Interview mit Joe „King“ Carrasco

© December 2004 / Bruno Michel

 

Das Toronto Now Magazine meinte einst, der gebürtige Texaner sei ein Soldat aus Pancho Villa’s Armee, der durch eine Laune der Natur im Körper eines Gringos geboren sei. In der Tat hat Joe „King“ Carrasco seine Karriere der Neudefinition des Tex Mex verschrieben. Der Farfisa-Orgel Rock Sound von 60er Jahre Gruppen wie dem Sir Douglas Quintet oder Sam the Sham & The Pharaos hat die damalige Generation geprägt.

Nachdem er die 60er und 70er Jahre mit verschiedenen Bands in Texas gespielt hatte, gründete er 1976 seine Band El Molino und nahm 1978 das Album Tex-Mex Rock-Roll auf. 1979 folgte die Band The Crowns und fortan nannte der King seine Musik nuevo wavo. Damals spielte er vor allem in New York, wo er mit Mantel und Krone auftrat. 1980 erschien die erste Single der Crowns, namens Party Weekend.

 

Die Engländer waren bereits durch die Scheibe Tex-Mex Rock-Roll auf den King aufmerksam geworden und so wurde die Truppe als eine der ersten Ami Bands bei den legendären Stiff Records unter Vertrag genommen. Schon vorher hatte Elvis Costello den King besser als die Band Police genannt, damals durchaus ein Prädikat mit Wert.

 

Den Reggae Einfluss holte sich Joe bei einer Tour durch Mexico, wo er bei einem Konzert in San Miguel de Allende einige Songs mit Reggae Elementen garnierte. Dies schien der lang gesuchte Sound zu sein, der sich gemäss Joe’s Definition fortan Tequila Reggae nannte.

 

Seit der Zeit bei Stiff Records ist Carrasco immer mal wieder in Europa unterwegs. Auch dieses Jahr tourte er von Mitte November bis Mitte Dezember, gab auch drei Konzerte in der Schweiz. Im KultUhrPalast dolder2 im schaffhausischen Feuerthalen liess sich Betreiber Tom Albatros Dooley diese Gelegenheit nicht entgehen. Und mit seiner Unterstützung klappte auch das sehr kurzfristig eingeschobene Interview.

bm: Joe, in den letzten Jahrzehnten hast du deine Musik von Tex Mex über Nuevo Wavo und Tequila Reggae ständig weiter entwickelt. Was bringt dich dazu, ständig weiter zu experimentieren?

JKC: Inspiration. Es kommen immer wieder so viele neue Einflüsse in die Musik, vor allem aus Südamerika. Dies inspiriert mich wiederum, für meine Musik neue Elemente zu finden. In Amerika steht die Musik Entwicklung meiner Meinung nach still.

 

bm: Elvis Costello hat mal gesagt, dass du und deine Band besser klingen als The Police. Was bedeuten solche Komplimente für dich?

JKC: Cool, ich mag solche Komplimente. Wir haben mit The Police Konzerte bestritten, die Jungs sind wirklich gut. Warum Costello das gesagt hat, weiss ich nicht.

 

bm: Deine Songs wurden von vielen Künstlern, unter anderen von den Texas Tornados, aufgenommen. Was ist für dich beim Schreiben wichtiger, die Worte oder die Musik?

JKC: Nun, ich trage sowohl Songtitel als auch Melodien mit mir herum. Manchmal über Jahre hinweg, bis ich sie endlich so zusammen füge, dass es für mich passt. Ich arbeite mit Kassetten, auf die ich ständig Ideen aufnehme. Momentan habe ich rund 150 Kassetten bespielt, jede 90 Minuten lang. Überall hat es Material, dass ich eines Tages zusammen fügen will. Während den Fahrten im Bus habe ich stundenlang Gelegenheit zu schreiben. Stell dir vor: 150 mal 90 Minuten, rund 30 Ideen pro Kassette, das ergibt eine ganze Menge.

 

bm: Du bist viel in Europa gereist und aufgetreten. Gibt es einen Unterschied zwischen dem europäischen und dem amerikanischen Publikum?

JKC: In Europa, finde ich, gehen die Leute viel eher mit. Vor allem im Norden und in Spanien, alle mögen und kennen die Songs. Das europäische Publikum finde ich besser. In den USA sind Auftritte in Texas, Arizona oder New Mexico ok, dort mag man Tex Mex. Aber je weiter östlich du spielst, desto weniger verstehen sie unsere Art von Party Songs.

 

bm: Tausende von Auftritten in über 30 Jahren. Wo nimmst du immer wieder das Benzin für deinen Motor her?

JKC: Wow, Man, Tequila (lacht). Nein, ernsthaft, ich liebe es zu spielen, das Publikum gibt mir Energie. Ich arbeite auch an Sound Tracks für Filme. Es hilft dir weiter zu kommen, wenn du dich in verschiedenen Dingen engagierst.

 

bm: Gibt es einen Unterschied zwischen dem King auf der Bühne und Joe, der jetzt vor mir sitzt?

JKC: Vielleicht. Auf der Bühne ist permanent Action angesagt. Zwischen den Auftritten habe ich mehr kreative Phasen. Momentan spiele ich auf einer Chet Atkins Gitarre und experimentiere damit herum, für mich der Mercedes unter den Gitarren.

 

bm: Wenn du deine Karriere noch mal von vorne beginnen könntest, welche wichtigen Dinge würdest du anders machen?

JKC: Keine wichtigen, höchstens kleine Dinge, wie zum Beispiel für eine Fernseh Show kürzlich einen anderen Song wählen. Wir spielten etwas, das nicht so gut ankam. Heute würde ich Buena spielen, das mögen die Leute immer. Ansonsten? Früher anfangen, akkustische Gitarre zu spielen, die Chance erhalten, nur noch in Mexico am Strand zu spielen, Sonne, etwas Tequila, du weisst schon…

 

bm: Was hat dir der Erfolg gebracht, was hat er dir weg genommen?

JKC: Ich weiss nicht mal, ob ich das, was ich tue als Erfolg bezeichnen will. Ich bin zufrieden, dass ich meine Musik spielen darf. Im August hatte ich einen Unfall, rutschte im Badezimmer aus und verletzte mich ziemlich schwer am Daumen. Einige Zeit konnte ich kaum Gitarre spielen. Da wurde mir bewusst, wie wichtig die körperliche Unversehrtheit ist. Als Musiker bist du ziemlich arm dran, wenn du kein Instrument mehr spielen kannst.

 

bm: Nimm an, du findest Aladin’s Wunderlampe: Welche Wünsche hast du an den Geist der Lampe?
JKC: Dass all meine Wünsche wahr werden (lacht). Reicht doch, oder? Nein ernsthaft, ich möchte mehr Zeit in Südamerika verbringen. Dort fühle ich mich am wohlsten.

 

bm: Wenn du ein Interview mit Joe King Carrasco führen würdest, welche Frage stellst du ihm, die ich nicht gestellt habe?

JKC: Oh Mann, was würd ich mich fragen? Warum...., ja, das frage ich mich eigentlich konstant. Ich hab genug Zeit beim Herumfahren, mich zu fragen, was ich hier eigentlich mache. Diese Tour zum Beispiel. Den ersten Auftritt hatten wir in Kroatien. Tags darauf waren wir in Thun, danach in Zürich, Berlin, Belgien, Oslo. 3'000 Meilen in wenigen Tagen, Mann (lacht), da hast du Zeit genug, dich laufend zu fragen: Warum?

 

bm: Ich wünsche dir viel Energie für den weiteren Tournee Verlauf und alles Gute für die Zukunft.