Interview mit Del McCoury

© February 1999 / Bruno Michel

 

bm: Del, wie würdest Du Deine Musik jemandem beschreiben, der sie noch nie gehört hat ?

DMC: Zum einen ist es akustische Musik, zum andern verwende ich traditionelle Bluegrass-Instrumentierung, also Fiddle, Banjo, Mandoline, String-Bass und Gitarre. Ich weiss nicht genau, wie ich es sonst beschreiben kann, aber als ich in den 40er Jahren zum ersten Mal Bluegrass hörte, mochte ich den Sound und die Art der Lieder, welche Bands von Bill Monroe oder Flatt & Scruggs damals spielten. Und so habe ich immer versucht, diesen Sound am Leben zu erhalten. Natürlich hat sich heute der Geschmack des Publikums geändert. Auch meiner. Aber den Sound dieser fünf Instrumente mag ich eben immer noch.

 

bm: Country Musik befindet sich gegenwärtig auf einer phänomenalen Erfolgskurve. Warum glaubst Du, ist Country Musik heute so populär ?

DMC: Die Musik ist über die Jahre “mitgewachsen” und hat sehr viele Veränderungen mitgemacht. Mir scheint, dass zumindest gewisse Country-Künstler langsam wieder zu den Wurzeln zurückfinden. Eine Zeitlang ging es für meinen Geschmack zu sehr Richtung Pop. Ich denke, mit ein Grund für den heutigen Erfolg ist, dass die Ursprünge dieser Musik wieder mehr zählen. Interessant für mich ist auch, dass heute Bluegrass Musiker Erfolg im Country-Business haben können, obwohl es eigentlich immer noch zwei verschiedene Stilrichtungen sind. Country lässt heute verschiedene Stile zu.

 

bm: Früher kannten wir diese Musik als Country & Western Music. Was denkst Du, ist mit dem Western Teil passiert.

DMC: Ich weiss nicht, warum dieser Teil verschwunden ist. Zuvor war es Hillbilly, dann Country & Western, heute ist es Country, vielleicht nur, um den Namen kürzer zu machen (lacht). Es hat nämlich immer noch Western Music in Country. Texas hat heute wieder einen grossen Einfluss, viele Musiker kommen von da und heute hörst Du auch wieder mehr Western Swing.

 

bm: Hast Du einen Lieblingskünstler ?

DMC: Eigentlich habe ich fast nie Zeit, Radio zu hören oder Platten aufzulegen. Die einzige Zeit in der ich regelmässig Musik höre ist, wenn wir Songs für ein Album auswählen. Meine Söhne schon eher. Die sind jung und hören sich alles an. Sie bringen mir Country, Blues, Jazz usw. Manchmal, wenn ich die Songs mag, nehme ich sie auf.

 

bm: Vielleicht hast Du auch keine Zeit, weil Du so beschäftigt bist.

DMC: Nun, eigentlich buchen wir selten grössere Touren. Meistens bin ich über die Wochenmitte zu Hause. Wir spielen wenn’s geht nur drei, vier Tage über’s Wochenende. Das ist immer noch viel. Vielleicht mehr, als ich in einem traditionellen Job arbeiten würde.

 

bm: Auf was schaust Du, wenn Du Material für ein neues Album auswählst ?

DMC: Ich weiss eigentlich nie, was ich suche, bis ich einen Song höre. Ich bekomme Lieder per Post oder auf Band zugestellt. Im Winter habe ich viel Zeit, mir die Sachen anzuhören. Aber wie gesagt, ich weiss nie, was auf das nächste Album kommt, bis mich ein Song wirklich bewegt. Es ist wohl letztlich mein Geschmack, der entscheidet.

 

bm: Hast Du ein Lied, welches all Deine Talente demonstriert ?

DMC: Nein, glaube ich nicht. Ich brauche mindestens eine Stunde, um dem Publikum alle meine Talente zu zeigen. Heutzutage lasse ich meine Band viel mehr selber machen, sie spielen Solos oder singen ganze Songs selber. Darum dauert es vielleicht sogar die ganze Show, bis ich alle meine Fähigkeiten gezeigt habe.

 

bm: Garth Brooks sagte einmal “Ein Lied ist eine Drei-Minuten-Gelegenheit, der Welt etwas mitzuteilen.” Was ist Deine “Mitteilung an die Welt” ?

DMC: Nun ich kenne Garth nicht wirklich, aber er wohnt relativ nahe bei mir, oben auf dem Hügel, während ich unten im Tal zu Hause bin (lacht). Vielleicht kennt er mich, denn als er aufwuchs, spielte ich relativ häufig in Oklahoma. Nun, meine Message. Ich denke, Deine Songs geben dem Publikum einen Vorgeschmack auf Deine Persönlichkeit. Ich habe darüber nie wirklich nachgedacht. Ich singe, woran ich glaube, habe weder einen Lieblingssong von anderen Künstlern, noch habe ich einen von mir selber. Ich glaube, ich habe gar keine “Message to the World” (lacht wieder). Ich liebe Musik. Ich stehe einfach da draussen und tue, was ich am meisten liebe.

 

bm: Wer hat Deine Karriere bis jetzt am meisten beinflusst ? Dein Vater, Deine Mutter, Musiker ?
DMC: Mein Vater ? Ja, Du hast recht. Von der Inspiration her ganz sicher mein Vater. Er hat zwar nie Musik gespielt, aber er gab mir die Sicherheit und das Gefühl, etwas erreichen zu können mit harter Arbeit. Ich war immer scheu und zurückhaltend, bin es wahrscheinlich heute noch. Aber dank ihm hatte ich immer das Gefühl, alles erreichen zu können was ich wollte. Musikalisch meine Mutter. Ich und meine Brüder lernten viel von ihr. Dann Bill Monroe, vor allem auch in der Zeit als ich mit ihm gespielt habe. Ich musste bei ihm anfangen, Leadstimme singen, obwohl ich bis dahin als Banjospieler nie an’s Singen gedacht hatte.

 

bm: Wohin soll Dich Deine Musik in Zukunft bringen ?
DMC: Nun, ich schaue nicht all zu weit in die Zukunft. Ich versuche, weiterhin aufzutreten und Songs aufzunehmen. Ich habe früher vielleicht einiges für die Zukunft getan. Zum Beispiel unser Umzug nach Nashville vor etwa fünf Jahren. Dort haben wir mehr Fernsehpräsenz und mein Agent wohnt auch da. Dies half uns wirklich. Die Dinge ergeben sich auch oft von selber. Wenn Du gute Aufnahmen machst, gute qualitativ hochstehende Shows bietest, dann zahlt sich das irgendwann aus.

 

bm: Was in Deiner Karriere hat Dich bisher am meisten befriedigt ?

DMC: Als meine Söhne sich zu guten Musikern entwickelten und schliesslich meiner Band beitraten. Ich hatte nie das Ziel, dass meine Boys Musiker werden müssten oder sogar mit mir spielen. Aber sie wollten Instrumente lernen und schliesslich war es eines Tages soweit, dass sie sich mir anschlossen. Das war wirklich die grösste Befriedigung.

 

bm: Was hat Dir der Erfolg bisher gebracht ?

DMC: Zufriedenheit. Ich hatte nie wirklich Erfolg in meinen frühen Jahren. Ich arbeitete tagsüber und buchte Auftritte für Bluegrass-Festivals am Wochenende. Meine Frau und ich mussten hart arbeiten, um die Familie durchzukriegen. Jetzt habe ich die leichteste Zeit in meiner musikalischen Karriere. Die harte Zeit kommt dann wieder, wenn ich zu alt zum Singen werde.

 

bm: Hat der Erfolg Dir etwas weggenommen ?
DMC: Nein, im Gegenteil. Es ist heute einfacher als früher. Es kommt mehr Geld herein, meine Frau muss nicht mehr arbeiten. Sie verkauft heute an unseren Auftritten in den USA die Artikel der Band. Eigentlich ist die Familie heute mehr zusammen als früher. Das ist sehr positiv. Wir müssen beide nicht mehr so hart arbeiten, also glaube ich nicht, dass ich irgend etwas durch den Erfolg verloren habe.

 

bm: Welchen Anteil hat Glück in der Karriere eines Artisten ?

DMC: Ich weiss nicht. Ja, es gibt sicher solche Momente. Bei mir war es aber mehr die harte Arbeit und das Halten eines Qualitätsstandards als nur Glück. Ich weiss, für einige Musiker ist der Erfolg über Nacht da. Bei mir ging’s ein bisschen länger und langsamer.

 

bm: Wenn Du ein Interview mit Del McCoury führen würdest, welche Frage würdest Du ihm stellen, die ich nicht gestellt habe.

DMC: Oh Boy, was würde ich den fragen ? Keine Ahnung, oder …Oh ja, normalerweise reden wir bei der Frage nach dem Einfluss immer über meine Mutter, Bill Monroe oder Musiker, mit deren Songs ich aufwuchs. Aber ich habe eigentlich noch nie über meinen Vater gesprochen bis Du mich heute danach gefragt hast. Er hatte sicher den grössten Einfluss auf meine Persönlichkeit. Aber das haben wir ja schon angesprochen. Sonst, ich weiss wirklich nicht.

 

bm: Del, vielen Dank für dieses Interview. Wir wünschen Dir viel Erfolg, heute und morgen hier in der Schweiz und danach für die Zukunft.