Interview mit Rosanne Cash

© March 2004 / Bruno Michel

 

Seit 1978 zwölf eigene Alben sowieGastauftritte auf über vierzig anderen Produktionen kann Rosanne Cash vorweisen. Auch als Mutter setzt sie Maximen. 27 Jahre alt das Älteste ihrer Kinder, gerade mal 5 Jahre der Jüngste. Daneben schreibt sie Bücher und Kolumnen und findet noch Zeit zum Songschreiben. Ich habe in Rosanne nie die Tochter des berühmten Vaters gesehen, sondern immer die eigenständige Künstlerin. Ein Fakt, den sie auch im Interview sehr schätzte.

 

bm: Rosanne, du hast in einem Interview vor drei Jahren gesagt :“Mach nicht den Fehler zu glauben, dass du berühmt werden musst. Sei dich selbst und Rock On.“ Hat diese Filosofie bei dir funktioniert?

RC: (lacht) Hab ich das gesagt? Kann gut sein. Ich sehe es als destruktiv, mich mit andern zu vergleichen. Wenn du nur etwas tust um berühmt zu werden, machst du was falsch. Ich will mir selber treu bleiben. Vielleicht kommt der Erfolg, vielleicht nicht. Aber mindestens kannst du jeden Morgen in den Spiegel schauen.

 

bm: Journalisten suchen immer nach Worten, um den Stil eines Künstlers zu beschreiben. Wie beschreibst du den Stil der heutigen Rosanne Cash?
RC: Unter dem grossen Dach der Folkmusik würde ich mich sehen. Aber darunter hat auch Blues oder Bruce Springsteen Platz. Roots Music trifft es am ehesten. Reale Songs, reale Texte, alte Schule eben. Ich mache sicher keine reine Country Music, obwohl ich auch diese Sparte sehr respektiere.

 

bm: Dein Duett mit Bobby Bare, No Memories Hangin’ Round, war glaube ich auf dem 79er Album Right Or Wrong. Welche Erinnerung willst du dir erhalten?

RC: Gute Frage, lass mich nachdenken (schweigt). Für’s ganze Leben? Ich müsste aufteilen, zwischen Beruf und Privatleben. Beruflich möchte ich einige Erinnerungen behalten. Zum Beispiel als ich mit meinem Vater in der Carnegie Hall I Still Miss Someone singen durfte. Das war sehr emotional. Oder der Auftritt mit Carl Perkins und George Harrison Anfang der 80er Jahre. Privat war das Tribute Konzert für meinen Vater wohl das bewegendste, was ich je erleben durfte. So viele Freunde, die zusammen kamen.

 

bm: Du bekommst viel Lob für deine Bücher. Kannst du dir vorstellen, eines Tages nur noch zu schreiben und nicht mehr auf zu treten?

RC: Absolut, wenn ich siebzig bin, trete ich wohl nicht mehr auf. Ok, mein Vater tat dies, aber ich habe dieses konstante Touren und Singen nicht so im Blut wie er. Ich mag es von Zeit zu Zeit, aber nicht als einzigen Lebensinhalt. Irgendwann werde ich also aufhören.

 

bm: Die Musik ist heute eher zweitrangig. Geld und industrielle Interessen gehen vor. Wie verarbeiten dies Künstler wie du oder Steve Earle, die einfach ihre Songs schreiben und ihre Gefühle ausdrücken wollen?

RC: Wir sind kein Teil dieser Industrie, so einfach ist das. Die Zufriedenheit bei dem was ich tue ist mir wichtiger. Klar mag ich es, wenn die Leute meine Platten kaufen. Mein Plattenboss sagte mir kürzlich, dass er diese anderen Künstler, die Hunderttausende Scheiben verkaufen, braucht, damit er Leute wie mich bei seinem Label halten kann. Das hat mir viel bedeutet. Ich bin seit dreizehn Jahren aus Nashville weg. Die Regeln von Marketing und Radiostationen sind heute so anders, dass ich sie wohl nicht mehr verstehen würde.

 

bm: Dies erinnert mich an Albert Lee, der mir kürzlich sagte, die jungen Künstler sollten erst mal ihr Handwerk lernen, bevor sie raus auf die Bühne treten.
RC: Ich mag Albert sehr, ein grossartiger Mensch und Musiker. Ich könnte es nicht besser sagen. Viele jungen Artisten machen den Fehler, einfach schnell berühmt werden zu wollen. Irgend wann merken sie dann, dass sie doch erst mal hart für den Erfolg arbeiten müssen, also singen und spielen lernen.

 

bm: Sind es aber nicht auch gerade die Plattenfirmen, die solches Verhalten fördern? Schau dir Jessica Andrews oder Billy Gilman an. Das waren noch Kinder, als man sie auf die Bühne stellte. Die konnten nicht mal ihre Kindheit ausleben.
RC: Genau. Es sollte gesetzlich verboten werden. Kinder gehören nicht auf die Bühne, das ruiniert die Zukunft dieser jungen Leute.

 

bm: Kritiker sagen, dein aktuelles Album, Rules Of Travel, sei dein bestes. Was zeichnet aus deiner Sicht ein gutes Album aus?

RC: Wenn ich das wüsste (lacht). Ich denke, die Kriterien sind für jedes neue Album anders. Du überlegst dir immer, was die wichtigen Gründe für deine Song Auswahl sind. Einerseits musst du die Vergangenheit respektieren, andererseits neue Wege gehen. John und ich (Anm. ihr Ehemann, Gitarrist und Produzent John Leventhal ist gemeint) haben viel über das Album diskutiert. Er war nicht sicher, ob ich wirklich meine ganze Karriere auf dieser Produktion vorstellen sollte. Und ich wollte gleichzeitig sicher stellen, dass es nicht nur ein Stück Nostalgie wird, sondern auch meine heutigen Gefühle ausdrückt. Eigentlich müsstest du mir die Frage in zehn Jahren stellen, erst dann könnte ich sie beantworten.

 

bm: Dein Song Will You Remember Me hat mich auf folgende Frage gebracht: Wie sollen sich die Fans an Rosanne Cash erinnern, wenn sie einmal aufhört, im Rampenlicht zu stehen?

RC: Zuerst als eine gute Mutter und zweitens als eine gute Songschreiberin. Das mit der Mutter interessiert aber die Fans wohl eher nicht, musst du ja nicht schreiben.

 

bm: Glaube ich nicht, eine gute Mutter ist auch eine ehrliche, offene Person und das wiederum drückt sich in deinen Songs aus.

RC: Stimmt. Also schreib’s trotzdem (lacht).

 

bm: Wenn du Rosanne Cash interviewen müsstest, welche Frage stellst du ihr, die ich nicht gestellt habe?

RC: Etwas über Songschreiben, zum Beispiel: Interessiert sich überhaupt noch jemand für die Songwriter?

 

bm: Und die Antwort?
RC: Manchmal befürchte ich, dass wahre Songs und Songwriter irgendwann nur noch Museumsstücke sind, wo die Leute sagen: Schau mal, die haben früher Lieder geschreiben. Dann wiederum denke ich daran, wie sehr mich manche Lieder bewegen und hoffe, dass diese Kunst noch lange anhält, dass junge Leute sich gerne solche Songs anhören.

 

bm: Deborah Allen meinte vor einigen Tagen, dass es unter den Songwritern viele Leute gäbe, die richtige Juwelen von Liedern geschrieben hätten, welche kein Mensch je zu hören bekäme.

RC: Siehst du, genau darum fürchte ich manchmal um unsere Zunft. Die Plattenfirmen heute nehmen einfach Elemente aus allen möglichen Musikrichtungen, mischen sie zusammen und setzen irgend welche Texte oben drauf. Ich mag es lieber, wenn jemand zu Hause mit seiner Gitarre im Wohnzimmer sitzt, und einen Song schreibt, der die Leute bewegt.

 

bm: Damit hast du viele Fans auf deiner Seite. Herzlichen Dank für das offene und gute Gespräch.