Nach über sechzig Interviews sollte man
meinen, dass es mir leicht fällt, ein Gespräch mit Pam Tillis vorzubereiten.
Aber weit gefehlt. Wie soll ich dieser Persönlichkeit auf rund zwei Seiten des Newsletter gerecht werden? Ihre Bio beantwortet die meisten
Fragen und offeriert Info auf fast sechs Seiten. Ein Versuch.
Von Plant City, FL, zog die Familie früh
nach Nashville. Pam’s Schlaflieder waren die Demo
Tapes, die Vater Mel zu später Stunde genügend laut im Wohnzimmer abspielte.
Ihre Wiege war ein Gitarrenkoffer, in dem Pam oft zum schlafen gelegt wurde,
wenn sie mit den Eltern unterwegs war. Im Kindergarten sang sie kurze Liedchen,
die sie selber erfunden hatte. Mit acht Jahren stand sie zusammen mit Daddy auf
der Bühne des Ryman Auditoriums. Im gleichen Jahr
bekam sie ihr erstes Klavier geschenkt, danach genoss sie elf Jahre lang eine
klassische Musikausbildung.
Viele meinen, Pam habe ihr Handwerk vom
Vater gelernt, aber der war 300 Tage im Jahr unterwegs. Zusammen mit einem
kleinen, dünnen Jüngling namens Alan Jackson sang sie in einem Werbespot für
Bier. Und mit einer aufstrebenden jungen Dame namens Trisha
Yearwood lieferte sie die Backgroundstimme auf einer
Platte von Paul Overstreet. Sie bekam ihren Erfolg
nicht durch den berühmten Vater, sondern ging stets ihren eigenen Weg.
Ihre Songs wurden von Chaka Khan, Martina McBride, Gloria Gaynor,
Conway Twitty und vielen
anderen aufgenommen. Sie tourte mit
bm:
Pam, es ist nicht nur eine Ehre, Dich zu interviewen, sondern auch eine Herausforderung.
Ich denke, dass Dir alle Fragen bereits gestellt wurden. Aber versuchen wir’s
trotzdem: Hast Du ein Motto, dem Du versuchst, nachzuleben?
PT: Glaube nie, dass Du
es wirklich geschafft hast – denn das macht Dich selbstzufrieden.
Und ich glaube, viele Leute nehmen sich
zu ernst. Du musst auch mal über Dich selber lachen können. Gib einfach Dein
Bestes und sei nett zu den Leuten.
bm: Hast Du Dich je gefragt, ob Du
nächstes Jahr noch so gut sein wirst wie gerade jetzt?
PT: Nun, nicht gerade mit
diesen Worten. Aber jeder Künstler versucht sicher, seine aktuelle Arbeit
besser zu machen, als in der Vergangenheit. Ich fordere mich selber und will
mich möglichst weiter entwickeln bei allem, was ich mache.
bm:
Wenn Du auf Dein Leben zurück blickst, gibt es da Dinge, die Du gerne gemacht
oder die Du im Nachhinein besser gelassen hättest?
PT: Nun, wie
wahrscheinlich jeder in diesem Geschäft habe ich Songs weiter gegeben, die sich
später für andere als Erfolg erwiesen. Und über die Dinge, die ich besser
gelassen hätte, will ich hier nicht sprechen (lacht). Du musst einfach zum
richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort sein und das tun, was für Dich im Moment
stimmt. Ich glaube nicht, dass man sich fragen muss, warum ein anderer Star
erfolgreicher ist, als man selbst.
bm:
Glaubst Du denn, dass viele Leute eher Fan eines gerade aktuellen Songs sind,
als Fan eines bestimmten Künstlers?
PT: Ich weiss nicht
genau, vielleicht kannst Du einen Song mögen, aber den Interpreten nicht.
Manche Songs gehören zu einer bestimmten Zeit. Andererseits überrascht es mich,
dass immer wieder Lieder gewünscht werden, die zeitlos scheinen. Auch an
einigen Künstlern scheint die Zeit spurlos vorüber zu gehen. Sie sind einfach
nie wirklich out. Wir hoffen alle, dass wir es einmal soweit bringen. Oder dass
die Leute eines Tages deine Musik wieder entdecken.
bm:
So wie die Songs Deines Vaters, welche Du gerade im Studio einspielst...
PT: Ja, das wäre schön.
Es sind wirklich wunderschöne Songs.
bm:
Du bist eine gleichermassen talentierte Sängerin und Liedermacherin. Was ist
Dir in einem Song wichtiger, die Worte oder die Musik?
PT: Meistens muss beides
stimmen. Aber es gibt Ausnahmen, einfache Melodien mit brillanten Texten. Ich
lege mich bei meinen eigenen Songs nicht fest. Vorhin habe ich ein bisschen vor
mich hingespielt und ein, zwei Melodien entwickelt. Dazu habe ich aber noch
keinen Text. Manchmal kommt jedoch der Text zuerst.
bm:
Das Strait / Jackson Duett Murder
On Music Row beschreibt den aktuellen Trend in Nashville’s Musikindustrie. Welchen Einfluss glaubst Du,
hat dies auf das Publikum und auf die Country Music?
PT: Das potentielle
Publikum ist riesig und die Welt ist gross. Die Leute tragen nicht alle die
gleichen Schuhe und sie wollen auch nicht alle die gleiche Art von Country
Music. Es ist grossartig, dass Leute wie Alan Jackson oder
bm:
...aber die werden nicht am Radio gespielt. Ist es also dann traditional Country,
wenn es nicht gespielt wird?
PT: Das mag ein Kriterium
sein. Aber es braucht auch moderne Country Music. Mit zunehmenden Fusionen im
Musikgeschäft wird es jedoch immer schwieriger, verschiedene Stile zum Erfolg
zu bringen. Die Leute haben dadurch das Gefühl, dass man ihnen die
Auswahlmöglichkeit nimmt. Aber Ihr, das Publikum, könnt das teilweise
beeinflussen. Wenn es nicht am Radio gespielt wird, geht hin und kauft die CDs.
Mit den Verkaufszahlen kann man schon etwas verändern.
bm:
Hattest Du je das Gefühl, dass Du im Vergleich zu den heutigen, jungen Künstlern
aus der Mode gekommen bist?
PT:
Oft. Mal bist Du in, mal bist Du out. Es ändert sich ständig. Das Gute daran ist, dass ich mittlerweile
genügend Erfolg hatte. Ich sitze nicht zu Hause und ärgere mich darüber, wenn
ich mal nicht so in bin.
bm:
Viele Leute können sich mit Country Music identifizieren, weil sie einen
Anfang, eine Mitte und ein Ende hat, wie eine Geschichte. Glaubst Du das auch?
PT: Ich bin nicht so
sicher. Früher gab es einfache Melodien und einfache Texte. Die Leute mochten
das. Heute sind die Stories viel komplexer. Vielleicht
gibt es heute einfach zu viel Konkurrenz, so dass jeder glaubt, er müsse den
andern übertreffen. Die Songs meines Vaters sind zum Teil so simpel dass ich
ihn schon fragte, ob er für die Neuaufnahme nicht noch ein, zwei zusätzliche
Strophen schreiben wolle.
bm:
Nimm an, Du findest Aladin’s Wunderlampe. Welche drei
Wünsche hast Du an den Geist?
PT: Zwei davon sind nicht
für mich, die verrate ich nicht. Der dritte wäre – klingt zwar materialistisch,
ist es aber nicht – genügend Geld zu haben, das zu tun, was Dir Spass macht.
Manchmal könnte man viel kreativer sein, wenn man nicht auf das Geld achten
müsste. Zum Beispiel mit einer 15-köpfigen Band auf Tour gehen, Dinge
einspielen, die so im Moment nicht machbar sind. Aber eigentlich wünsche ich
mir mehr Zeit, um für soziale Einrichtungen arbeiten zu können. Es gibt so viel
Leid auf der Welt, wo man helfen könnte, die Dinge etwas besser zu machen.
bm: Wenn Du ein Interview mit Pam Tillis
führen müsstest, was fragst Du sie?
PT: Was gibt’s zu Essen? (lacht). Oh,
das wird ja richtig schwierig. Kann ich Dir die Antwort beim nächsten Interview geben? (lacht
wieder).
bm: Aber gerne.
Ich bedanke mich für das Gespräch.