Review und Kurz-Interviews an der Swiss
Alps Country Fun Fair
© August 1995 / Bruno
Michel
Wie
werden sie wohl ihr erstes Festival über die Bühne bringen, fragten
sich viele der letztjährigen Besucher, als das neue OK um Präsident
Aschy Balmer vorgestellt wurde. Nun, um es vorweg zu nehmen: Den Youngstern
aus dem Country-verrücktesten Gletscherdorf der Welt ist ein besonderer
und erfolgreicher Wurf gelungen. Congratulations und Keep Going.
Wie üblich
werde ich weniger auf die Musik eingehen - die muss man sich anhören,
und die Geschmäcker sind eh verschiedenster Art - sondern etwas vom Umfeld
und von "hinter den Kulissen" berichten. Bei strahlendem Sonnenschein
konnte Aschy Balmer die Anwesenden begrüssen. Für einmal etwas anderes
bot das Aufgebot der Stars an der Pressekonferenz. Keiner von den US Künstlern
fehlte, und auch die Schweizer Vertretung, Tony Lewis, war eingeladen und
präsent. Alle
Interpreten gaben bereitwillig auf Fragen Auskunft. Hier ein paar Aussagen:
??:
Steve Wariner, wir alle warten gespannt auf eine neue Produktion. Wann kommt
dein nächstes Album?
SW:
Wir hoffen, gegen Ende September die Aufnahmen beisammen zu haben. Es erscheint
etwa Anfang 1996 auf Arista und wird ein sehr interessantes Album, vielleicht
das ungewöhnlichste, das ich je produziert habe. Es wird eine Menge Instrumental
Songs beinhalten, ein wenig an das Konzept von Mark O'Connors New Nashville
Cats anlehnen. Viele Gastmusiker und Freunde von mir spielen mit, so Chet
Atkins, Vince Gill, Larry Carlton, Mark O'Connor, Sam Bush und andere. Ein
Album, wie ich es schon immer produzieren wollte. Tim DuBois von Arista hat
es mir ermöglicht. Vielleicht erhänge ich mich anschliessend (Gelächter
im Publikum), aber ich bin froh, diesen Versuch machen zu können. Ich
werde das Album No More Mr. Nice Guys nennen.
??:
Dan Seals, kannst du etwas über die heutige Industrie in Nashville sagen?
Mal unterstützen sie dich, mal bist du weg vom Fenster, dann wieder
top aktuell.
DS:
Ich weiss nicht so recht, dieses wundervolle Business unterliegt dauernden
Veränderungen...(Gelächter)...das meine ich ernst. Ich spielte im
Alter von vier Jahren mit meinem Vater. Er war einmal Gitarrenspieler des
Jahres in Texas, mein Bruder im Alter von nur neun Jahren bereits Fiddle Champion
von Texas. Also spielte ich und sang mit ihnen. Später kam ich zu einer
Top-40 Band an der Highschool, danach in den 70ern war ich als England Dan
& John Ford Coley unterwegs. In den 80ern als Solokünstler. Es gab
immer Höhen und Tiefen. Mal war das Publikum begeistert von dem, was
du gemacht hast, mal warst du meilenweit von seinem Geschmack entfernt. Das
Geschäft ist da um Profit abzuwerfen. Die Firmen in Nashville und anderswo
wollen Platten verkaufen. Ich arbeite gegenwärtig an einem Akustik Album.
Jeder Song hat zwei Akustik Gitarren, einen Bass, etwas Mandoline und Dobro.
Um das zu vermarkten, toure ich dieses Jahr. Das Album heisst Dan Seals
In A Quiet Room. Ich freue mich sehr darauf. Jeder muss machen, wozu
er Spass hat und muss persönlich vorwärts gehen. Mal lässt
sich das, was du tust, verkaufen, mal nicht. Heute bist du bei einem grossen
Label unter Vertrag, morgen bei einem kleinen. Ich kenne nichts anderes und
ich kann nichts anderes tun, als dieses Geschäft zu lieben und weiter
zu arbeiten.
??:
Victoria Shaw, du bist eine der aufkommenden Künstlerinnen in Nashville.
Was erwartest du dir von Europa? Gibt es ein kommerzielles Interesse?
VS: Na ich hoffe doch, dass ein kommerzielles
Interesse besteht. Darum bin ich schliesslich hier. Ich denke, ich bin eine
gute Botschafterin für die Country Music. Ich habe Europa schon bereist,
als ich noch eine hungernde Musikerin war. Ich denke auch, dass meine Musik
hier gut ankommen wird. Ich spiele ja nicht nur einen Sound, sondern lasse
die verschiedenen, aktuellen Stilrichtungen in meine Musik einfliessen. Ich
denke, das was ich mache, wird sich gut mit den Erwartungen des europäischen
Publikums vertragen. Dieses Festival ist ein grossartiger Start meiner hoffentlich
lange währenden europäischen Karriere.
??:
Warum hast du dich entschieden, nicht mehr länger nur Songschreiberin
zu sein, sondern auch selber aufzutreten?
VS: Gute Frage, sie wird mir oft gestellt. Die
Leute wissen nicht, dass ich schon viel länger singe als ich Lieder schreibe.
Ich habe mir all die Jahre mein Geld verdient, indem ich in Bars sang und
spielte. Ich interessiere mich fürs Liederschreiben, weil ich einen Plattenvertrag
kriegen und singen wollte.
Tony
Lewis spielte zum erstenmal an einem so renommierten Anlass und vor so grossem
Publikum in der Schweiz. Sein Auftritt war ein Riesenerfolg. Trotz Sonne und
hohen Temperaturen waren viele Country Fans bereits bei seinem Auftritt in
der Halle anwesend. Frenetischer Applaus am Ende seines Sets bewies, dass
Tony Lewis mit zum Besten gehört, was die Schweiz derzeit in Sachen Country
Music Künstler zu bieten hat. Nach dem Auftritt fragte ich ihn nach seinen
Eindrücken.
bm:
Tony, es ist geschafft. Wie fühlst du dich?
TL:
Seit über einer Woche konnte ich es kaum erwarten, hier mit so vielen
unglaublich guten Musikern auf einer Bühne zu stehen. Ich mag und respektiere
diese Leute seit langer Zeit.
bm:
Man hat dich noch selten so offen und Show-orientiert wie heute erlebt. Du
hast auch lustige Elemente integriert. Ein neuer Tony?
TL:
Nun, wenn ich Spass habe und das Publikum mitmacht, mache ich viele verrückte
Sachen. Wenn du mich während des Auftritts immer an der gleichen Stelle
siehst, funktioniert entweder mein Mikro nicht richtig, oder ich habe keinen
Spass. Ich habe nur den Fehler gemacht, die Zeit nicht zu beachten. So waren
wir mit dem letzten Song genau am Zeitlimit und für die Zugabe hat es
nicht mehr gereicht.
Der Publikumsreaktion
nach zu urteilen, wäre er mit nur einer Zugabe auch nicht weg gekommen.
Es ist eine Freude zu sehen, wie das Publikum hier im Gletscherdorf immer
wieder die Opening Acts durch zahlreiches Erscheinen unterstützt.
Über
Bruce Daigreponts frühen, einstündigen Auftritt konnte einem nur
die Aussicht auf weiteren Cajun Sound nach dem offiziellen Programm hinweg
trösten. Was dieses Energiebündel aus Louisiana zu bieten hat ist
super und für Freunde der Cajun Music sensationell.
bm:
Bruce, war das dein erster Besuch in der Schweiz?
BD: Grundsätzlich nein.
bm:
Wie muss ich das verstehen?
BD: Als wir einmal in Deutschland auftraten,
sah ich einen Wegweiser mit der Aufschrift Basel. Also dachte ich mir, Basel
ist in der Schweiz, die Schweiz ist das Land der Berge - und wir fuhren los.
Als wir gegen 22 Uhr in Basel eintrafen, gabs da alles mögliche, aber
keine Berge. Die seien zu sehen, wenn wir Richtung Süden fahren würden,
erklärte uns ein freundlicher Hotel Portier. Wir also wieder ins Auto
und als wir gegen zwei Uhr morgens im Tessin ankamen, war alles zu und leblos.
Am nächsten Tag mussten wir wieder in Deutschland spielen, also fuhren
wir umgehend wieder zurück. Deshalb meine Antwort "grundsätzlich
nein".
bm: Nun bist du
diesmal bereits ein paar Tage vorher in Grindelwald eingetroffen. Somit hast
du die Berge live und bei Tageslicht erlebt und auch die Leute kennen gelernt.
Was ist dein Eindruck?
BD: Die Leute erinnern mich sehr an meine Heimat.
Alle sind offen, freundlich und hilfsbereit. Es gefällt uns grossartig
hier. Wir hoffen, wieder einmal hier auftreten zu dürfen.
Ein
entspanntes, ehemaliges Organisations Komitee, allen voran Tom Stettler, der
kurz vor halb acht meinte, so früh habe er in den letzten zehn Jahren
Festival noch nie ein Bier in der Hand gehalten. Er sprach dem neuen OK ein
dickes Lob aus und freute sich, dass sie auch ausserhalb der Halle ein erweitertes
Rahmenprogramm anboten.
Dan Seals brachte
einen Querschnitt aus seinem Schaffen der letzten zwanzig Jahre. Der aus McCamey,
TX, stammende 47jährige schaffte es, das Publikum zu fesseln mit seinen
bekannten Songs Meet Me In Montana (1986), God Must Be A Cowboy
(1984) oder Everybody's Dream Girl (1983). Eine Standing Ovation
am Schluss seines Auftritts bewies, dass die Wahl auch dieses Künstlers
die richtige war.
Steve Wariner
hatte seinen ersten Hit auch schon 1978 im Alter von 24 Jahren mit I'm
Already Taken. Danach folgten Songs wie Your Memory (1980) oder
der Nummer-1 Hit All Roads Lead To You (1981). Auch er begeisterte
das Publikum mit einer mitreissenden Show.
In den Pausen
- wie immer in Grindelwald - Überraschungsgäste. Darunter der Schweizer
Catman sowie der unseren Mitgliedern bestens bekannte Amerikaner Brent Moyer.
Brent hat versprochen, sich wieder einmal sehen zu lassen und sich im Nachhinein
nochmals für den geplatzten Auftritt im letzten Oktober entschuldigt.
Über Victoria
Shaw, den meiner Ansicht nach besten Teil des Abends, berichte ich in einem
separaten Portrait. Hier nur soviel: Die Show war absolut sensationell und
professionell.
Neues OK, neues
Rahmenprogramm. Und wie wars? Hier die Stimme eines Mannes aus der Country
Music Szene, der grosse Achtung verdient. Immer bescheiden im
Hintergrund, aber trotzdem omnipräsent: Philippe Nicolet. Ich wollte
von ihm wissen, wie er die Neuen und ihren Anlass beurteilt. Völlig unvorbereitet
traf es ihn aus heiterem Himmel. Keine Zeit, ein Statement vorzubereiten.
Seine Aussagen treffen trotzdem ins Schwarze und geben die Situation besser
wieder als jedes Presse Statement.
PN:
Ich bin erstaunt über den Mut, den die Jungs vom neuen OK haben. Alle
sind unter oder um die 30 Jahre alt. Ich hätte es in diesem Alter nicht
gewagt, einen solchen Anlass auf die Beine zu stellen. Gut, sie hatten den
Vorteil der bestehenden Infrastruktur, der Unterstützung durch die Bevölkerung
und des guten Rufs des Vorgänger Festivals. Sie haben aber finanziell
mehr oder weniger bei Null angefangen. Dafür gebührt dem neuen OK
ein riesengrosses Lob. Auch mit der Zusammenstellung des Programms haben sie
ein Risiko gewagt. Fast alle Musiker des heutigen Abends entsprechen dem neuen
Americana Format, und sind momentan nicht mehr in den Hitparaden anzutreffen.
Dank diesem Format werden sie aber wieder am Radio gespielt - auch in den
USA. Das OK greift mit dieser Besetzung vielleicht unbewusst die Idee auf,
dass es sehr viele 'zeitgenössische, traditionelle Country Music' gibt
(Originalton Aschy Balmer). Dass sie solche verborgenen Stars auftreten lassen
zeigt, dass diese OK Leute wirkliche Fans sind, denn die Country Music lebt
ja davon, dass die Loyalität und Treue der Fans enorm hoch ist. Das Publikum
scheint es zu danken.
Nach diesem finalen
Statement bleibt mir nur noch der Ausblick auf das nächste Jahr. Grindelwald
feiert dann sein 850jähriges Bestehen. Aus diesem Grund wird das Festival
zwei Tage dauern. Ein ausserordentliches Programm erwartet uns gemäss
Aschy Balmer. Wir sind alle gespannt und mit dabei am 7. und 8. Juni 1996.