Interview mit John Carter Cash

© February 2004 / Bruno Michel

 

Er ist definitiv ein eigenständiger Künstler, nur spielte John Carter Cash leider an diesem Abend wenige seiner eigenen Songs. Aber vielleicht wäre auch das Publikum nicht so begeistert gewesen wie bei seinen beiden Sets, die vorwiegend Country Music Geschichte reflektierten, nämlich mit Liedern der Carter Family und des legendären Johnny Cash. Seine eigenen, durchaus anspruchsvollen Texte, stellte er unter anderem mit dem Song Loch Ness Monster vor.

 

Vor dem Konzert wollte ich mehr über John’s Ansichten über Musik wissen. Offen und bereitwillig erhielt ich folgende Antworten auf meine Fragen.

 

bm: John, du bist ein grossartiger Liedermacher mit einer poetischen Ader. Die Musikstile auf deinem Album Bitter Harvest sind vielfältig. Wie würdest du deine Musik jemandem beschreiben, der sie noch nie gehört hat?

JCC: Meine Musik hat keine Limits. Ich spiele sie aus meinem Herzen. Texte und Geschichten sind mir wichtig. Vieles sind persönliche Erinnerungen aus meinem Leben.

 

bm: In deiner persönlichen Plattensammlung stehen AC/DC und Led Zeppelin neben Willie, Waylon und anderen. Hast du einen Favoriten oder ist die Musik, die du privat hörst, abhängig von deiner momentanen Stimmung?
JCC: Es hängt schon von meiner Stimmung ab. Jetzt höre ich gerade viel alte Country Music, z.B. der Carter Family oder Jimmie Rodgers. Aber dazwischen höre ich immer wieder Rock oder ähnliches. Aber wie die Carter Family sind auch Led Zeppelin Musiker, die ohne Limits spielen. Das mag ich.

 

bm: Als Produzent hast du grosse Projekte realisiert, unter anderem das letzte Album deiner Mutter. Wo ist es spannender für dich: Vor oder hinter dem Mikrofon?

JCC: Ich liebe die Studioarbeit, egal ob vor oder hinter dem Mikrofon. Die Zusammenarbeit mit anderen Musikern macht mir grossen Spass.

 

bm: Die Anzahl derjenigen, die dich als eigenständigen Künstler betrachten, wächst stetig. Wie hast du es geschafft, aus dem Schatten deiner Familie heraus dieses Image zu etablieren.

JCC: Ich mache was ich mache, weil es für mich stimmt. Ich will meine Eltern weder imitieren noch einholen. Ich will meine Freiheiten als Komponist und Künstler ausleben, das ist es, was mich zufrieden stellt.

 

bm: Wie selektierst du die Songs für deine Auftritte oder Alben? Sind die Texte oder die Musik wichtiger?
JCC: Ich will das, was mich gerade im Herzen beschäftigt, mitteilen. Das Publikum und die Hörer sollen merken, wer ich bin, was ich mitteilen will. Das ist für mich das Wichtige in meinen Songs. Es ist ein Entwicklungsprozess. Ich lasse mich viel von meiner Frau Laura inspirieren. Aber auch von meinem Ton Ingenieur, mit dem ich viel zusammen arbeite. Meistens geht es darum, was im Moment gefühlsmässig am besten passt.

 

bm: Du bist oft in Europa, vor allem in Deutschland. Wie kamen diese Beziehungen zustande?
JCC: Mein Vater war früher viel in Europa und ich war meist mit dabei. Also traten wir viel zusammen auf und ich gewann so viele Freunde über all die Jahre. Irgendwann kam ich mit AGR Music in Kontakt und so entstand die Zusammenarbeit.
BM: Wie oft bist Du in Europa?
JCC: Oh Mann, keine Ahnung, aber die ersten 25 Jahre meines Lebens waren es bestimmt ein bis zwei Mal pro Jahr. Ich denke, dass es mittlerweile mehr als 50 Besuche in Europa geworden sind.

 

bm: Wenn du auf einer europäischen Bühne stehst und dir dein Publikum anschaust, was denkst du dann? Diese Leute sprechen oft nicht genügend Englisch, um deine Texte zu verstehen.

JCC: Es geht um Fun. Wenn die Leute sich mit dem Geist der Musik identifizieren können, ist der Text nicht so wichtig. Die Leute merken, ob ich da oben Spass habe, und das geht aufs Publikum über. Ich habe Leute erlebt, die über all die Jahre unsere Lieder mit gesungen haben, egal ob sie nun den Text verstanden oder nicht. Sie verstehen meine momentane Gefühlslage und lassen sich inspirieren.

 

bm: Country Music ist heute vom Marketing bestimmt. Verkauf zu wenig Platten und du bist deinen Vertrag los. Was ist dein Rat an junge Künstler, die sich in diesem Geschäft etablieren wollen?

JCC: Keep going. Sei ehrlich zu dir selber und lass dich nicht zu sehr beinflussen. Mach das, was dir Spass macht. So habe ich es jedenfalls immer gehalten.

 

bm: Gibt es nach all den Jahren noch Künstler, mit denen du gerne einmal auftreten würdest?
JCC: Oh Gott, mit meinem Vater und meiner Mutter hab ich so viele Künstler auf der Bühne miterleben dürfen. Es wäre toll, wenn ich diese Auftritte mit meinen Eltern weiterhin machen könnte – aber das Leben fordert manchmal andere Wege. Ich liebe es, mit meiner Frau aufzutreten, diese Familienbande waren und sind immer wichtig für mich. Ich hab gerade ein Album mit verschiedenen Carter Family Songs produziert und konnte zum Beispiel mit Emmylou Harris, George Jones oder Willie Nelson, der Nitty Gritty Dirt Band, Marty Stuart oder meiner Schwester Rosanne arbeiten.Ich würde auch gerne einmal eine Produktion mit Willie Nelson oder Dwight Yoakam erarbeiten.


bm: Die Namen, die du einleitend genannt hast, führen mich zu einer unvorbereiteten Frage. George Jones hatte einen Song Who’s Gonna Fill Their Shoes. Wir haben so viele grossartige Künstler im letzten Jahr verloren, nicht zuletzt auch deine Eltern. Wer kann solche Fussstapfen überhaupt füllen?
JCC: Ich bin gar nicht so sicher, ob sie sich überhaupt füllen lassen. Aber es gibt ein paar sehr gute Künstler, die vielleicht eines Tages eigene, genau so tiefe Fussspuren hinterlassen werden. Leute wie Dwight Yoakam oder Marty Stuart haben eine Chance, zu solchen Legenden zu werden. Wichtig ist, dass es immer wieder Künstler gibt, die einen genau so grossen Eindruck bei den Fans hinterlassen werden, wie es die grossen Namen früher konnten.

 

bm: Wir sind schon bei der letzten Frage, und die lautet bei mir traditionell immer so: Wenn du John Carter Cash interviewen würdest, welche Frage stellst du ihm, die ich nicht gestellt habe?

JCC: (denkt lange nach) Du hast ziemlich viel abgedeckt – vielleicht: Was ist für mich das Wichtigste beim Musik machen? Ich glaube, das Wichtigste ist, Freude daran zu haben und frei zu sein, in dem, was du machst. So lange ich das unter diesen Voraussetzungen kann, werde ich weiter machen.

 

bm: Ich bedanke mich für das interessante Gespräch und wünsche Dir, dass du alle gesteckten Ziele erreichst.