Die Country-Rock
Formation “Baton Rouge” tritt seit rund fünf Jahren vorwiegend in der
Nordwestschweiz auf. Ende Mai 98 präsentierte die Band Ihre erste CD-Produktion
mit dem sinnigen Titel “The First Cut”. Für die Realisierung holten sie sich
tatkräftige Unterstützung von einheimischen Gastmusikern und –Sängern.
Ich wollte von Dave
Bechtel (DB) und Chris Klein (CK) wissen, wie sie zu Country Music stehen, was
sie bewegt und welche Pläne die Band hat.
bm: Journalisten
suchen immer nach Worten, um den Stil einer Band zu beschreiben. Wie beschreibt
Ihr selbst Euren Stil ?
DB: Mit “New American Music”. Daher können wir ein sehr breites Spektrum abdecken. Von New
Traditional, Country Rock über Texas Swing und Cajun spielen wir viele
Musikrichtungen.
CK: Je
sicherer wir uns im Arrangieren und Spielen fühlen, desto mehr wagen wir uns
auch an Dinge, die wir vor ein, zwei Jahren noch nicht gespielt hätten.
DB: Wir
können nicht – wie viele amerikanische Künstler – behaupten, dass unsere
Vorbilder Waylon Jennings oder Merle Haggard sind. Wir sind ja nicht mit diesen
Stars aufgewachsen, sondern mit den Beatles und den Rolling Stones und dann über
Pop und Rock zur Country Music gekommen.
bm: Gutes
Stichwort. Denn vor rund fünf Jahren habt Ihr den Entschluss gefasst, ins Country-Fach
zu wechseln. Was war der Grund ?
CK: Ich
hatte irgendwann genug von den bombastisch arrangierten Rock Songs. Gute Lieder
mit einer Geschichte im Text fand ich in der Country Music.
DB: Ich
war 1992 in Amerika. Auf der Fahrt durch den Westen kamen verständlicherweise
mehrheitlich Country Sender über den Äther. Anfangs hörte ich fast zwangsläufig
zu, aber bald begannen mich diese Songs zu faszinieren und ich merkte, dass
Leute wie Garth Brooks oder Billy Ray Cyrus hier ehrliche Songs brachten und
guten Sound. Zudem haben diese Leute viel dazu beigetragen, dass Country nicht
mehr nur die Traditionalisten anspricht, sondern ein breiteres Publikum. Genau
das wollen wir auch : Vermehrt Leute die mit Country
Music nichts am Hut haben in einem Konzert begeistern können.
bm: Warum
der Name “Baton Rouge”. Volksmusik aus Louisiana scheint nicht gerade Eurer Hauptschwerpunkt zu sein.
CK: Wir
dachten zu Beginn, dass wir uns stärker in Richtung Südstaaten Rock entwickeln.
Auf “Baton Rouge” kamen wir, weil diese Gegend multikulturell ist und wir uns
musikalisch in dieser Art verstanden wissen wollen. Zudem fanden wir, dass es
gut klingt.
bm: Wer sind
Eure musikalischen Vorbilder ?
CK: Für
mich unter anderen Delbert McClinton. Er macht grundsolide, ehrliche Musik, die
mir direkt in den Bauch geht. Von den Arrangements her und ihrem handwerklichen
Können, gefallen mir auch Collin Raye oder k.d. lang.
DB: Auf
der Seite der Country Music sind es für mich Kathy Mattea oder auch Collin
Raye. Aber ich höre auch viel Musik anderer Sparten. Für mich sind die Songs
der Rolling Stones nach wie vor hervorragend, gerade weil auch für uns das
Lieder schreiben eine grosse Rolle spielt.
bm: Richtig,
fünf von elf Songs Eurer Produktion “The First Cut” stammen aus eigener Feder. Was
bewegt Euch zum Songschreiben ?
DB: Es
ist eine Art Flucht nach vorne. Du kannst Deine eigenen Gefühle und Ideen
umsetzen und dadurch einen Song ehrlicher und “perfekter” spielen, als wenn Du
coverst. In der Rockszene schreiben viele eigenes Material. Es dauerte eine
Weile, bis ich mich an den ersten Country Song heranwagte. Ich habe einen Song
von der Struktur her im Kopf und baue darum herum den Text. Wir haben zuerst auf
der Bühne getestet, wie unsere Songs ankommen. Die Reaktion war gut, und wir haben
uns zu diesem Schritt entschieden.
CK: Ich
habe das Bedürfnis, meine Gefühle in Lieder umzusetzen. Aus einer Geschichte
entwickelt sich die Melodie, welche sich dem Inhalt des Textes anpasst.
bm: Was
ist wichtiger in einem Song : Der Text oder die Musik
?
CK: In
der Schweiz klarerweise die Musik. Natürlich sind für mich beide Elemente
gleichwertig. Aber in unserem Land verstehen eben noch längst nicht alle Leute
die englische Sprache perfekt.
DB: Vielleicht
sollte man es mit Mundartsongs probieren….Aber da gibt es wohl eine Art
Hemmschwelle. Wir bedienen uns der amerikanischen Musik, also ist der Text
zwangsläufig englisch.
CK: Ich
kann mir auch nicht vorstellen, dass Country-Mundartsongs über ein volles
Programm ankommen würden. Dass wir eventuell mal eine Country Version von “Z’Basel
a mim Rhy” spielen, will ich nicht ausschliessen, aber dann ist es als Bestandteil
der Show gedacht und nicht als Aufhänger und Markenzeichen.
bm: Auf
Eurer CD sind diverse Gäste vertreten. Warum habt Ihr gerade diese Künstler gewählt ?
DB: Wir
haben uns überlegt, mit wem wir unsere Multikultur untermauern könnten. Wir
machen Volksmusik und haben so den Bogen vom amerikanischen zum schweizer
Ableger dieser Sparte gespannt. Florian Ast haben wir angefragt, weil wir von
Anfang an eine Cajun-Nummer im Album geplant hatten.
CK: Maya
Brunner war mein Wunsch. Nachdem sie spontan zugesagt hatte, mussten wir noch
ihren Bruder überzeugen.
DB: Als
weitere Gäste hatten wir Tanja Dankner von “Soul Affair” und Willy Wainwright
von der
bm: Womit
wir beim nächsten Stichwort wären. Die Fiddlerin Silvia Niedermann ist seit ca.
Februar 98 fester Bestandteil der Band. Welche stilistischen Erweiterungen
erlaubt Euch diese permanente Neubesetzung ?
DB: Eine
Frau in der Band gibt Dir völlig neue Impulse. Sie geht die Präsentation der
Songs von einer anderen Seite her an, als wir Männer. Von der musikalischen
Seite haben wir die Möglichkeit, viel mehr traditionelle Lieder zu spielen. Da
Silvia auch rockigere Musik mag, können wir uns aber auch an modern arrangierte
Fiddle Tunes heranwagen.
CK: Am
Anfang war es wohl hart für Silvia, da sie sich in unser Repertoire einarbeiten
musste. Mittlerweile können wir auch von ihren Ideen profitieren.
bm: Ihr
habt den Ruf einer Live-Band. Instrumental spürt man auch die Freude an der
Musik. Wie arbeitet Ihr an Euren stimmlichen Qualitäten ?
DB: Wir
treffen uns ein bis zweimal wöchentlich zu Proben. Uns ist wichtig, dass wir
nicht nur zusammen spielen, sondern auch als Freunde harmonieren. Bei diesen
Übungstreffen arbeiten wir hart und kritisch an unserer Entwicklung.
CK: Uns
ist klar, dass wir keine “Countrystimmen” haben. Aber das ist uns eigentlich
weniger wichtig als die Tatsache, dass wir unsere Möglichkeiten zu einem
kompakten Sound verbinden wollen. Es gibt Songs, die wir toll finden, von denen
wir aber heute die Finger lassen, weil wir wissen, was wir uns zutrauen können
und was nicht.
bm: Welches
Image wollt Ihr dem Publikum vermitteln ?
DB: Unser
Hauptanspruch ist es, den Leuten eine gute Show zu bieten, die ihnen im
Gedächtnis bleibt. Wir wollen, dass sie einen Abend verbringen, der ihnen
gefallen hat und von dem sie ihren Bekannten erzählen können.
bm: Garth
Brooks sagte einmal, ein Song sei die 3-Minuten-Gelegenheit, dem Publikum etwas
mitzuteilen. Was ist Eure Message
DB: In
Englisch eine solche Message herüberzubringen ist relativ schwierig.
CK: Die
Musik soll den Leuten sagen : Öffnet Euch und nehmt
nicht alles so bierernst. Ich will vermitteln, dass man zu seinen Gefühlen
stehen soll. Ich bin durch die Country Music viel offener geworden und gebe weniger
darauf, ob ich ankomme, wenn ich meine Ideen und Gefühle auslebe. Dasselbe soll
das Publikum spüren : Bei einer Show von “Baton Rouge”
brauche ich mich nicht zurückzuhalten.
bm: Dave,
Du sagtest mal, dass man als Musiker mit Country Music alt werden kann. Was
tust Du heute dafür, damit in zehn Jahren “Baton Rouge” als Act noch im
Geschäft ist ?
DB: Das
liegt weniger an uns, als daran, ob die Leute uns noch hören wollen. Natürlich
werden wir weiter an uns arbeiten und sicherstellen, dass die Voraussetzungen
dafür aus unserer Sicht gegeben sind. Aber entscheiden wird letztlich das
Publikum.
CK: Country
Music ist ein Spiegel seines Publikums : Zeitlos. Im
Publikum hast Du Generationen vertreten. Die einen interessieren sich mehr für
Traditional, die andern mehr für Shania Twain oder Billy Ray Cyrus. Wir machen
beides, aber das Verbindungselement ist Country Music.
bm: Was
seht Ihr als Zielsetzung für “Baton Rouge”
CK: Einerseits
unsere Anhängerschaft weiter auszubauen und – über eine kommende CD-Produktion –
vermehrt eigenes Material einzubringen. Andererseits wünschen wir uns, aus der
Region heraus zu kommen und auch in anderen Landesteilen zu spielen.
DB: Wir
wollen mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln so professionell wie möglich
werden. Zudem wollen wir gewisse Grenzen sprengen und zeigen, dass Country
Music ein breiteres Publikum ansprechen kann, als gemeinhin angenommen.
bm: Nehmt
an, Ihr führt ein Interview mit “Baton Rouge”. Welche Frage stellt Ihr, die ich
nicht gestellt habe ?
DB: Wieviel
Mitglieder hat unser Fanclub im Jahr 2000 ? (lacht)…
CK: Wäre
es Euer Traum, einmal in den USA zu spielen ?
bm: Und ?
CK: Ich
weiss die Antwort ehrlich gesagt nicht. Einerseits hörst und siehst Du immer
wieder, dass in den USA – übertrieben gesagt – an jeder Strassenecke einer so
gut spielt, dass Du gleich blass wirst. Andererseits hörst Du Dir in den Ferien
dort Bands an, wo Du denkst : “Da könnten wir durchaus mithalten.”
bm: Und
dass es diese Unterschiede gibt ist gut so. Es spornt alle an, noch besser zu
werden. Ich bedanke mich für das Gespräch.