Interview mit Dale Watson, Marfa, TX, 2012

© June 2012 / Bruno Michel

 

Kenneth Dale Watson wurde 1962 in Birmingham, AL, geboren, wuchs aber ausserhalb von Pasadena, TX, auf. Sowohl sein Vater als auch Bruder Jim waren musikalisch aktiv und inspirierten den jungen Dale im Alter von 12 Jahren zu ersten Songschreiber-Aktivitäten. Zwei Jahre später machte er erste Studio-Aufnahmen. Obwohl bei verschiedenen bekannten Plattenfirmen unter Vertrag (Hightone, Curb, etc.), beharrte Watson darauf, seinen eigenen Stil zu pflegen und blieb der traditionellen Seite der Country Music treu. Auch in Europa geniesst er eine treue Fangemeinde und sicherte sich Auszeichnungen in England, Spanien und Holland. 2004 machte er Pause vom Musikgeschäft und zog sich nach Maryland zurück, um näher bei seinen beiden Töchtern zu sein. Zwei Jahre später kehrte er nach Texas zurück. Sein Erfolg ist auch nach über 20 Studio-Alben ungebrochen.

Bruno Michel: Dale, dein Debut Album "Cheatin' Heart Attack" kam 1995 auf Hightone Records heraus. Rückblickend, was müsstest du heute anders machen, um den gleichen Erfolg zu haben?
Dale Watson: Im Nachhinein bist du immer klüger. Ich glaube nicht, dass ich viel anders machen würde. Hightone Records war ein gutes Sprungbrett, ich habe dort drei erfolgreiche Alben veröffentlicht. Erst später lernte ich, dass ich in dieser Beziehung wirtschaftlich mehr hätte profitieren können. Aber sie halfen mir, bekannt zu werden. Die besten Lektionen erteilen dir die Fehler, die du im Leben machst.

Du hast dich immer standhaft geweigert, von der traditionellen Country Music weg zu gehen. Welchen Rat würdest du einem jungen Künstler, der sich erst beweisen muss, heute geben?
Bleib dir selber treu. Es ist ja nicht so, dass ich die moderne Country Musik nicht mag. Da gibt's ein paar grossartige Songs. Ich glaube, es sollte Platz für beides haben. Wogegen ich mich immer gewehrt habe und noch heute wehre, ist die Verbannung von traditionellem Country aus dem Programm der kommerziellen Radiostationen. Ich mache ja keine "alte" Musik, sondern moderne Songs im Kleid einer traditionellen Instrumentierung. Dadurch tönen sie einfach wie klassischer Country. Also stelle sicher, dass du die Wurzeln dieser Musik am Leben erhältst, damit die Leute sich erinnern, wo diese Musik herkommt. Ich habe auch schon versucht, es den Plattenfirmen recht zu machen. Denen hat's gefallen, mir weniger.

Du hast schon einige schwere Tragödien verarbeiten müssen, nur um am Ende stärker als je zurück zu kommen. Was ist der Treibstoff eines Dale Watson nach fast 20 Jahren in diesem Geschäft?
Ehrlich gesagt, die Fans. Als ich durch die schlimmste Zeit meines Lebens ging (Red. Dale verlor seine Verlobte bei einem Autounfall), hielten sie zu mir. Wenn ich mal eine schlechte Show ablieferte, wussten sie warum und blieben mir treu. Ich muss sagen, dass passiert dir nur in der Country Musik, nicht im Pop oder sonstwo. Die Country Fans verstehen, wo die Songs herkommen und warum der eine oder andere Text mal traurig und dunkel daherkommt.

Seit deinem ersten "Truckin' Session" Album im Jahr 1998 hast du in der Schweiz das Image eines Truckersong Interpreten. Zu Recht oder liegen die Fans da falsch?
Durchaus richtig, dieses Image. Eigentlich bin ich ja in und um Trucks gross geworden. Mein Vater war Fernfahrer, mein Bruder fährt unsern Bus (Red. auch nicht viel kleiner als ein 18-Wheeler). Trucking war immer ein Teil meines Lebens und ich bin stolz darauf, zu dieser Szene gezählt zu werden, wie Dave Dudley oder Red Simpson. beide gehören zu meinen Einflüssen und Vorbildern.

Was wäre aus Dale Watson geworden, wäre er kein Musiker und Songschreiber?
Trucker, logischerweise (lacht). Im Ernst, ich war gerade in der Fernfahrer-Ausbildung, als "Cheatin' Heart Attack" erschien. Der Erfolg und eine erste Europa-Tournee haben dann meine Trucker-Karriere verhindert.

Wenn die Leute in 50 Jahren im Lexikon unter "Dale Watson" nachschauen, was sollten sie deiner Meinung nach zu lesen bekommen?
Dass ich ein Bewahrer der Flamme der Tradition war. Ich mache nichts anderes, als das, was ich von meinen musikalischen Vorbildern gelernt habe. Ich versuche, die traditionelle Country Music am Leben zu erhalten.

Du bist mit vielen Grössen der Country Szene aufgetreten. Gibt's trotzdem noch einen Wunschpartner, mit dem du gerne die Bühne teilen würdest?
Oh ja. Loretta Lynn. Weisst du, ein paar Mal hätte es fast funktioniert, aber eben nur fast. Sie steht nach wie vor ganz oben auf meiner Wunschliste. Ich weiss, dass sie nicht mehr allzu viele Duette macht heutzutage. Aber ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass es eines Tages doch noch klappt.

Was war der beste Rat, den du jemals erhalten hast und von wem?
Nun, ich glaube, der kam von Willie Nelson. Der sagte mir einmal: "Egal, was du machst auf der Bühne. Hab Spass dabei." Und genau das sage ich meinen Musikern. Die oberste Regel ist, Spass zu haben. Selbst wenn das Publikum anfänglich nicht so recht mitmacht, wir haben unsern Spass während des Auftritts. Und üblicherweise schlägt diese Stimmung dann irgendwann auf die Fans über.

Und gibt es auch etwas, dass du heute anders machen würdest, wenn du diesen Moment nochmals durchleben könntest?
Da gibt's haufenweise Beispiele. Ich habe mehr Fehler gemacht, als Carter Pillen hergestellt hat (Red.: Carter war ein Apotheker und Pillenfabrikant Anfang des 20. Jahrhunderts).  Schwer zu sagen, welchen ich vermeiden würde. Musikalisch gesehen, würde ich heute offener an Liedermaterial heran gehen als früher. Ich war ein bisschen stur. Wenn ein Song nicht nach traditionellem Country klang, war er bei mir nicht im Repertoir. Es gibt aber eine Menge grossartiger Songs dieser Art. Heute wäre ich da flexibler.

Was bringt Dale Watson auf die Palme?
Wenn meine Tochter, die im besten Teenager-Alter ist, ihr Zimmer nicht aufräumt (lacht).

Wenn du ein Interview mit Dale Watson führen würdest, welche Frage stellst du ihm, die ich nicht gestellt habe?
Ich glaube, du hast so ziemlich das Wichtigste abgedeckt. Vielleicht würde ich mich fragen, was ich in der Zukunft machen will. Die Antwort ist, dass ich zwar weiterhin Musik Alben veröffentlichen will, mein Schwergewicht aber auf die Schauspielerei verlagern möchte. Egal ob Film oder Werbung. In Kanada läuft gerade auf nationaler Ebene ein Werbespot mit mir und ich hatte eine kleine Rolle neben Willie Nelson in einem Film, der zu Weihnachten auf den Markt kommen soll.

Vielen Dank für das Gespräch.