Interview mit Wayne Taylor von Blue Highway

© February 1998 / Bruno Michel

 

bm: Wayne, wo sieht sich Blue Highway im musikalischen Spektrum ?
WT: Wir werden auf dem gesamten Spektrum von traditionellem bis zum modernem Bluegrass eingestuft. Ich sehe es als grosses Kompliment, dass man uns nicht einfach schubladisieren kann. Unsere Wurzeln sind natürlich traditionell; Ralph Stanley, Flatt & Scruggs, Bill Monroe usw. Aber wir limitieren uns nicht selber und finden immer wieder eine Nische. Eins ist sicher : Wir sind eine Bluegrass Band (lacht).

 

bm: Welchen Song würdet Ihr spielen, um all Eure Talente zu zeigen ?

WT: Keine Chance. Gesangsweise gehen wir von a capella bis Gospel oder Quartett. Wir arbeiten mit drei verschiedenen Leadstimmen und viel Harmoniegesang. Kürzlich erst entdeckten wir, dass unser Dobrospieler, Rob, auch eine ausgezeichnete Stimme hatte. Wir merkten das erst, als er für seine eigene CD Lieder sang. Also wirklich keine Chance, unsere Talente in einen Song zu packen.

 

bm: Stichwort eigene CD. Arbeitet jeder von Euch nebenbei auch als Soloartist ?

WT: Nein, obwohl ich und andere Bandmitglieder das gern täten. Aber im Moment hat die Arbeit mit Blue Highway Priorität. Wir sind eine relativ junge Band und haben in den rund drei gemeinsamen Jahren viele unglaubliche Erfolge erzielt. Es wäre zum jetzigen Zeitpunkt falsch, an seine individuelle Karriere zu denken.

 

bm: Journalisten suchen immer nach Worten, um den Stil eines Künstlers zu beschreiben. Wie beschreibst Du Euren Stil ?

WT: Contemporary-Traditional…wenn das möglich ist. Es ist so ziemlich die einzige “Stilbezeichnung” die ich passend finde. Zwei Beispiele. Einerseits habe ich für unser aktuelles Album “Midnight Storm” den Song Keen Mountain Prison geschrieben, wirklich Hardcore-Traditional-Bluegrass. Andererseits der Song I Can’t Stand The Truth auf unserem letzten Album “Wind To The West”. Da haben wir Schlagzeug mit integriert und es klingt mehr nach Country.

 

bm: Was tut Ihr heute dafür, damit in zehn Jahren der Act “Blue Highway” noch immer im Musikgeschäft gefragt ist.

WT: Diese Band hat ohne jeglichen Langzeitplan gestartet und wir haben bis heute noch keinen. Wir haben einfach Spass an der Sache. Es gibt auch keine Verträge zwischen uns. Wenn jemand sich entscheidet, die Band zu verlassen, dann ist sein Spass an der gemeinsamen Arbeit vorbei und es wäre sowieso sinnlos. Ich habe eine einfache Philosophie betreffend Musik. Ich bin 18 Jahre lang Trucks gefahren. Wenn ich mal keinen Spass mehr am musizieren habe, werde ich einfach wieder Truckdriver.

 

bm: Wenn Du von der Bühne auf das Publikum schaust, was denkst Du dabei ?

WT: Ich wünsche mir, dass wir einen Einfluss auf jeden einzelnen Zuhörer haben. Du merkst es den Leuten an ihrer Reaktion an, ob sie Dir zuhören und zustimmen oder nicht. Wenn keine Emotionen durchkommen, machst Du etwas falsch.

 

bm: Du gibst sehr viel mit Deiner Musik. Was bekommst Du dafür zurück ?

WT: Die Aussagen der Leute nach unsern Auftritten. Wenn jemand kommt und uns erzählt, dass er bei diesem oder jenem Song eine Träne vergossen oder gelacht hat. Das ist Live-Feedback. Der gibt uns das Gefühl, richtig angekommen zu sein. Wir versuchen alle, unseren Lebensunterhalt auf der Bühne zu verdienen. Aber vom Bluegrass spielen wirst Du nicht reich, “nur” zufrieden.

 

bm: Wie meinst Du das mit dem Reichtum ? Ist es schlecht für die Kasse, Bluegrass Star zu sein.

WT: Wenn Du richtig Geld machen willst, kannst Du Bluegrass vergessen. Das Marktsegment ist einfach zu klein. Ein wirkliches Top Bluegrass Album verkauft sich vielleicht 25’000 mal. Verglichen mit den Verkaufszahlen von Garth Brook’s, der von “Sevens” in der ersten Woche schon 849’000 Alben verkauft hat, ist das nichts. Vince Gill hat es einmal so formuliert : “Ich liebe Bluegrass, aber ich musste einsehen, dass sich mein eigenes Haus damit nicht finanzieren lässt”. Das war früher anders. Im Bluegrass Unlimited Magazin gibt es eine Kolumne “Heute vor dreissig Jahren”. Damals waren grosse Bluegrass Stars, wie Flatt & Scruggs oder Bill Monroe, noch in den Billboard Charts vertreten, zusammen mit den Grössen der Country Musik. Irgendwann haben sich diese Musikstile dann von einander entfernt. Eigentlich schade, denn ich sähe es liebend gern, wenn die Schranken zwischen Country und Bluegrass schnell wieder fallen würden.

 

bm: Was sind die Schattenseiten des Herumreisens und Auftretens ?

WT: Weg sein von zu Hause. Ich habe zwar keine Kinder, aber ich vermisse meine Frau. Seit über zwanzig Jahren sind wir zusammen und sie ist immer noch meine beste Freundin. Und den meisten von uns geht es so, vor allem Tim Stafford, er hat einen sechsjährigen Jungen. Aber damit musst Du leben können. Du magst mit Bluegrass wenig Geld verdienen, aber wenn Du ihn zuhause im Wohnzimmer spielst, verdienst Du überhaupt nichts.

 

bm: Gibt es einen speziellen Anlass, der in Eurer Karriere den Wendepunkt darstellte ?

WT: Wahrscheinlich unser Plattenvertrag mit Rebel Records. Wir hatten diesen Deal, bevor die Band komplett stand. Denn auf dem eingesandten Demo Tape war ein anderer Banjospieler zu hören. Jason Burleson kam erst nachher dazu. Der Plattenfirma verdanken wir viel. Sie lassen uns unser Zeug spielen und aufnehmen, ohne irgendwie reinzureden.

 

bm: Was war das grösste Hindernis, das Ihr in Eurer Laufbahn überwinden musstest ?

WT: Wahrscheinlich wie jede Bluegrass Band, gegen das “Bluegrass-Stigma” zu kämpfen. Wir haben vorhin darüber gesprochen. Wenn wir eines Tages wieder so mit der Country Music vereint sind, wie wir das am letzten Country-Gold Festival in Japan erleben durften, dann haben wir das Hindernis überwunden. Für die Japaner waren wir einfach ein integrierter Bestandteil des Festivals mit Chely Wright, Diamond Rio und Gene Watson. Um dies generell zu erreichen, kämpft die SBMA und alle andern im Bluegrass Geschäft. In den USA beginnen wir, für Country Stars die Konzerte zu eröffnen. Leute wie Ricky Skaggs helfen uns dabei sehr. Er integriert uns in seine Shows, gab uns auch Zeit von seinem Auftritt in der Grand Ole Opry und ist wirklich jemand, dem wir extrem viel verdanken.

 

bm: Kannst Du Dich an das verrückteste Erlebnis erinnern, das Dir auf Deinen Tourneen passiert ist ?

WT: Schon wieder Japan. Wir hatten noch nie das Gefühl von Fans verfolgt zu werden. Alle Country Stars hatten eine Art Begleitschutz. Uns ist nicht mal in den Sinn gekommen, dass wir plötzlich von den Fans überrannt werden könnten. Und prompt geschah es. Wir konnten uns kaum zu unserem Autogramm-Stand durchschlagen Das war schon eine verrückte Erfahrung.

 

bm: Steve Earle sagte einmal : “Country Music ist wie Varieté : Es ist für jeden Geschmack etwas dabei”. Wie siehst Du das ?

WT: Ich weiss, dass Steve ein grosser Bluegrass Fan ist und sich momentan überlegt, ob er nicht ein Bluegrass Album machen und an einigen Bluegrass Festivals auftreten soll. Er hat wirklich recht mit seiner Aussage. Dem stimme ich hundertprozentig zu.

 

bm: Wenn Du ein Interview mit Wayne Taylor von Blue Highway führen solltest, welche Frage würdest Du stellen, die ich nicht gestellt habe ?

WT: Du hast es zwar kurz gestreift, aber ich würde fragen : Was ist der am meisten befriedigende Teil an dieser Art Arbeit für mich persönlich.

 

bm: Und die Antwort ?
WT: Wenn Blue Highway morgen auseinander geht und nie mehr auftritt, so habe ich all die Menschen und Orte, die ich kennenlernen durfte in meiner Erinnerung. Einige der Leute sind zu guten Freunden geworden. Und das wiegt jede Minute der Arbeit, des Reisens und des Aufwands, den wir treiben, wieder auf. Das ist meine Befriedigung.

 

bm: Ein guter Schluss. Vielen Dank für das Interview. Ich wünsche uns, dass sich der Graben zwischen Bluegrass und Country weiter verringert.

WT: Leute wie Du, die uns Gelegenheit geben, über unsere Sache zu sprechen, helfen uns dabei. Dafür bedanke ich mich.