Interview mit Stephanie Bentley

© February 1997 / Bruno Michel

 

bm: Stephanie, wie würdest Du Deine Musik jemandem beschreiben, der sie noch nie gehört hat ?

SB: Ich bin mit den verschiedensten Stilrichtungen aufgewachsen. Am ehesten würde ich sagen, dass meine Musik real, ehrlich ist. Jedes Lied das ich singe, hat mit etwas zu tun, das ich selbst erlebt habe oder mit Themen, mit denen ich mich identifizieren kann.

 

bm: Country Musik befindet sich gegenwärtig auf einer phänomenalen Erfolgskurve. Warum glaubst Du, ist Country Musik heute so populär ?

SB: Ich glaube, aus dem selben Grund, aus dem diese Musik schon immer präsent war und immer präsent sein wird : Sie ist offen und ehrlich. Die meisten Country Musik Künstler sind Leute, die mit beiden Füssen auf dem Boden stehen. Es gibt natürlich Ausnahmen zu jeder Regel, aber die meisten sind einfach gute Kumpels. Das Publikum merkt, wenn jemand auf der Bühne steht, der aus dem Herzen singt. Ich denke, dass Country Artisten, eben weil sie normale Leute sind, dem Publikum das Gefühl geben, in einer familiären Athmosphäre zu sein.

 

bm: Diese Musik fasziniert heute ja auch vermehrt Menschen aus dem Popsektor, welche normalerweise mit Country nichts am Hut haben.

SB: Richtig, meiner Meinung nach, weil die Country Musik sich in den letzten Jahren stark geöffnet hat. Heute sind auch “Experimente” erlaubt, was mich sehr zufrieden stellt, weil ich – wie erwähnt – mit verschiedenen Musikrichtungen aufwuchs. Musik sollte nicht überanalysiert werden und Labels bekommen wie : Das ist keine Country Musik. Niemand kann sagen, ich sei nicht “Country”. Ich bin mit Kühen vor dem Fenster aufgewachsen, Ich bin Country, aber trotzdem erlaube ich mir manchmal, auszubrechen und andere Felder zu betreten. Ich wuchs mit Musik von Barbara Streisand, den Carpenters, Charlie Rich oder James Taylor auf. So haben mich eben die verschiedensten Leute beeinflusst.

 

bm: Früher kannten wir diese Musik als Country & Western Music. Was denkst Du, ist mit dem Western Teil passiert.

SB: Die Zeiten haben sich einfach geändert. Möglicherweise, weil heute nicht mehr viele Westernfilme produziert werden. Country ist im Westen der USA immer populär. Die “Gene Autry Musik” ist wohl sehr verschieden zum heutigen Country, aber es gibt auch heute noch Künstler, welche sowohl von Country als auch von Western beeinflusst worden sind.

 

bm: Hast Du einen Lieblingskünstler ?

SB: Oh, so viele. Ich war ein grosser Judds-Fan und ich bin ein genau so grosser Wynonna-Fan. James Taylor, Bonnie Raitt, die Carpenters aus den 70er Jahren. Meine erste Platte die ich gespielt habe, bis sie kaputt war, war eine Single von Charlie Rich “The Most Beautiful Girl In The World”. Dann George Jones, Patty Loveless, oder  von den jüngeren Musikern Ty Herndon. Ich mag alle Künstler, die ihre Songs aus ihrem Innersten vortragen.

 

bm: Auf was schaust Du, wenn Du Material für ein neues Album auswählst ?

SB: Am meisten darauf, dass es Songs sind, die von Erfahrungen handeln, die ich erlebt habe, oder in denen ich mich wieder erkenne. Ich werde im April 34 Jahre alt, also habe ich auch schon diverse Erfahrungen im Leben gemacht. Nicht immer nur gute, aber wir lernen daraus und sind nachher hoffentlich klüger. Das Leben ist nicht immer ein Zuckerlecken, also ist auch nicht jeder Song auf meinem Album fröhlich. Nimm zum Beispiel meinen Song “Who’s That Girl”. Er handelt von einer Frau, die eine schlechte Beziehung mit ihrem Partner hat. Als sie sich davon endlich löst, hat sie aus den Erfahrungen gelernt, erkennt sich nachher kaum selber wieder. Ich singe z.B. nicht über Kinder, weil ich keine habe. Der Titelsong meines Albums “Hopechest” handelt zwar von einem Mädchen, das langsam erwachsen wird. Es scheint mir, dass ich vor nicht allzu langer Zeit genau diese Situation erlebt habe.Zum ersten Mal habe ich diesen Song in Nashville im Bluebird Café gehört. Er hat mich so sehr berührt, dass ich entschieden habe, ihn aufzunehmen.

 

bm: Hast Du ein Lied, welches all Deine Talente demonstriert ?

SB: Möglicherweise “Once I Was The Light In Your Life”. Dieser Song zeigt die tiefsten Tiefen und die höchsten Höhen, welche ich zu singen vermag. Um ehrlich zu sein, Live singe ich dieses Lied einen halben Ton tiefer als auf der Platte. Ich schaffe es einfach nicht, jeden Abend diese extremen Unterschiede zu singen, aber es ist immer noch eine beachtliche Bandbreite.

 

bm: Du kennst sicher Garth Brooks. Er sagte einmal “Ein Lied ist eine Drei-Minuten-Gelegenheit, der Welt etwas mitzuteilen.” Was ist Deine “Mitteilung an die Welt” ?

SB: Ich wünschte, ich würde Garth persönlich kennen. Meine Message ist : Seid positiv. Egal wie hart es manchmal sein mag, an der nächsten Ecke scheint wieder die Sonne. Es kommt auf Deine Einstellung zum Leben an. Wir sind alles Menschen und die Musik ist eine Möglichkeit, Menschen zusammen zu bringen. Musik ist Leben.

 

bm: Wer hat Deine Karriere bis jetzt am meisten beinflusst ?
SB: Meine Eltern. Das wichtigste, was Eltern ihren Kindern vermitteln können ist, an sich selber zu glauben. Sollte ich einmal selber Kinder haben, hoffe ich, dass ich es genau so gut mache wie Mom und Dad.. Musikalisch war es Fred Allen (Anm. d. Red. : siehe Portrait im NL Feb. 97). Er zog von New York nach Thomasville, meine Heimatstadt. Stell Dir vor, zu Hause hatten wir 30’000 Einwohner und Fred brachte seine Familie von New York in unsere Stadt. Er gründete dort die “Thomasville Music and Drama Troup”, in der ich und meine Schwester Camille Mitglied wurden, sobald wir alt genug waren. Meine Eltern gaben mir die Basis und Fred baute darauf auf. Er hat mir gezeigt, dass auch die Träume von jemandem aus einer Kleinstadt wahr werden können.

 

bm: Wohin soll Dich Deine Musik in Zukunft bringen ?
SB: Zur Zufriedenheit. Ich will einfach nur glücklich und zufrieden sein. Sicher wäre ein Platin-Album ganz nett (lacht). Sicher haben wir auch solche Ziele. Aber am wichtigsten ist, dass ich – egal wie holprig der Weg ist – immer zufrieden bin, mit dem was ich erreicht habe.

 

bm: Was in Deiner Karriere hat Dich bisher am meisten befriedigt ?

SB: Die Möglichkeit, Menschen mit meiner Musik zu erreichen. Wenn Leute zu mir kommen, und sagen : Dieses oder jenes Lied hat mich sehr berührt, hat mich an eine Erfahrung aus meinem eigenen Leben erinnert.

 

bm: Was hat Dir der Erfolg bisher gebracht ?

SB: Abgelaufene Absätze (lacht)… Nein, ernsthaft, lernen aus dem Leben. Das wichtigste, das ich im ersten Jahr im Musikgeschäft gelernt habe ist, dieses Business nicht persönlich zu nehmen. Deine Gefühle können sonst leicht verletzt werden. Du darfst Dich nicht mit andern vergleichen, Dich wundern, warum diese oder jene Person erfolgreicher ist, als Du selbst. Nimm nie etwas persönlich, sonst gehst Du irgendwann zugrunde. Deine Stimmung überträgt sich auf die Band und das Publikum, also versuche mir immer selber zu sagen : Egal was passiert, nimm’s nicht persönlich, arbeite hart und bleibe aufgestellt und zufrieden. Dann kommt für jeden der richtige Moment.

 

bm: Hat der Erfolg Dir etwas weggenommen ?
SB: Das, was Du in diesem Geschäft wohl am meisten hörst. Wir sind viel unterwegs. Du hast wenig Chancen, Dir ein privates Umfeld zu Hause aufzubauen. Deine Freunde, Deine Kontakte, Dein Leben, alles spielt sich im Umfeld des Musikbusiness ab. Glücklicherweise bin ich jemand, der gerne reist. Ich bin nicht verheiratet, habe zwar einen Freund, aber verheiratet zu sein wäre in dieser Situation für mich eine zu grosse Verpflichtung. Es wäre für mich schwieriger dauernd unterwegs zu sein, hätte ich Familie und Kinder. Mein Hund Henry, ein West Highland Terrier, begleitet mich überall hin, soweit wir den Tourbus benutzen können.

 

bm: Welchen Anteil hat Glück in der Karriere eines Artisten ?

SB: Ich glaube, Glück spielt manchmal eine grosse Rolle. Aber wenn Du mal etwas weniger davon hast, musst Du hart gearbeitet haben und gut sein, um genügend Jobs zu erhalten. Du kannst Dich also nicht alleine auf das Glück verlassen. Es ist das Ganze, was zählt. Deine Persönlichkeit, Deine Stimme, Dein Verhalten in diesem Business.

 

bm: Wenn Du ein Interview mit Stephanie Bentley führen würdest, welche Frage würdest Du ihr stellen, die ich nicht gestellt habe ?

SB: Oh Gott, da muss ich nachdenken. Du hast wirklich vieles abgedeckt. Lass mich überlegen. Ich weiss nicht, vielleicht : Was tue ich in meiner Freizeit.

 

bm: Gut, und was wäre die Antwort

SB: Ich liebe Einkaufen in Brockenhäusern Antik- und Second-Hand Shops. Ich habe mein erstes Haus vor etwa einem Jahr gekauft. Mein Geld reicht nicht immer für neue, schöne, teure Möbel. Also suche ich mir, was mir gefällt an besagten Orten aus. Das Zeug ist nicht immer in einem guten Zustand. Aber wenn ich’s für 20 Dollar kriegen kann und neu streiche, sieht’s nicht schlecht aus. Mein Problem ist, ich kann nichts wegschmeissen. Also lagere ich das alles, was ich gerade nicht brauche in dem Zimmer, das ich nicht so oft nutze. Wahrscheinlich muss ich selber mal einen Yardsale veranstalten und alles, was ich weggeben will, in den Garten stellen. Was mag ich weiter ? Filme. Ich gehe gern ins Kino oder in die Videothek. Relaxen, in den wenigen Tagen Freizeit. Das ist in etwa alles.

 

bm: Stephanie, vielen Dank für dieses Gespräch und weiterhin viel Erfolg.