bm: Wayne, wo sieht sich Blue Highway im
musikalischen Spektrum ?
WT: Wir werden auf dem gesamten Spektrum von
traditionellem bis zum modernem Bluegrass eingestuft.
Ich sehe es als grosses Kompliment, dass man uns
nicht einfach schubladisieren kann. Unsere Wurzeln
sind natürlich traditionell; Ralph Stanley, Flatt
& Scruggs, Bill Monroe usw. Aber wir limitieren
uns nicht selber und finden immer wieder eine Nische. Eins ist sicher : Wir sind eine Bluegrass
Band (lacht).
bm: Welchen Song würdet Ihr spielen, um all
Eure Talente zu zeigen ?
WT: Keine
Chance. Gesangsweise gehen wir von a capella bis
Gospel oder Quartett. Wir arbeiten mit drei verschiedenen Leadstimmen
und viel Harmoniegesang. Kürzlich erst entdeckten wir, dass unser Dobrospieler, Rob, auch eine ausgezeichnete Stimme hatte. Wir
merkten das erst, als er für seine eigene CD Lieder sang. Also wirklich keine
Chance, unsere Talente in einen Song zu packen.
bm: Stichwort eigene CD. Arbeitet jeder von
Euch nebenbei auch als Soloartist ?
WT: Nein,
obwohl ich und andere Bandmitglieder das gern täten. Aber im Moment hat die
Arbeit mit Blue Highway Priorität. Wir sind eine relativ junge Band und haben
in den rund drei gemeinsamen Jahren viele unglaubliche Erfolge erzielt. Es wäre
zum jetzigen Zeitpunkt falsch, an seine individuelle Karriere zu denken.
bm: Journalisten suchen immer nach Worten, um
den Stil eines Künstlers zu beschreiben. Wie beschreibst Du Euren Stil ?
WT: Contemporary-Traditional…wenn das möglich ist. Es ist so
ziemlich die einzige “Stilbezeichnung” die ich
passend finde. Zwei Beispiele. Einerseits habe ich für unser aktuelles Album “Midnight Storm” den Song Keen Mountain Prison
geschrieben, wirklich Hardcore-Traditional-Bluegrass.
Andererseits der Song I Can’t Stand The Truth auf
unserem letzten Album “Wind To The West”. Da haben wir Schlagzeug mit
integriert und es klingt mehr nach Country.
bm: Was tut Ihr heute dafür, damit in zehn
Jahren der Act “Blue Highway” noch immer im
Musikgeschäft gefragt ist.
WT: Diese
Band hat ohne jeglichen Langzeitplan gestartet und wir haben bis heute noch
keinen. Wir haben einfach Spass an der Sache. Es gibt
auch keine Verträge zwischen uns. Wenn jemand sich entscheidet, die Band zu
verlassen, dann ist sein Spass an der gemeinsamen
Arbeit vorbei und es wäre sowieso sinnlos. Ich habe eine einfache Philosophie
betreffend Musik. Ich bin 18 Jahre lang Trucks gefahren. Wenn ich mal keinen Spass mehr am musizieren habe, werde ich einfach wieder Truckdriver.
bm: Wenn Du von der Bühne auf das Publikum
schaust, was denkst Du dabei ?
WT: Ich
wünsche mir, dass wir einen Einfluss auf jeden einzelnen Zuhörer haben. Du
merkst es den Leuten an ihrer Reaktion an, ob sie Dir zuhören und zustimmen
oder nicht. Wenn keine Emotionen durchkommen, machst Du etwas falsch.
bm: Du gibst sehr viel mit Deiner Musik. Was
bekommst Du dafür zurück ?
WT: Die
Aussagen der Leute nach unsern Auftritten. Wenn jemand kommt und uns erzählt,
dass er bei diesem oder jenem Song eine Träne vergossen oder gelacht hat. Das
ist Live-Feedback. Der gibt uns das Gefühl, richtig angekommen zu sein. Wir
versuchen alle, unseren Lebensunterhalt auf der Bühne zu verdienen. Aber vom Bluegrass spielen wirst Du nicht reich, “nur” zufrieden.
bm: Wie meinst Du das mit dem Reichtum ? Ist es schlecht für die Kasse, Bluegrass Star zu sein.
WT: Wenn
Du richtig Geld machen willst, kannst Du Bluegrass
vergessen. Das Marktsegment ist einfach zu klein. Ein wirkliches Top Bluegrass Album verkauft sich vielleicht 25’000
mal. Verglichen mit den Verkaufszahlen von Garth Brook’s,
der von “Sevens” in der ersten Woche schon 849’000
Alben verkauft hat, ist das nichts. Vince Gill hat es
einmal so formuliert : “Ich liebe Bluegrass,
aber ich musste einsehen, dass sich mein eigenes Haus damit nicht finanzieren
lässt”. Das war früher anders. Im Bluegrass Unlimited Magazin gibt es eine Kolumne “Heute vor dreissig Jahren”. Damals waren grosse
Bluegrass Stars, wie Flatt
& Scruggs oder Bill Monroe, noch in den Billboard Charts vertreten, zusammen mit den Grössen der Country Musik. Irgendwann haben sich diese Musikstile
dann von einander entfernt. Eigentlich schade, denn ich sähe es liebend gern,
wenn die Schranken zwischen Country und Bluegrass
schnell wieder fallen würden.
bm: Was sind die Schattenseiten des
Herumreisens und Auftretens ?
WT: Weg
sein von zu Hause. Ich habe zwar keine Kinder, aber ich vermisse meine Frau. Seit
über zwanzig Jahren sind wir zusammen und sie ist immer noch meine beste
Freundin. Und den meisten von uns geht es so, vor allem Tim Stafford,
er hat einen sechsjährigen Jungen. Aber damit musst Du leben können. Du magst
mit Bluegrass wenig Geld verdienen, aber wenn Du ihn
zuhause im Wohnzimmer spielst, verdienst Du überhaupt nichts.
bm: Gibt es einen speziellen Anlass, der in
Eurer Karriere den Wendepunkt darstellte ?
WT: Wahrscheinlich
unser Plattenvertrag mit Rebel Records. Wir hatten
diesen Deal, bevor die Band komplett stand. Denn auf dem eingesandten Demo Tape
war ein anderer Banjospieler zu hören. Jason Burleson
kam erst nachher dazu. Der Plattenfirma verdanken wir viel. Sie lassen uns
unser Zeug spielen und aufnehmen, ohne irgendwie reinzureden.
bm: Was war das grösste
Hindernis, das Ihr in Eurer Laufbahn überwinden musstest ?
WT: Wahrscheinlich
wie jede Bluegrass Band, gegen das “Bluegrass-Stigma” zu kämpfen. Wir haben vorhin darüber
gesprochen. Wenn wir eines Tages wieder so mit der Country Music vereint sind,
wie wir das am letzten Country-Gold Festival in Japan
erleben durften, dann haben wir das Hindernis überwunden. Für die Japaner waren
wir einfach ein integrierter Bestandteil des Festivals mit
bm: Kannst Du Dich an das verrückteste
Erlebnis erinnern, das Dir auf Deinen Tourneen passiert ist ?
WT: Schon
wieder Japan. Wir hatten noch nie das Gefühl von Fans verfolgt zu werden. Alle
Country Stars hatten eine Art Begleitschutz. Uns ist nicht mal in den Sinn
gekommen, dass wir plötzlich von den Fans überrannt werden könnten. Und prompt
geschah es. Wir konnten uns kaum zu unserem Autogramm-Stand durchschlagen Das
war schon eine verrückte Erfahrung.
bm:
WT: Ich weiss, dass
bm: Wenn Du ein Interview mit Wayne Taylor von
Blue Highway führen solltest, welche Frage würdest Du stellen, die ich nicht
gestellt habe ?
WT: Du
hast es zwar kurz gestreift, aber ich würde fragen :
Was ist der am meisten befriedigende Teil an dieser Art Arbeit für mich
persönlich.
bm: Und die Antwort ?
WT: Wenn Blue Highway morgen auseinander
geht und nie mehr auftritt, so habe ich all die Menschen und Orte, die ich kennenlernen durfte in meiner Erinnerung. Einige der Leute
sind zu guten Freunden geworden. Und das wiegt jede Minute der Arbeit, des
Reisens und des Aufwands, den wir treiben, wieder auf. Das ist meine
Befriedigung.
bm: Ein guter Schluss. Vielen Dank für das
Interview. Ich wünsche uns, dass sich der Graben zwischen Bluegrass
und Country weiter verringert.
WT: Leute
wie Du, die uns Gelegenheit geben, über unsere Sache zu sprechen, helfen uns
dabei. Dafür bedanke ich mich.