Interview mit Straight Ahead

© March 1999 / Bruno Michel

 

Im Februar 1995 formierte sich im Raum Freiburg-Bern-Thun eine Band, welche drei Jahre später im Zürcher Albisgüetli mit dem 1. Platz in der New Talent Show ein Highlight feiern konnte. Manchmal hatte dieser Anlass in der Vergangenheit zwei Sieger gekannt, den der Jury und den des Publikums. Nicht so 1998 mit dem Sieg von Straight Ahead.

 

Seither ist einiges passiert in und mit dieser Band. Ihre damals noch eher statische Bühnenpräsenz beginnt sich aufzulockern, auch wenn sich bezüglich „Action“ auf der Bühne noch einiges dazu lernen lässt. Aber die, dank dem New-Talent-Show Sieg, zahlreich ermöglichten Auftritte 1998 und 1999 – u.a. in Worb, auf der Klewenalp oder an ausländischen Nachwuchs-Wettbewerben – haben gezeigt, dass hier eine Band heranwächst, von der man in Zukunft in der Schweizer Country Szene noch viel reden und hören wird.

 

Die Gruppe hat sich der traditionellen Country Music verschrieben und spielt Cover-Versionen. Dies allerdings mit viel Liebe zum Detail und mit unverkennbarer Spielfreude. Ich wollte von den Band-Mitgliedern Hansjörg Zahnd (HZ), Karl Binggeli (KB), Christian Gasser (CG), Udo Brügger (UB) und dem „Oldie“ der Gruppe, Jürg Oswald (JO) mehr erfahren.

 

bm: Ihr beschreibt Euer Ziel so: „Dem Publikum als Amateurband qualitativ gute Country Musik bieten.“ Reicht das allein heute, um Erfolg zu haben?
HZ: Dieses Ziel ist eine Kurzfassung dessen, was wir unter „qualitativ guter Musik“ verstehen. Zum Erfolg braucht es mehrere Dinge. Gute Live-Musik zu spielen, ist ein Faktor. Ein Song muss gut einstudiert sein, und wir müssen uns damit identifizieren können. Dann soll unsere Freude an der Musik rüberkommen, sowie auch unser Teamgeist in der Band. Und letztendlich muss sich auch das Publikum wohl und integriert fühlen.


bm: Was hat sich für Euch seit dem Sieg im Albisgüetli 1998 verändert?
JO: Wir arbeiten härter, anders, motivierter. Das Albisgüetli war ein wichtiges Forum für uns. Man darf aber nach so einem Erfolg keinesfalls stehenbleiben.

KB: Aus diesem Sieg ergaben sich einige wichtige Auftritte für uns. Aber ebensi wichtig war es für uns, nicht auf diesem Sieg auszuruhen, sondern eher verstärkt an unserer Qualität weiter zu arbeiten. Wir wären schlecht beraten gewesen, auf dem New-Talent-Show Siegerniveau zu verharren.


bm: Zunehmende Auftritte verpflichten auch, die Bühnenpräsenz zu verbessern. Wie arbeitet Ihr daran und welchen Level wollt Ihr erreichen?

JO: Wir verhandeln noch über den Grad der Zielerreichung (Gelächter). Nicht jeder von uns misst der musikalischen Karriere den gleichen Stellenwert bei. Beruf und Familie sind für einige sicher ebenso wichtig oder wichtiger. Also muss man eben diskutieren, gemeinsam das Repertoire definieren, und möglichst viel an sich arbeiten. Es ist nicht nur eine Qualitätsfrage.

KB: Wir wollen keine riesige Show ausarbeiten, bei der die Artistik auf der Bühne vor der Musik kommt. Natürlich sehen wir uns Videos an und erkennen, dass wir da und dort noch an unseren Bewegungsabläufen arbeiten müssen. Wir sind manchmal so stark in die Musik vertieft, dass wir vergessen, den Zuschauern auch attraktive Optik zu bieten. Daran arbeiten wir, weil uns bewusst ist, dass es vom Saal aus gesehen eben anders wirkt als in unseren Köpfen.

JO: Die musikalische Qualität des Repertoires steht momentan noch im Vordergrund. Ich stelle fest, dass gewisse Songs mittlerweile so intus sind, dass man beginne kann, sich auf andere Dinge, wie Bühnenpräsenz, zu konzentrieren. Wir müssen und wollen Prioritäten setzen.

 

bm: Nach welchen Kriterien sucht Ihr die Songs für Euer Repertoire aus?
UB: Verschiedene. Mir muss ein Song stimmlich liegen. Ich muss ihn fühlen und mich mit dem Inhalt identifizieren können, um ihn glaubhaft und gut rüberzubringen. Einen Song nur textlich zu interpretieren, liegt mir nicht.

HZ: Bevor Jürg zu uns stiess, waren wir vor allem auf Interpretationen von Alan Jackson, Dwight Yoakam etc. fixiert. Jürg hat unseren Horizont für Songs anderer Künstler erweitert, die ebenfalls gut mit unseren Fähigkeiten harmonieren.

JO: Manchmal überfahre ich die Jungs fast, mit meinen Ideen und Vorschlägen. Aber wir haben meistens einige Treffer unter diesen Ideen. Und das hilft, unser Repertoire schnell zu verbreitern, und nicht das Image einer Imitationsband eines bestimmten Künstlers zu erhalten.

 

bm: Schreibt Ihr auch eigenes Material?
UB: Es gibt einen Song von mir, der eher per Zufall auf die neue CD kam. Er ist nicht mal in Englisch geschrieben, sondern in Seislerdeutsch (Fribourger Dialekt). Aber sonst schreiben wir eigentlich nicht.

HZ: Noch nicht. Für eigene englisch getextete Songs ist es noch zu früh. Schliesslich sind wir nicht mit dieser Musik aufgewachsen, und brauchen daher länger, um uns in die Gefühlswelt dieses Genres einzuarbeiten. Wenn wir eines Tages glauben, dafür reif zu sein, könnte es schon sein, dass eigenes Material einfliesst.

 

bm: Wer sind Eure musikalischen Vorbilder?

HZ: An der Leadgitarre stehen für mich Albert Lee, Vince Gill oder Brent Mason im Vordergrund. Man versucht, von diesen Idolen gewisse Sachen zu interpretieren, und merkt dann sehr schnell, warum sie Vorbilder sind.

UB: Alan Jackson interpretiert für mich seine Lieder so, wie auch ich fühle. Er ist kein reiner Showman, sondern legt viel Herz in die Präsentation seiner Songs.

KB: Was ist überhaupt ein Vorbild? Für mich sind das doch die meisten der amerikanischen Musiker, eben weil sie vom Können her so weit fortgeschritten sind. Ich mag unsere Musik, aber auch Country Rock, wie z.B. Brooks & Dunn oder Bluegrass. Als Bassist orientiere ich mich an Mark Schatz, der für mich einer der Grössten ist.

JO: Ich hab schon auch Vorbilder. Wer, ist dabei weniger wichtig, als das Bestreben, anhand solcher Vorbilder zu wachsen und sein eigenes Können zu verbessern.

CG: Es kommt doch auf die persönliche, momentane Stimmung an. Manchmal wählst Du traditionellen Country, dann eher Blues oder Rock. Für mich sind gute Musiker jeder Sparte irgendwie ein Vorbild.

 

bm: Warum habt Ihr ausgerechnet traditionelle Country Musik gewählt – in einer im Altersdurchschnitt eher jungen Formation, wenn man Jürg mal weglässt (Gelächter). Warum nicht Brooks & Dunn, Confederate Railroad, the Tractors oder die Pirates of the Mississippi?

JO: Ja, ich treibe diesen Altersdurchschnitt schon gewaltig in die Höhe…

UB: Mir bringt diese Art von Musik gefühlsmässig am meisten. Ich habe nichts gegen rockige Country Music, aber die warme, traditionelle Musik ist mir eben doch am nächsten.

JO: Den rockigen Pfad beschreitet doch heute fast jeder. Wenn Du einen Country-Anlass besuchst, findest Du zur Hauptsache Bands, die Power rüberbringen wollen. Wirklich traditionelle Songs zu spielen, trauen sich die wenigsten. Keine Missverständnisse bitte. Das hat nichts mit der musikalischen Qualität dieser Musiker zu tun. Es scheint mir eher so, dass sie sich mit der eher ruhigen, traditionellen Art gefühlsmässig nicht identifizieren können, oder glauben, das Publikum nicht für sich einzunehmen.

HZ: Udo und ich sind vielleicht schon etwas „Honkytonk-lastig“. Wir können uns einfach beim Anhören solcher Songs nicht den Gefühlen entziehen, die damit in uns ausgelöst werden. Und diese Gefühle leben wir aus und versuchen, sie zum Ausdruck zu bringen.


bm: Nach einem Boom in den 80er und frühen 90er Jahren, verliert die Country Musik Szene Schweiz heute eher an Attraktivität. Viele gute Festivals „sterben“, Musiker beklagen den Rückgang von Auftrittsmöglichkeiten. Was müsste sich Eurer Meinung nach ändern, damit die Schweizer Szene wieder an attraktiver wird?

HZ: Für viele von uns hat der Kontakt zur Country Music mit den Festivals im Zürcher Hallenstadion begonnen. Nachdem jeder vom Erfolg dieser Anlässe gehört hatte, versuchten viele, auf diesen Zug aufzuspringen. Gross, grösser, am Grössten. Und plötzlich waren Gagen und Nebenauslagen dermassen hoch, dass sich die Hallen nicht mehr füllen liessen, weil für viele Besucher einfach der Eintrittspreis zu hoch wurde. Mein Konzept wäre, im kleineren Rahmen wieder vermehrt gute Musik zu bieten. Eben nicht mit vielen Stars an einem Abend, sondern mit ausgewählten Einzelkonzerten zu vernünftigen Preisen.

JO: Die Schweiz ist offensichtlich einfach zu klein, um nebeneinander leben zu können, ohne den andern übertrumpfen zu wollen. Viele Festivalpromoter versuchten, das Lineup des andern zu überbieten. Wenn wir schon amerikanische Musik bringen, sollten wir uns auch amerikanisch benehmen. Und das heisst eben, wie Hansjürg sagte, auch im kleineren Rahmen wieder zufriedene Gigs zu liefern. Wenn 150 Leute nach einem Anlass zufrieden nach Hause gehen, dann ist das doch ok. Und wenn mal etwas weniger Geld in der Kasse ist, was soll‘s. Wir sollten der Musik treu bleiben, und nicht nur noch dem Finanziellen huldigen.

KB: Der Markt war plötzlich übersättigt. Jeder baute „sein“ Country Festival auf. Und ohne Insider-Kenntnisse wurden verlangte Gagen ohne zu zögern bezahlt. Egal, ob die dafür gebotene Qualität gut oder schlecht war. Diese Missverhältnisse müssen aufhören und der aktuelle Trend zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind.

 

bm: Was war Euer bisher grösstes Hindernis, das es zu überwinden galt?
KB: Hatten wir überhaupt solche Hindernisse? Ich glaube nicht. Wir haben nie versucht, schnell an ein Ziel zu gelangen, sondern haben langsam darauf hin gearbeitet. Ich denke, es gibt dann Hindernisse, wenn man heute beginnt und morgen schon top sein will. Wir haben Zeit, Geduld, und wir hatten auch Glück.

HZ: Wir hatten vielleicht eher Rückschläge als Hindernisse. Dies bezieht sich vor allem auf die Qualität. Wir haben schon zu Anfang beschlossen, dass wir erst dann auftreten, wenn wir genügend Songs beherrschen, nicht einfach spielen können, sondern beherrschen. Und da gab es eben öfters Rückschläge, wenn wir uns eingestehen mussten, dass wir noch nicht bereit waren für die Bühne.


bm: Und was war Euer bisher grösstes Erfolgserlebnis?

UB: Für mich war das der Nachwuchswettbewerb in Kramsach, Österreich. Schon die Art, wie wir dort ankamen, mit Tourbus usw. wie die „Grossen“. Dann ein Sieg im Ausland, ein Pokal und die Freude daran.

JO: Ich glaube, mir war der Albisgüetli-Sieg viel wichtiger. Der Anlass hat Tradition und Image. Darauf kannst Du aufbauen.

HZ: Die Siege waren sicher schön. Mein grösstes Erfolgserlebnis war aber die Zeit bei den Aufnahmen zu unserer neuen CD. Die professionelle Arbeit im Studio hat mich sehr beeindruckt.

 

bm: Hört Ihr auf Ratschläge von arrivierten Insidern der Szene? Und wenn ja, wie setzt ihr sie um?

CG: Weisst Du, wir kommen aus der Bern und noch weiter hinten, da bekommen wir gar nicht soviele Ratschläge von Arrivierten mit…(Gelächter).

KB: Mir ist eigentlich egal, ob mir ein Insider Tips gibt oder jemand aus dem Publikum. Man muss sich diese Tips anhören und dann für sich entscheiden, ob man sie umsetzt oder wieder vergisst. Nur weil ein Mister X sagt, dass Du dieses oder jenes so oder so machen musst, heisst das noch lange nicht, dass es für Dich richtig ist. Umgekehrt kann ein zufälliger Besucher Dir wertvolle Hinweise geben.

HZ: Richtig, Offenheit für jede Kritik, ob positiv oder negativ, das ist unsere Devise. Du musst danach selber entscheiden, ob Du es umsetzen kannst oder willst. Die Zusammenarbeit und der gegenseitige Feedback in der Szene sollte sowieso viel offener gehandhabt werden. Wir freuen uns immer, andere Bands kennenzulernen. Wir können doch jeder vom andern lernen und profitieren.

 

bm: Was soll die Zukunft für Straight Ahead bereithalten?
KB: Nachdoppeln und besser werden, und damit einem noch breiteren Publikum zugänglich werden. Gute Sachen weiterentwickeln und Neues dazu lernen.

UB: Auch weiterhin ehrliche, gute Musik spielen zu können, und zufriedene Leute nach den Auftritten zurück zu lassen.

CG: Menschlich so zu bleiben, wie wir sind. Manchem liegt eben der Showman nicht im Blut. Aber wenn uns die Leute trotzdem akzeptieren, freuen wir uns.

JO: In Zukunft sollten wir Performance und Entertainment im Anschluss an die Musikqualität verbessern. Die Amerikaner machen es uns auch hier wieder vor. In kleineren Umgebungen kannst Du eher die rein musikalische Qualität als einziges Element einbringen. Bei Grossanlässen braucht es eine gewisse Aktivität auf der Bühne.


bm: Wenn Ihr die Gruppe Straight Ahead interviewen würdet, welche Frage stellt ihr, die ich nicht gestellt habe?

KB: Warum sind ausgerechnet wir fünf zusammen?

 

bm: Ok, und warum?

UB: Durch einen glücklichen Zufall. Wir passen auch menschlich sehr gut zusammen.

KB: Ja, die Chemie stimmt. Das merkst Du bei Proben, auf der Bühne, aber auch privat. Wir stammen alle aus eher einfachen Verhältnissen und der gleichen Gross-Region. Das ist sicher eine der Grundlagen.

JO: Weil wir uns beim Proben auf Caramba-Caramel, Salami und Popcorn einigen konnten…(Gelächter). Nein, ernsthaft. Wir sind glücklicherweise ein Team. Jeder kann für den andern mal zurückstehen und keiner will sich partout im Vordergrund sehen.

 

bm: Ich wünsche Euch, dass Ihr auch weiterhin als Team und traditionelle Country Music Interpreten Erfolg habt. Vielen Dank für das Gespräch.