Interview mit Roger Brown – Country Singer/Songwriter aus North Carolina

© October 1997 / Bruno Michel

 

Roger Brown wohnt inmitten von Tulpen in Holland. Die Städte in der Nähe seines heutigen Wohnorts heissen Vriesland, Zeeland, Noordeloos usw. Trotzdem lebt er nicht in den Niederlanden, sondern ziemlich weit davon entfernt. Die Stadt, gegründet 1847 von holländischen Einwanderern, liegt am Interstate 196 im US-Bundesstaat Michigan.

 

Einigen Schweizer Country Freunden mag das Duo „Tarheel“ noch in Erinnerung sein. Unter diesem Namen tourte Roger zusammen mit seinem Musikerfreund, dem Engländer Keith Nelson, durch die Schweiz. Im Laufe der Zeit war er im Duo oder Solo zu sehen an den verschiedensten Festivals, wie Frutigen, Albisgüetli, Grächen oder Col-des-Roches

 

International hat Roger weit mehr erreicht, als seine Auftritte in der Schweiz vermuten lassen. Seine Songs wurden von Barbara Dickson oder Adam Faith aufgenommen. Er arbeitete als Session Musiker in London und nahm dort auch Platten auf. Roger begleitete Stars wie Freddie Fender auf Tourneen. Der grösste Erfolg war in den 80er Jahren die musikalische Vertonung eines Kinderbuchs, dass der Schauspieler Donald Pleasance schrieb. Davon gibt es ein Album und die Stimme für die Songs stammt von  keinem geringeren als von Ex-Beatle Ringo Starr. Das Album trägt den Titel „Scouse The Mouse“. Die Zusammenarbeit mit Ringo ist heute noch für Roger eines seiner beeindruckendsten Erlebnisse.

 

In regelmässigen Abständen kehrt Roger zu Tourneen in die Schweiz zurück, diesmal mit seiner neuen CD „Any Way You Please im Gepäck, die sich hören lassen kann. Alle Songs sind Eigenkompositionen, welche von der Sessionmusiker-Spitze aus Nashville begleitet werden. Rob Hajacos (Fiddle), Bruce Bouton (Steel Guitar, Dobro, Lap Steel), Mike Chapman (Bass), Mark Casstevens (Acoustic Guitar) Milton Sledge (Drums), Barry Walsh (Piano, Keyboards) oder J.T. Corenfloss (Electric Guitar) findet man auch auf Produktionen von Weltstars wie Alan Jackson, Garth Brooks, Randy Travis oder Vince Gill.

 

Insgesamt ein Album, dass sich für all jene zu kaufen lohnt, die gefühlvolle Songs und Uptempo Nummern in Kombination mit tradtioneller Instrumentierung mögen.

 

Anspieltips : „When She Was My Baby“, „A Stranger From Your Past“, „Deep In Her Love“ und Skintight Ride“.

 

Anlässlich seines letzten Aufenthalts in der Schweiz sprach ich mit Roger Brown über seine Vergangenheit, die Gegenwart und seine Zukunftspläne.

 

bm: Roger, wenn Du Dich und Deine Musik jemandem beschreiben müsstest, der Dich nicht kennt, was erzählst Du dieser  Person ?

RB: Du solltest mit der schwierigsten Frage aufhören, nicht damit anfangen…..Hmmm. Es ist Blues, Rockabilly, Country, aber auch Mountain Music und Bluegrass. Zu mir selbst… Ich bin ein Southern Boy aus den Bergen von North Carolina. Ich würde mich als „weitgereisten Hillbilly“ bezeichnen.

 

bm: Wie kamst Du zur Country Music und wann hast Du beschlossen, als professioneller Singer/Songwriter Deinen Lebensunterhalt zu verdienen ?

RB: Wie viele Leute aus den Blue Ridge Mountains wuchs ich mit Country Music auf. Mein Vater und Onkel spielten, so lernte ich Gitarre spielen. Und plötzlich begannen die Leute, mich für mein Spiel zu bezahlen. Ich habe mich nie entschieden : Jetzt wirst Du Profi. Es passierte einfach. Am Anfang musste ich natürlich daneben noch „normal“ arbeiten, so war ich unter anderem als Schreiner tätig oder arbeitete in einem Krankenhaus.

 

bm: Wer sind Deine musikalischen Vorbilder im Songschreiben und auf der Bühne ?

RB: Nun, obwohl sicher jeder George Jones und Merle Haggard nennt, trifft dies auch auf mich zu. Daneben mag ich aber auch Vince Gill, Travis Tritt, John Anderson, Aaron Tippin oder Hal Ketchum. Als Super Songschreiber sehe ich auch Bob McDill oder Dean Dillon.

 

bm: Wo würdest Du Deinen bisher grössten Erfolg sehen ?

RB: Unabhängig von der Country Music ? Das war die Arbeit mit Ringo Starr. Er liebt offenbar Country Music. Als ich ihn damals im Ritz Hotel traf, um die Songs von „Scouse the Mouse“ akustisch vorzuspielen, verliess er einmal kurz den Raum, um sich was zu trinken zu holen. Ich sass da und spielte einige Country Songs an. Bis zu dem Zeitpunkt war das Treffen mit Ringo zwar freundlich aber businessmässig. Als er mit seinem Drink zurückkehrte blieb er im Türrahmen stehen, hörte mir eine Weile zu und fand : „Great stuff“. Ab diesem Moment wurde die Zusammenarbeit nicht nur intensiver, sondern auch offener und irgendwie „privater“.

 

bm: Was brachte Dich dazu, die Schweiz als „zweite Heimat“ auszusuchen ?

RB: Ich tourte in Norwegen und traf dort einen Musiker, der mir von der Schweiz erzählte und auch Kontakte hatte. So kam ich in die Schweiz. Zudem stammt meine Frau aus Norwegen. Sie liebt Schnee in Mengen. Ich mag Schnee auch, aber nicht permanent. Darum zog ich die Schweiz den nordischen Ländern vor.

 

bm: Welche Countrystars haben bisher Deine Songs aufgenommen ?

RB: Bisher wurden meine Songs vor allem während meiner Zeit in London von andern Leuten aufgenommen. Aber mehr von Pop oder Blues Sängern als von Countrystars. Ich warte immer noch auf den grossen Durchbruch. In der Schweiz wurden einige meiner Songs von Paul McBonvin aufgenommen.

 

bm: Welches ist Dein absoluter Favorit unter den bekannten Countrysongs und warum ?

RB: Das ist unfair. Es gibt viele gute Songs. Aber wenn ich mich entscheiden muss : Long Black Veil. Es ist eine grossartige Story, ein wunderschöner Refrain.

 

bm: Was ist wichtiger bei einem guten Song : Die Musik oder die Worte ?

RB: Ich bin stark textorientiert, glaube aber, dass die Zuhörer eher zuerst auf die Melodie und erst danach auf den Text ansprechen. Die Songtexte müssen für mich Sinn machen. Es sind entweder Stories die ich selbst oder jemand aus meinem Kreis erlebt haben. Manchmal bist Du in Situationen, da macht es „klick“ und Du hast einen Text im Kopf, dann baust Du die Melodie drum herum. Ich wünschte ich könnte Songs „konstruieren“, dann wäre ich sicher erfolgreicher. Aber es wäre auch irgendwie künstlicher.

 

bm: Deine neue CD beinhaltet Songs, welche ausschliesslich traditionell instrumentiert sind. Was hälst Du von Country Music mit dem Einsatz von Synthesizern oder ähnlich computergesteuerten Instrumenten ?

RB: Ich mag alle Arten von Musik bis hin zu Jimi Hendrix. Aber es bringt mich auf die Palme, wenn Leute Pop-Musik machen und das dann Country nennen, nur weil es gerade in ist, Country Music zu spielen. Spiel welches Instrument Du willst, aber nutze in der Country Music die Instrumente, welche Country Music ausmachen. Also Techno oder House werden sicher nie „Country“ genannt werden. Ansonsten soll jeder machen, was er will. Einige Leute lieben Schokoladeneis, ander Vanille. Wenn Du Vanille magst, heisst das ja nicht, dass Schokoeis schlecht ist.

 

bm: Welche Pläne hat Roger Brown für die Zukunft ?

RB: Ich möchte weiterhin Lieder schreiben und auftreten können und ich hoffe, dass meine Zukunft auch weiterhin in der Country Music liegt. Ich werde nicht aufhören, nach Nashville zu reisen, in der Hoffnung, dass irgendwann mal meine Songs von bekannten Stars aufgenommen werden.

 

bm: Wenn Du Dir drei Wünsche erfüllen könntest, welche wären das ?

RB: (lacht) George Jones und Randy Travis sollten meine Songs aufnehmen….Nein, ernsthaft, ich möchte gesund bleiben und meine Tochter aufwachsen sehen. Dann wünsche ich mir manchmal, etwas öfter zuhause zu sein.

 

bm: Ich hoffe, dass Deine Wünsche in Erfüllung gehen. Vielen Dank für das Interview.

RB: Ich bedanke mich und hoffe, dass ich noch oft in der Schweiz auftreten darf.