Interview mit Tammy Graham

© March 1998 / Bruno Michel

 

bm: Tammy, welchen Song würdest Du spielen, um all Deine Talente zeigen zu können ?

TG: Am ehesten Whole Lotta Shakin, mein Lieblingslied. Ich kann dabei meine Talente am Piano, im Singen und Schreien, sowie beim Tanzen zeigen.

 

bm: Journalisten suchen immer nach Worten, um den Stil eines Künstlers zu beschreiben. Wie beschreibst Du selbst Deinen Stil ?

TG: Anders. Ich bin ein Aussenseiter, den keiner einordnen kann. Das ist zwar härter in unserem Geschäft, aber ich würde um nichts in der Welt tauschen und angepasst sein, nur um weniger hart arbeiten zu müssen.

 

bm: Was tust Du heute dafür, damit in zehn Jahren der Act “Tammy Graham” noch immer im Musikgeschäft gefragt ist.

TG: Zurück nach Vegas und weiterarbeiten…(lacht). Nein, ernsthaft. Aufzutreten und eine Show zu bieten ist mein Leben. Und wenn mich die Leute wollen, werde ich das auch in zehn Jahren noch tun. Es bedeutet mir einfach alles.

 

bm: Wie lange und wieviel arbeitest Du in Las Vegas ?

TG: Seit zehn Jahren bin ich da. Ich arbeite 43 Wochen im Jahr und fünf Tage die Woche. Bis vor zwei Jahren waren es sogar sechs Tage pro Woche. (Anmerkung für alle Las Vegas Reisenden: Tammy ist im Cesar’s Palace zu sehen. Die Show kostet keinen Eintritt, da sie dort im Angestelltenverhältnis auftritt).

 

bm: Wenn Du von der Bühne auf das Publikum schaust, was denkst Du dabei ?

TG: Ich fühle mich geehrt, dass die Leute kommen, um mich zu sehen. Es gibt mir ein gutes Gefühl und spornt mich an, noch mehr zu geben.

 

bm: Du gibst also sehr viel mit Deiner Musik. Was bekommst Du dafür zurück ?

TG: Die Zufriedenheit der Leute. Der Ausdruck ihrer Gefühle nach meinen Auftritten. Die Komplimente. Das alles lässt Dich einfach spüren, dass Du weitermachen musst, weil die Leute es so wollen.

 

bm: Was sind die Schattenseiten des Herumreisens und Auftretens ?

TG: Dank meinem Engagement in Vegas muss ich nicht soviel herumreisen, obwohl ich das sehr mag. Nach unserem Auftritt in der Schweiz im letzten Jahr, sehe ich Euer Land als den Platz auf der Welt an, an dem ich mich bisher am wohlsten gefühlt habe. Ich weiss, dass dies wahrscheinlich jeder in einem Interview sagt. Aber Du kannst alle Mitglieder meiner Band fragen und alle meine Begleiter. Jeder wird Dir erzählen, was wir in der Schweiz für eine grossartige Zeit hatten. Das ist auch in diesem Jahr wieder so. Bezüglich Deiner Frage kann ich mir vorstellen, dass einem beim vielen Herumreisen wohl am meisten die Familie und die Freunde zuhause fehlen.

 

bm: Gibt es einen speziellen Anlass, der in Deiner Karriere den Wendepunkt darstellte ?

TG: Der Moment, als ich vor rund sechs Monaten in der Grand Ole Opry auftreten durfte. Damit ging einer meiner ganz grossen Träume in Erfüllung.

 

bm: Wie kam es zu diesem Auftritt ?

TG: Durch meine Plattenfirma. Ich hatte mit A Dozen Red Roses einen Top-30 Hit. Ich trat in Bill Anderson’s Show auf und so ergab sich das.

 

bm: Was war das grösste Hindernis, das Du in Deiner Laufbahn überwinden musstest ?

TG: Die Enttäuschungen, die man erlebt, wenn nicht alles nach Plan läuft oder nicht schnell genug. Wir alle träumen von Erfolg und Ruhm. Ich bin manchmal viel zu ungeduldig. Aber ich lerne.

 

bm: Kannst Du Dich an das verrückteste Erlebnis erinnern, das Dir auf Deinen Tourneen passiert ist ?

TG: Oh ja. Unser letztjähriger Auftritt in der Schweiz. Oder eher die Party am Abend vorher. Wir waren so glücklich, plötzlich in der Schweiz auftreten zu dürfen, dass wir dies ausgiebig feierten. Am Tag danach stellten wir fest, dass wir wohl ein bisschen zu intensiv gefeiert hatten. Aber bis zur Show war alles wieder im Lot. Wir haben uns wirklich riesig gefreut, dieses Jahr wieder herkommen zu können.

 

bm: Steve Earle sagte einmal : “Country Music ist wie Varieté : Es ist für jeden Geschmack etwas dabei”. Wie siehst Du das ?

TG: Dem stimme ich zu. Country Music spricht Deine Gefühle, Dein Herz an. Daher auch alle möglichen Schichten und Altersklassen.

 

bm: Bleiben nach Deinen bisherigen Erfolgen noch weitere Ziele oder Wünsche offen ?

TG: Sicher. Ein weiteres Album, das erfolgreich ist. Nicht sehr erfolgreich, Platz eins in den Charts reicht….(lacht). Nein, ich möchte einfach die Gelegenheit haben, weiterhin aufzutreten und das zu tun, wozu ich mich berufen fühle. Hoffentlich erlaubt mir meine Gesundheit dies noch möglichst lange.

 

bm: Wenn Du ein Interview mit Tammy Graham führen solltest, welche Frage würdest Du stellen, die ich nicht gestellt habe ?

TG: Warum ich als Country Act gebucht werde ?

 

bm: Gute Frage, denn Deine Musik hat zu grossen Teilen andere “Labels”. Also warum ?

TG: Die Musik kommt aus meinem Herzen. Ich “fühle” mich Country, aber ich trage genauso gerne Gospel, Rock’n’Roll oder Lieder anderer Musikrichtungen vor. Dabei tritt das Label, die Bezeichnung der Musikrichtung, in den Hintergrund.

 

bm: Ich wünsche Dir, dass Du weiterhin viel Erfolg hast, egal mit welcher Art von Musik. Vielen Dank für das Interview.