Interview mit Baton Rouge

© August 1998 / Bruno Michel

 

Die Country-Rock Formation “Baton Rouge” tritt seit rund fünf Jahren vorwiegend in der Nordwestschweiz auf. Ende Mai 98 präsentierte die Band Ihre erste CD-Produktion mit dem sinnigen Titel “The First Cut”. Für die Realisierung holten sie sich tatkräftige Unterstützung von einheimischen Gastmusikern und –Sängern.

 

Ich wollte von Dave Bechtel (DB) und Chris Klein (CK) wissen, wie sie zu Country Music stehen, was sie bewegt und welche Pläne die Band hat.

 

bm: Journalisten suchen immer nach Worten, um den Stil einer Band zu beschreiben. Wie beschreibt Ihr selbst Euren Stil ?

DB: Mit “New American Music”. Daher können wir ein sehr breites Spektrum abdecken. Von New Traditional, Country Rock über Texas Swing und Cajun spielen wir viele Musikrichtungen.

CK: Je sicherer wir uns im Arrangieren und Spielen fühlen, desto mehr wagen wir uns auch an Dinge, die wir vor ein, zwei Jahren noch nicht gespielt hätten.

DB: Wir können nicht – wie viele amerikanische Künstler – behaupten, dass unsere Vorbilder Waylon Jennings oder Merle Haggard sind. Wir sind ja nicht mit diesen Stars aufgewachsen, sondern mit den Beatles und den Rolling Stones und dann über Pop und Rock zur Country Music gekommen.

 

bm: Gutes Stichwort. Denn vor rund fünf Jahren habt Ihr den Entschluss gefasst, ins Country-Fach zu wechseln. Was war der Grund ?

CK: Ich hatte irgendwann genug von den bombastisch arrangierten Rock Songs. Gute Lieder mit einer Geschichte im Text fand ich in der Country Music.

DB: Ich war 1992 in Amerika. Auf der Fahrt durch den Westen kamen verständlicherweise mehrheitlich Country Sender über den Äther. Anfangs hörte ich fast zwangsläufig zu, aber bald begannen mich diese Songs zu faszinieren und ich merkte, dass Leute wie Garth Brooks oder Billy Ray Cyrus hier ehrliche Songs brachten und guten Sound. Zudem haben diese Leute viel dazu beigetragen, dass Country nicht mehr nur die Traditionalisten anspricht, sondern ein breiteres Publikum. Genau das wollen wir auch : Vermehrt Leute die mit Country Music nichts am Hut haben in einem Konzert begeistern können.

 

bm: Warum der Name “Baton Rouge”. Volksmusik aus Louisiana scheint nicht gerade Eurer Hauptschwerpunkt zu sein.

CK: Wir dachten zu Beginn, dass wir uns stärker in Richtung Südstaaten Rock entwickeln. Auf “Baton Rouge” kamen wir, weil diese Gegend multikulturell ist und wir uns musikalisch in dieser Art verstanden wissen wollen. Zudem fanden wir, dass es gut klingt.

 

bm: Wer sind Eure musikalischen Vorbilder ?

CK: Für mich unter anderen Delbert McClinton. Er macht grundsolide, ehrliche Musik, die mir direkt in den Bauch geht. Von den Arrangements her und ihrem handwerklichen Können, gefallen mir auch Collin Raye oder k.d. lang.

DB: Auf der Seite der Country Music sind es für mich Kathy Mattea oder auch Collin Raye. Aber ich höre auch viel Musik anderer Sparten. Für mich sind die Songs der Rolling Stones nach wie vor hervorragend, gerade weil auch für uns das Lieder schreiben eine grosse Rolle spielt.

 

bm: Richtig, fünf von elf Songs Eurer Produktion “The First Cut” stammen aus eigener Feder. Was bewegt Euch zum Songschreiben ?

DB: Es ist eine Art Flucht nach vorne. Du kannst Deine eigenen Gefühle und Ideen umsetzen und dadurch einen Song ehrlicher und “perfekter” spielen, als wenn Du coverst. In der Rockszene schreiben viele eigenes Material. Es dauerte eine Weile, bis ich mich an den ersten Country Song heranwagte. Ich habe einen Song von der Struktur her im Kopf und baue darum herum den Text. Wir haben zuerst auf der Bühne getestet, wie unsere Songs ankommen. Die Reaktion war gut, und wir haben uns zu diesem Schritt entschieden.

CK: Ich habe das Bedürfnis, meine Gefühle in Lieder umzusetzen. Aus einer Geschichte entwickelt sich die Melodie, welche sich dem Inhalt des Textes anpasst.

 

bm: Was ist wichtiger in einem Song : Der Text oder die Musik ?

CK: In der Schweiz klarerweise die Musik. Natürlich sind für mich beide Elemente gleichwertig. Aber in unserem Land verstehen eben noch längst nicht alle Leute die englische Sprache perfekt.

DB: Vielleicht sollte man es mit Mundartsongs probieren….Aber da gibt es wohl eine Art Hemmschwelle. Wir bedienen uns der amerikanischen Musik, also ist der Text zwangsläufig englisch.

CK: Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass Country-Mundartsongs über ein volles Programm ankommen würden. Dass wir eventuell mal eine Country Version von “Z’Basel a mim Rhy” spielen, will ich nicht ausschliessen, aber dann ist es als Bestandteil der Show gedacht und nicht als Aufhänger und Markenzeichen.

 

bm: Auf Eurer CD sind diverse Gäste vertreten. Warum habt Ihr gerade diese Künstler gewählt ?

DB: Wir haben uns überlegt, mit wem wir unsere Multikultur untermauern könnten. Wir machen Volksmusik und haben so den Bogen vom amerikanischen zum schweizer Ableger dieser Sparte gespannt. Florian Ast haben wir angefragt, weil wir von Anfang an eine Cajun-Nummer im Album geplant hatten.

CK: Maya Brunner war mein Wunsch. Nachdem sie spontan zugesagt hatte, mussten wir noch ihren Bruder überzeugen.

DB: Als weitere Gäste hatten wir Tanja Dankner von “Soul Affair” und Willy Wainwright von der Jennifer Weatherly Band. Bei Tanja wussten wir, dass sie eine Superstimme hat und wir brauchten so jemanden für die Backing Vocals. Willy an der Fiddle wurde uns empfohlen und er hat spontan mitgemacht. Er ist verantwortlich dafür, dass wir fortan glaubten, auch auf der Bühne eine Fiddle haben zu müssen.

 

bm: Womit wir beim nächsten Stichwort wären. Die Fiddlerin Silvia Niedermann ist seit ca. Februar 98 fester Bestandteil der Band. Welche stilistischen Erweiterungen erlaubt Euch diese permanente Neubesetzung ?

DB: Eine Frau in der Band gibt Dir völlig neue Impulse. Sie geht die Präsentation der Songs von einer anderen Seite her an, als wir Männer. Von der musikalischen Seite haben wir die Möglichkeit, viel mehr traditionelle Lieder zu spielen. Da Silvia auch rockigere Musik mag, können wir uns aber auch an modern arrangierte Fiddle Tunes heranwagen.

CK: Am Anfang war es wohl hart für Silvia, da sie sich in unser Repertoire einarbeiten musste. Mittlerweile können wir auch von ihren Ideen profitieren.

 

bm: Ihr habt den Ruf einer Live-Band. Instrumental spürt man auch die Freude an der Musik. Wie arbeitet Ihr an Euren stimmlichen Qualitäten ?

DB: Wir treffen uns ein bis zweimal wöchentlich zu Proben. Uns ist wichtig, dass wir nicht nur zusammen spielen, sondern auch als Freunde harmonieren. Bei diesen Übungstreffen arbeiten wir hart und kritisch an unserer Entwicklung.

CK: Uns ist klar, dass wir keine “Countrystimmen” haben. Aber das ist uns eigentlich weniger wichtig als die Tatsache, dass wir unsere Möglichkeiten zu einem kompakten Sound verbinden wollen. Es gibt Songs, die wir toll finden, von denen wir aber heute die Finger lassen, weil wir wissen, was wir uns zutrauen können und was nicht.

 

bm: Welches Image wollt Ihr dem Publikum vermitteln ?

DB: Unser Hauptanspruch ist es, den Leuten eine gute Show zu bieten, die ihnen im Gedächtnis bleibt. Wir wollen, dass sie einen Abend verbringen, der ihnen gefallen hat und von dem sie ihren Bekannten erzählen können.

 

bm: Garth Brooks sagte einmal, ein Song sei die 3-Minuten-Gelegenheit, dem Publikum etwas mitzuteilen. Was ist Eure Message

DB: In Englisch eine solche Message herüberzubringen ist relativ schwierig.

CK: Die Musik soll den Leuten sagen : Öffnet Euch und nehmt nicht alles so bierernst. Ich will vermitteln, dass man zu seinen Gefühlen stehen soll. Ich bin durch die Country Music viel offener geworden und gebe weniger darauf, ob ich ankomme, wenn ich meine Ideen und Gefühle auslebe. Dasselbe soll das Publikum spüren : Bei einer Show von “Baton Rouge” brauche ich mich nicht zurückzuhalten.

 

bm: Dave, Du sagtest mal, dass man als Musiker mit Country Music alt werden kann. Was tust Du heute dafür, damit in zehn Jahren “Baton Rouge” als Act noch im Geschäft ist ?

DB: Das liegt weniger an uns, als daran, ob die Leute uns noch hören wollen. Natürlich werden wir weiter an uns arbeiten und sicherstellen, dass die Voraussetzungen dafür aus unserer Sicht gegeben sind. Aber entscheiden wird letztlich das Publikum.

CK: Country Music ist ein Spiegel seines Publikums : Zeitlos. Im Publikum hast Du Generationen vertreten. Die einen interessieren sich mehr für Traditional, die andern mehr für Shania Twain oder Billy Ray Cyrus. Wir machen beides, aber das Verbindungselement ist Country Music.

 

bm: Was seht Ihr als Zielsetzung für “Baton Rouge”

CK: Einerseits unsere Anhängerschaft weiter auszubauen und – über eine kommende CD-Produktion – vermehrt eigenes Material einzubringen. Andererseits wünschen wir uns, aus der Region heraus zu kommen und auch in anderen Landesteilen zu spielen.

DB: Wir wollen mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln so professionell wie möglich werden. Zudem wollen wir gewisse Grenzen sprengen und zeigen, dass Country Music ein breiteres Publikum ansprechen kann, als gemeinhin angenommen.

 

bm: Nehmt an, Ihr führt ein Interview mit “Baton Rouge”. Welche Frage stellt Ihr, die ich nicht gestellt habe ?

DB: Wieviel Mitglieder hat unser Fanclub im Jahr 2000 ? (lacht)…

CK: Wäre es Euer Traum, einmal in den USA zu spielen ?

 

bm: Und ?

CK: Ich weiss die Antwort ehrlich gesagt nicht. Einerseits hörst und siehst Du immer wieder, dass in den USA – übertrieben gesagt – an jeder Strassenecke einer so gut spielt, dass Du gleich blass wirst. Andererseits hörst Du Dir in den Ferien dort Bands an, wo Du denkst : “Da könnten wir durchaus mithalten.”

 

bm: Und dass es diese Unterschiede gibt ist gut so. Es spornt alle an, noch besser zu werden. Ich bedanke mich für das Gespräch.