Interview mit Rolf Raggenbass

© March 1997 / Bruno Michel

 

Was die Abkürzung RR in der Autowelt bedeutet ist vielen klar : Rolls Royce, oder, mit anderen Worten : Qualität, Stabilität und Wert. Die Country Music Szene der Schweiz kennt die Abkürzung RR ebenfalls, und auch hier steht diese für Qualität, Stabilität und Werte. Hinter dieser Abkürzung steht ein Mann, der sich diesen Merkmalen zeitlebens verschrieben hat : Rolf Raggenbass. 4x4 das Schweizer Allradmagazin stellt Euch heute diesen Schweizer Künstler näher vor.

 

bm: Rolf, wie kamst Du in‘s Musik-Business ?

RR: 1962 als ich zwölf Jahre alt war, begann ich Gitarre zu spielen. Songs von Peter Hinnen oder Martin Lauer, also eigentlich Schlager. Dann kamen in der Schweiz bald einmal die Beatles und die Rolling Stones auf. Damit verlagerte sich mein Interesse ziemlich schnell auf diese Art Musik. Sie bildete sozusagen die Basis für meinen weiteren musikalischen Weg und begleitete mich bis etwa 1975.

 

bm: Du hast in Deiner über 30jährigen Musikerkarriere in verschiedenen Formationen mitgespielt.

RR: Ja, in der Anfangszeit hatten wir eine Schülerband, die relativ lange zusammen blieb. Ende der Sechziger Jahre kam ich zu den „Harpunes“. Die waren schon ziemlich erfolgreich und traten vorwiegend im Raum Rapperswil auf. Bei den „Harpunes“ spielten wir Rhythm & Blues, Songs von Eric Clapton, Fleetwood Mac usw. So gegen Mitte der Siebziger Jahre war ich dann bei den „Avocados“, einer Tanzmusik-Band im Raum Zürich. Wo damals ein grosser Ball angesagt war spielten wir. An solchen Anlässen gibt‘s ja meistens mehrere Bands. Wir traten häufig als zweite Band neben Hazy Osterwald oder Pepe Lienhard an diesen Bällen auf. Das ging dann so bis 1982/83. Das war die Zeit, wo langsam Country Music in der Schweiz ein Thema wurde, das nicht nur wenigen Insidern gefiel. Damals fand ein Festival im Kongresshaus statt, wovon es heute noch eine Schallplatte mit John Brack, den Country Ramblers usw. gibt. Folglich brachte ich, bei den „Avocados“ einige Country Songs rein.

 

bm: Country Music ist heute ein Teil Deines Lebens. Warum ist Rolf Raggenbass kein Pop-, Rock- oder Tanzmusik-Künstler mehr ?

RR: Ich fühlte mich zur Country Music sofort hingezogen, weil ich merkte, dass diese Art Musik Elemente beinhaltete, welche ich von Grund auf gelernt hatte : Rhythm & Blues, Rock und Rockabilly. Sicher, der Bluegrass- oder Western-Swing Teil war neu für mich, aber ich sah, dass wesentliche Elemente der Country Musik mir so nahe waren, dass ich diese Musik spielen wollte.

 

bm: Was kam nach den Avocados ?

RR: Nur wenige Tage nach meiner Entscheidung, bei den „Avocados“ aufzuhören, rief mich James Müller an, der Bandleader der „Sunday Skifflers“ und sagte : „Hast Du Lust, bei uns mitzumachen ? Wir wollen etwas modernere Musik machen, nebst unseren Skiffle-Songs.“  Ich ging zu einer Probe, wo mich James dann auch noch nach einem guten Schlagzeuger fragte. Da kam mir Heinz Busch in den Sinn. Er war eigentlich der Kopf der „Avocados“. Heinz ist heute noch Drummer bei den Skifflers. In dieser Formation brachten wir dann auch Platten auf den Markt. Die erste war „Sunday Skifflers Go Country“. Auch bei „Breakthrough“ war ich noch ziemlich beteiligt mit Eigenkompositionen.

 

bm: Zu dieser Zeit waren aber auch schon Kontakte zu John Brack da. Und irgendwo war doch auch noch Toni Vescoli im Spiel ?

RR: Schon seit ein, zwei Jahren hatte ich durch die „Avocados“ Kontakt zu Helmut Schöni, dem Steeler von John Brack, und half ab und zu als Bassist bei der JB Band aus, wenn Ruedi Burkhalter nicht verfügbar war. In dieser Zeit entwickelte sich auch die Zusammenarbeit mit Toni Vescoli. Nach seiner Liedermacherzeit spielte ich in der ersten Formation von Vescoli & Co. Dies war für mich ebenfalls eine tolle Zeit. Irgendwann hatte ich dann soviele Terminkonflikte, dass sich sowohl die Sunday Skifflers als auch Toni Vescoli entschlossen, eine neue Formation zusammenzustellen. Gleichzeitig wollte John Brack einen Keyboarder in seiner Band und Ruedi Burkhalter, als ausgebildeter Pianist, übernahm diese Rolle. So kam ich als fester Bestandteil zu John Brack‘s JB Band.

 

bm: Wie kam es zur neuen, heutigen Band von Rolf Raggenbass ? Deine Solokarriere läuft ja schon eine Weile und in dieser Zeit hast Du immer mit einem Teil der JB-Band gespielt. Diese Klassemusiker wären ein Garant für weiteren Erfolg. Ist eine neue, „unbekannte“ Band nicht ein Risiko ?

RR: Ein Garant für Erfolg wäre die alte Band schon, aber keine Garantiefür mich als Rolf Raggenbass weiter zu kommen. Nicht zuletzt dank den Ratschlägen von John Brack musste ich einsehen, dass ich in der bestehenden Formation zuwenig Eigenständigkeit entwickeln kann. Verstehe mich nicht falsch : John‘s Musiker haben mir enorm viel geholfen und haben vieles auf sich genommen, um mich zu unterstützen. Aber mit meiner neuen Band, zum Teil jungen Leuten, die noch heiss sind auf Bühnenerfahrung, komme ich langfristig in meiner Eigenentwicklung weiter.

 

bm: Du hast mir mal erzählt, dass Dein neuer Gitarrist und Backup-Sänger Dein Gesangslehrer war ?
RR: Richtig. Vor etwa drei Jahren war ich an der ACM, der Academy of Contemporary Music, um Gesangsstunden zu nehmen und Atemtechnik zu lernen. Dort war er mein Gesangslehrer.

 

bm: Wie würdest Du Deine Musik mit der neuen Band jemandem beschreiben, der Euch noch nie gehört hat ?
RR: Zwischen traditioneller und moderner Country Music. Man muss sehen, dass ich heute natürlich noch den grössten Teil meines alten Repertoires spiele. Zum einstudieren von neuem Material blieb bisher wenig Zeit.

Jetzt sind wir daran, das Repertoire zu erneuern, auch mit mehr eigenem Material meiner bisherigen Produktionen. Mir ist es wichtiger, mich gegenüber dem Publikum mit eigenen Songs zu identifizieren, als mit Cover-Versionen.

 

bm: Einige Musiker Deiner Band könnten Deine Söhne sein. Gibt der Altersunterschied Probleme ?

RR: Richtig, der Gitarrist ist genau 20 Jahre Jahre jünger als ich und Silvio ist nochmals ein paar Jahre jünger. Dann gibt es aber noch Erich Hunkeler an den Drums, der auch bei den Rusty Nugget spielt und natürlich Helmut Schöni, ein sicherer Wert an der Steel Guitar. Wenn Helmut mal keine Zeit hat, ist Roli Ambühl, der Fiddle bei mir spielt, in der Lage, dies zu kompensieren. Probleme haben wir dadurch aber keine.

 

bm: Nun, wenn Helmut keine Zeit hat, bist auch Du absorbiert, weil ihr dann beide bei John Brack spielt.

RR: Nein, das ist heute anders. Ich habe von John Brack eigentlich einen „Freipass“ meine eigenen Gigs und Termine zu vereinbaren. Wenn ich also mal keine Zeit haben sollte, an einem Auftritt von John dabeizusein, wird er sich einen Ersatzbassisten suchen.

 

bm: Typisch John Brack. Für die Förderung von neuen Talenten tut er alles. Eine solche Einstellung musst Du lange suchen.

RR: Da kannst Du in der Tat lange suchen. Das ist Grosszügigkeit hoch 1000.

 

bm: Trotzdem wirst Du bei entsprechendem Erfolg irgendwann eine Entscheidung treffen müssen.

RR: Natürlich. John sagte mir, sollte ich immer mehr Auftritte und Absenzen haben, wäre ich eben irgendwann der Ersatz. Bis das soweit ist dauert es noch einige Zeit und wenn es dann eintreffen sollte, bin ich ja mit dem Erfolg mehr als zufrieden.

 

bm: Du hast nach wie vor einen 80%-Job bei einer Firma. Wirst Du nach Deiner Entscheidung weiter reduzieren ?

RR: Dieses Gefühl hatte ich letztes Jahr schon mal. Aber da war ich noch relativ neu in dieser Firma. Heute habe ich meinen Job so gut im Griff, dass sich die Belastung wieder in Grenzen hält. Ich bin sehr froh, dass mir meine Firma diese Arbeitsweise ermöglicht. Natürlich kannst Du an den meisten Tagen den Feierabend vergessen. Kaum zu Hause geht‘s mit Musikbusiness weiter, seien es Auftritte oder Proben.

 

bm: Was kommt nach „Down The Road“, die meiner Meinung nach beste Deiner bisherigen Produktionen ?

RR: Ich will breiter werden, allerdings immer mit traditionellen Elementen. Ich kann mir vorstellen, mit meinen heutigen Musikern sowie der Unterstützung einiger anderer so ein Projekt zu realisieren. Jetzt stehen aber erstmal die Live-Auftritte im Vordergrund. Routine entwickeln und viel üben. Aber später kann ich mir durchaus vorstellen, eine CD mit Schweizer Musikern einzuspielen.

 

bm: Was hat Dir der Erfolg bis heute gebracht ?
RR: In erster Linie Zufriedenheit. Zudem habe ich gelernt, dass Du auch beim kleinsten Erfolg immer an Dir arbeiten musst, sonst ist der Erfolg plötzlich wieder weg. Das ist es auch, was mich fasziniert. Immer weiter zu machen, denn nichts machen bedeutet Rückschritt. Darum werde ich den Erfolg nie überbewerten.

 

bm: Was hat Dir der Erfolg genommen ?

RR: Am ehesten wohl ein gutes Stück des Privat- und Familienlebens. Ich bin verheiratet und Vater von zwei Kindern im Alter von 12 und 15 Jahren. Ich merke ab und zu, dass ich zuhause fehle. Nicht um irgendwas zu tun, sondern als Mensch, Partner und Vater. Aber meine Frau hat mich immer in meinem Bestreben unterstützt, wir haben unseren Kindern sozusagen vorgelebt, dass Musik ein Teil meines Lebens ist. So haben auch die Kinder gemerkt, dass ich ohne die Musik nicht der gleiche, zufriedene Mensch wäre. Wenn man mir von heute auf morgen die Musik nehmen würde, hätte ich grosse Probleme.

 

bm: Wie beurteilst Du die Schweizer Country Szene ?

RR: In der Schweiz steht das Element „Stimmung machen“ während eines Auftritts meiner Meinung nach immer noch zu hoch im Kurs gegenüber dem künstlerischen, musikalischen Wert einer Darbietung. Zuviele Bands mit sehr guten Musikern legen im Falle eines „Tiefs“ gerne schnell einen alten Standard ein, damit das Publikum wieder auf den Bänken steht. Man muss aber auch sagen, dass ein Teil des Publikums eben so will. Ich habe nichts gegen Standards, finde hier aber die Meinung meines Gitarristen richtig, der sagt : „Wenn schon „Folsom Prison Blues“, dann aber die Version von Brooks & Dunn.

 

bm: Was wünschst Du Dir für die Zukunft ?

RR: Mir mit meiner neuen Band eine Akzeptanz beim Publikum zu erarbeiten. Irgendwann möchte ich wieder eine CD produzieren. Für die nächsten Jahre möchte ich ein Teil der Schweizer Country Szene sein und gemeinsam mit den anderen daran arbeiten, dass wir auf ein gutes Niveau kommen. Mein Wunsch ist, dass sich ein Geben und Nehmen entwickelt, denn das bringt jedem Beteiligten garantiert etwas zurück.

 

bm: Vielen Dank für dieses Gespräch.

RR: Ich bedanke mich für die Möglichkeit dieses Interview geben zu dürfen.