtigste Punkt, den du rückblickend anders machen würdest?
Wir haben haufenweise Mist gebaut und falsche Entscheidungen getroffen. Aber all das bringt dich weiter auf dem Weg zum Ziel. Früher wollten die Plattenbosse, dass wir hitverdächtige Musik spielen. Wir machten lieber unser Ding. Und ich bin froh darüber und stolz darauf, auch wenn es vielleicht weniger lukrativ war. Ich glaube nicht, dass ich irgend etwas anders machen würde.

Was bringt Ray Benson auf die Palme?
Dummheit - aber das ist ist Interpretations-Sache (lacht).

Mein Spitzname als Radio Moderator ist The Long Tall Texan. Dieser Name hat mich auf die Frage gebracht, ob es je eine Long Tall Texan Tour geben wird mit Ray Benson, Sleepy LaBeef, Lyle Lovett oder Tracy Lawrence. Mindestens 1 Meter 90 oder darüber.
Nein. Wir hätten keinen Platz auf der Bühne wegen tief hängender Beleuchtung (lacht). Ein Freund und ich hatten mal die Idee, The World's Biggest Band zu gründen. Daraus wurde aber nichts. Übrigens fehlt auf deiner Liste noch Bruce Robison, der ist, glaube ich, noch fünf Zentimeter grösser als ich (Red: Benson misst über zwei Meter). Vielleicht sollte ich mal ein Duett mit ihm machen.

Wenn du Ray Benson von Asleep At The Wheel interviewen würdest, welche Frage stellst du ihm, die ich nicht gestellt habe?
Irgend eine dieser doofen Fragen, z.B. 'Welche Schuhgrösse hast du'. Ich sage dann jeweils: Grösse 50-51, ausser bei Turnschuhen, da ist es 51-52. Oder auch gut: 'Wo hast du diesen Hut her'. Und der Knaller unter den doofen Fragen: 'Wo hast du diese Stiefel gekauft'. Das sind so Beispiele und ich bin froh, dass du keine dieser Fragen gestellt hast (lacht).

Vielen Dank für das Gespräch.