Interview mit Alecia Nugent

© February 2005 / Bruno Michel

 

bm: Alecia, dein Vater gründete 1972, deinem Geburtsjahr, die Southland Bluegrass Band. Was bringt Leute aus Louisiana zum Bluegrass statt zu Cajun oder Zydeco?

AN: Klar gibt’s in Louisiana mehr Cajun und Zydeco. Aber mein Vater lernte zufällig die Stanley Brothers und Bill Monroe kennen und verliebte sich in deren Musik. Ich bin ihm dafür dankbar.

 

bm: Carl Jackson meinte kürzlich, dass du es verdienst, genau so am Vornamen erkannt zu werden, wie Dolly Parton, Loretta Lynn, Rhonda Vincent oder andere. Was bedeuten solche Komplimente für dich?

AN: Sehr viel. Es passiert nicht jeden Tag, dass du solche Komplimente kriegst, dazu noch von einem so bekannten Künstler wie Carl Jackson.

 

bm: Was für ein Album – ausser Bluegrass – möchtest du eines Tages machen?
AN: Ich würde sehr gerne ein Country Album machen. Aber eines nach meinen Vorstellungen, mit Steel Guitar und Twin Fiddles und richtig traditionellem Sound. Zurück zu den Wurzeln, sozusagen…

 

bm: …wo kann ich unterschreiben – dass deckt sich zu 150% mit meiner Ansicht. Nächste Frage: Wenn du deine Autobiografie schreiben würdest, was wäre der Titel des Buches?
AN: Oh, schwierige Frage (schweigt eine Weile). Es müsste irgendwas mit schlechten Zeiten zu tun haben, mit negativen Erfahrungen. Ich weiss nicht, vielleicht „Die schwierigen Zeiten der Alecia Nugent, oder so was. Ich hätte da so einiges zu erzählen. Eines Tages mach ich es vielleicht.

 

bm: Wirst du selber schreiben oder einen Schreiber engagieren?
AN: Ich werde Hilfe dazu brauchen. Aber ich möchte trotzdem, dass es aus mir heraus kommt. Man weiss ja nie, wie lange man noch auf dieser Welt bleiben darf. Aber wenn du viele Schwierigkeiten im Leben meistern musst, hilft das meiner Meinung nach, noch echtere Songs zu schreiben – und es macht dich stärker, du kannst daran wachsen.

 

bm: Wenn die Menschen in fünfzig Jahren auf deine Karriere zurück blicken, was wünschst du dir, dass sie über dich sagen?

AN: Ich möchte, dass sie mich als Menschen anerkennen, der offen für Kritik war. Aber auch als eine Bluegrass Künstlerin, die ohne ein Instrument zu spielen Erfolg hatte. Ich liebe diese Musik. Es gibt aber so viele Musiker und Fans, die immer noch der Meinung sind, dass eine Bluegrass Künstlerin nichts wert ist, wenn sie kein Instrument spielt. Hoffentlich sagen die Leute in fünfzig Jahren, dass es mir gelungen ist, diese Ansicht zu ändern.

 

bm: Warum, glaubst du, hält sich diese Meinung bei Musikern und Fans?

AN: Bluegrass ist seit je her mit Instrumenten Solos und der Darstellung der einzelnen Musiker und ihrer Fähigkeiten verbunden. Das unterscheidet Bluegrass von andern Musikrichtungen, da geht es um jeden einzelnen und sein instrumentales Können. Die Hardcore Fans glauben, dass es so bleiben sollte.

 

bm: Für mich hat Bluegrass aber auch viel mit Harmonie Gesang zu tun. Diese Seite mag ich fast noch mehr als die instrumentale.

AN: Du hast Recht. Auch ich bevorzuge den Harmonie Gesang. Klar schätze ich die Instrumentalisten, versteh mich bitte nicht falsch. Aber in unserer Familienband mit der ich aufwuchs, hatten wir viele a capella und Gospelsongs. Die Familie und die Harmonie standen für meinen Vater dabei immer im Vordergrund.

 

bm: In der Bluegrass Szene ist es sehr viel schwieriger, erfolgreich zu werden, als in der Nashville Szene. Mit 50'000 verkauften Kopien eines Albums ist man im Bluegrass schon sehr erfolgreich. Welchen Rat kannst du jungen Bluegrassern geben, die ebenfalls auf den Erfolgszug aufspringen wollen?
AN: Wenn du an diese Musik glaubst, dann bleib dabei und verwässere sie nicht zugunsten des Erfolgs. Es ist wichtig, dich der Wurzeln zu erinnern. Klar ist es einfacher, wenn du den Ratschlägen der Plattenfirma oder der Berater folgst. Aber das hat dann nichts mehr mit authentischer Musik zu tun. Auch ich höre Pop Musik und ich liebe sie. Aber warum soll man ein Country- oder Bluegrass Album so abmischen, dass es nach Pop oder Rock klingt? Ich weiss, man sollte nicht schubladisieren, aber wenn ich ein Country Album kaufen will und danach feststelle, dass es nicht traditionell instrumentiert ist, dann ist das für mich eben nicht mehr Country.

 

bm: Hast du einen Glücksbringer?
AN: Ich denke, dass mein Glücksbringer Gott ist. Ich glaube nicht an Zufälle. Glück wird dir von Gott geschenkt. Erfolg kannst du durch harte Arbeit erzielen. Aber es braucht immer auch eine Prise Glück dazu.

 

bm: Welche Redewendung benutzt du wieder und wieder?
AN: Hmmm, ich glaube: „Let’s see y’all“ (lacht). „Es wird schon gut kommen“, das ist glaube ich mein Favorit. Auf der Bühne denke ich nicht, dass ich etwas ständig wiederhole, aber da müsstest du eigentlich meine Band fragen.

 

bm: Nimm an, du findest Aladins Wunderlampe. Welche drei Wünsche hast du an den Flaschengeist?

AN: Oh Mann… ich glaube der erste Wunsch ist für drei weitere Wünsche (lacht). Der zweite wäre Gesundheit für meine Kinder und meine Familie. Und der dritte – auf die Musik bezogen – dass es mir gelingt, die Menschen mit meiner Musik zu berühren und eine Karriere daraus entstehen zu lassen.

 

bm: Die letzte Frage ist bei mir immer dieselbe. Wenn du ein Interview mit Alecia Nugent führen würdest, was fragst du sie, das ich nicht gefragt habe?
AN: Oh, ich glaube, du hast vieles schon abgedeckt, lass mich überlegen…Vielleicht was ich mit meiner Karriere in der Bluegrass Musik erreichen will? Ich möchte die Horizonte in Bezug auf Bluegrass erweitern. Meine Musik betrachte ich als akustische Country Music, darunter fällt für mich auch Bluegrass. Um noch erfolgreicher zu sein, müsste sich die Bluegrass Music weiter öffnen…aber darüber haben wir ja schon gesprochen. Das Leben ist ein Kreislauf. Ich glaube, dass das auch bei der Musik der Fall sein wird. Hoffentlich werden auch hier die Wurzeln wieder wichtig.

 

bm: Ein guter Schluss. Herzlichen Dank für das Gespräch und alles Gute.