Interview mit Jesse & Noah

© July 2005 / Bruno Michel - Fotos: Tony Fischer, Bruno Michel

 

Obwohl auf der elterlichen Ranch in Florida aufgewachsen, hatten Jesse und Noah Bellamy mit Rancharbeit nie etwas am Hut. Sie richteten sich lieber in einer alten Scheune ein Tonstudio ein. Die beiden hattten bereits in vielen Bands gespielt, bevor sie 2001das Album Key To The Highway unter dem Pseudonym Elston Gunnn (mit 3 n) heraus brachten. Dieser Name wurde einst von Robert Zimmerman benutzt – lange bevor er unter dem Namen Bob Dylan weltberühmt wurde.

Vater David Bellamy überzeugte seine Jungs vor drei Jahren, nach Nashville zu ziehen. Papa wollte, dass die heute 26 und 27 Jahre alten Brüder ihr Songwriter Handwerk bei einigen gestandenen Liedermachern von der Pike auf lernen. Nun ist ihr erstes Album als Jesse & Noah mit dem Titel Drivin’ Nowhere erschienen. In Interlaken traten sie erstmals gemeinsam in Europa auf. Die Gelegenheit für mich, um mit den Brüdern über ihre Erwartungen zu sprechen.

bm: Ihr beschreibt eure Musik als Mischung zwischen Gram Parsons, den Eagles, Merle Haggard, Chris Hillman und Bob Dylan. Wie schwierig ist es, als Söhne eines berühmten Vaters und Neffen eines nicht weniger berühmten Onkels seine eigene Identität zu finden und aufzubauen?
JB: Es war sicher etwas einfacher für uns mit dieser Verwandtschaft. Die beiden haben sich genau so wenig um die
Regeln im Musikgeschäft gekümmert, wie wir. Darum haben sich für uns Türen geöffnet, die sonst vielleicht nicht aufgegangen wären. Schwierig wäre es dann geworden, wenn unser Vater und Onkel eher angepasste Musik gemacht hätten. Aber so konnten wir verschiedene Stile mischen und unseren eigenen Sound definieren.

bm: Noah, du hast deine Fähigkeiten als Gitarrist und Tontechniker verfeinert, während du, Jesse, der Sänger und Songschreiber in der Band bist. Was ist wichtiger bei einem Lied? Die Worte oder die Musik?
JB: Die Worte (schaut auf seinen Bruder und lacht)…
NB: Nein, die Melodie ist für mich wichtiger. Melodien sind zeitlos. An die Worte erinnern sich nur wenige, aber die Melodie kennt man noch nach vielen Jahren.

bm: Welchen berühmten Song hättet ihr gerne selbst geschrieben?
JB: (überlegt)…Vielleicht Mama’s Hungry Eyes von Merle Haggard.
NB: Ja, so was in der Richtung. Oder Yesterday von den Beatles (Gelächter). Dann hätte ich ausgesorgt.

bm: Ihr kennt die kommerzielle Seite des Geschäfts von eurem Vater und Onkel her. Marketing ist oft wichtiger, als die Musik. Welche Strategie verfolgt ihr, um Erfolg zu haben und euch trotzdem treu zu bleiben?
JB: Wir versuchen als Erstes, uns selber treu zu bleiben, das ist mal das Wichtigste. Es wird allerdings immer schwieriger. Aber wir tun unser Bestes.

bm: Wie beurteilt ihr die Situation, die George Strait und Alan Jackson in ihrem Duett, Murder On Music Row, beschrieben haben?
JB: Schwer zu sagen. Aus Nashville kam, genau so wie aus allen andern Ecken, schon immer gute und schlechte Musik. Auch heute produziert man in Nashville ab und zu noch grossartige Songs.
NB: Viele Leute meinen zwar, früher habe sich die Music Row in Nashville um traditionelle Musik gekümmert. Ich glaube, das haben die nie getan. Sie nahmen immer so genannte traditionelle Musik und trimmten sie mehr auf kommerziell.

bm: Welches Wort oder welchen Satz verwendet ihr wieder und wieder?
JB: (lacht) Ja, Keep on keepin’ on. Das sagen wir immer und immer wieder – auch zu uns selbst.

bm: Wenn die Leute in 50 Jahren auf das Leben von Jesse & Noah zurück blicken, was hofft ihr, werden sie dann über euch sagen?
JB: Hoffentlich, dass wir ein paar verdammt gute Songs hatten. Das ist, worum es meiner Meinung nach in unserem Geschäft geht. Und vielleicht arbeiten wir in fünzig Jahren ja immer noch und stehen live auf der Bühne (Gelächter).

bm: Wer wäre euer Lieblingspartner für ein Duett und warum?
NB: Von den Toten oder den Lebenden?
bm: Tja, mit den Toten wird’s etwas schwieriger. Obwohl’s ja technisch heute geht.
NB: Ja, stimmt. Mit Elvis wäre cool.
JB: Wie wär’s mit einem „Duett“ mit Rachael Warwick? (lacht).

bm: Welchen Moment in eurem Leben würdet ihr gerne nochmal erleben – falls es den schon gibt?
JB: Hoffentlich den Auftritt heute Abend. Wir finden’s toll, hier zu sein.

bm: Gibt es einen Unterschied zwischen Jesse & Noah auf der Bühne und den beiden hier vor mir?
NB: Eigentlich nicht. Wir machen schon fast unser ganzes Leben lang Musik. Noch besser, Musik IST
unser Leben.
JB: Doch, vielleicht passe ich da oben etwas mehr auf meine Wortwahl und meine Sprache auf als sonst.

bm: Wenn ihr ein Interview mit Jesse & Noah führen würdet, welche Frage stellt ihr, die ich nicht gestellt habe?
JB: (überlegt)…Schnarcht Noah? Und die Antwort ist definitiv ja.
NB: Was ist das beste Mittel gegen Jetlag? Ich weiss es leider selbst noch nicht – ausser schlafen, aber dazu kommen wir kaum.

bm: Glaub ich euch gerne, bei den vielen Auftritten. Trotzdem viel Erfolg für heute abend und danke für das Gespräch.