Portrait John Michael Montgomery

© July 2005/ Bruno Michel

 

1992 brachte ein 27jähriger Mann aus Danville, Kentucky mit Life’s A Dance seine erste Produktion auf Atlantic Records. Sie brachte ihm mit I Love The Way You Love Me gleich einen Nummer 1 Hit. Mit diesem Label sollte John Michael Montgomery bis zu seinem Wechsel zu Warner Bros. Im Jahr 2000 noch viele Erfolge feiern.

 

Wer ist dieser Mann, der in den frühen 90ern zu den populären und aufstrebenden Hat Acts zählte? Er ist ein Naturbursche geblieben und mag nach eigenen Aussagen fischen, golfen und schlafen, isst am liebsten Corn Bread und Brown Beans und wurde in seiner Musik unter anderen von George Strait, Merle Haggard, Lynyrd Skynyrd und seinem Vater, Harold Montgomery, beeinflusst. John Michael wiederum beeinflusste Bruder Eddie Montgomery, der seit 1999 erfolgreich mit seinem Duett Partner Troy Gentry unterwegs ist.
Montgomery hat ein Händchen für die richtige Songauswahl. Obwohl er bei seiner ersten CD zu den Label Gewaltigen meinte, sie sollen lieber anderes Material nehmen, seine eigenen Songs seien noch nicht gut genug. Zu jener Zeit tingelte er solo durch Honky Tonks und spielte, was er als Working Man’s Country bezeichnete. Dabei sind seine eigenen Songs wie A Few Cents Short oder I Love It All durchaus dem andern selektierten Material ebenbürtig.

 

Mit dem Folgealbum Kickin’ It Up (1994) und mit John Michael Montgomery (1995) kam auch seine Zeit als Sammler von vielen Auszeichnungen. Neben dem Star of Tomorrow Preis und dem CMA Horizon Award, erhielt er 1994 noch die Academy of Country Music Preise für Song of the Year und Top New Male Vocalist. Zudem bescherten ihm die beiden erwähnten Alben weitere fünf Nummer 1 Hits. 1995 kamen weitere Auszeichnungen hinzu, so Single und Song of the Year für I Swear und der Billboard Music Award für Sold.
Genau dieser Song mit dem vollen Titel Sold (The Groundy County Auction Incident), zu hören auf seinem 1995er Album, brachte Montgomery aber auch Kritiken ein wegen angeblich politischem Fehlverhalten ein. Eine vorläufig letzte Auszeichnung folgte 1996 für mit der Grammy Nominierung für Best Country Album und Best Male Vocalist, und das, obwohl Montgomery in jenem Jahr kein neues Album auf den Markt brachte.

 

Stärker noch als in den ersten Jahren begann Montgomery nach Songs zu suchen, die voll waren mit Emotionen und Geschichten aus dem Leben. „Ein Lied muss mich mit Tiefgang überzeugen“, so Montgomery. „Ich weiss heute mehr vom Leben als in jungen Jahren und folglich braucht es eine Menge mehr, um mich zu beeindrucken.“ Dies merkte man schon seiner 1997er Produktion What I Do The Best an, obwohl sie keinen Top Hit hervorbrachte. Auch Leave A Mark im folgenden Jahr und Home To You 1999 brachten keinen wirklichen Anschluss an die frühen Erfolge, boten aber nichts desto trotz ausgezeichnetes Songmaterial. Allerdings hatte sich inzwischen die Plattenindustrie noch stärker auf vermarktbares Material ausgerichtet als früher.

 

Erst 2000 gelang Montgomery wieder ein Erfolg mit Little Girl aus seinem Album Brand New Me. Die Story war aber auch hier wieder aussergewöhnlich für einen Nummer 1 Hit. Das kleine Mädchen, das ungeliebt bei einem Säufer und einer tatenlos zuschauenden Mutter aufwuchs, schliesslich den Mord an ihrer Mutter und den Selbstmord des Vaters mitansehen musste, bis sie bei Pflegeeltern endlich Wärme und Liebe entdeckte. Alison Krauss half Montgomery damals mit ihrer Stimme aus.

 

“Ich glaube, dass Country Music von den Texten lebt“, meint John Michael überzeugt. „Eine gute Melodie macht einen guten Text vielleicht besser. Aber du kannst einer schlechten Story mit keinem noch so guten musikalischen Arrangement mehr Wert geben. Ich habe nie und werde nie Songs aufnehmen, mit denen ich mich nicht identifizieren kann. Für mich muss ein Lied sowohl vor 20'000 Zuhörern als auch im Kreis meiner Familie bestehen können. Und meine Lieder kann man mir nicht wegnehmen, also suche ich mir die aus, die Bestand haben.“

 

Im folgenden Jahr erlitt Montgomery eine Reihe von Unfällen, die ihn eine Weile zur Pause zwangen. Am Schlimmsten waren mehrere Frakturen am rechten Bein von einem Arbeitsunfall auf seiner Ranch. Dazu kamen Zirkulationsprobleme des Blutes in seiner Hüftgegend. Allerdings hatten sie für ihn auch etwas Gutes. Er hatte Zeit, mit seiner Familie auf der Ranch zu leben „Das ist wirkliches Glück“, meint Montgomery. „Was willst du mehr.“

 

2002 folgte das Album Pictures, danach kam 2004 Letters From Home. Der Titelsong wurde zwar ein Radio- aber kein Chart-Hit. Für mich gilt Letters From Home definitiv als verkannter Hit. Denn dass Montgomery gerade in dieser Zeit die Gefühle eines Soldaten aufgreift, und es trotzdem kein Lied über Krieg wird, sondern eins über die Liebe zweier Menschen, zeigt, dass er die Feinheiten und Zeichen der Zeit erkannt hat. Dear Son, it’s almost June, so beginnt der Brief.

 

Montgomery glaubt immer noch an traditionelle Werte. „Sei gut zu den Leuten, mach gute Songs und die Radios werden sie spielen.“ Diese Werte zeigen, warum John Michael Montgomery eine treibende Kraft im Musikgeschäft bleiben wird, während viele seiner gleichzeitig aufstrebenden Kollegen bereits der jüngeren Generation Platz machen mussten. Viele Nummer 1 Hits und über 16 Millionen verkaufter CDs, sowie eine Reihe von Auszeichnungen stehen auf seiner Erfolgsliste. Aber er hat auch begriffen, dass es wichtiger ist, Langlebigkeit und Balance zu finden, als nach kurzer Zeit als ausgebrannter Star abgeschoben zu werden.