Interview mit Amber Digby & Justin Trevino, in Llano, TX, September 2010

© 2010 / Bruno Michel; Fotos Bruno Michel

 

Amber Digby stammt aus Nashville, lebt aber seit langer Zeit in Texas. Ihre Eltern und Grosseltern spielten für alle möglichen Grössen der Country Musik. Sie selber ist auch schon in Europa und Australien aufgetreten und gab 2009 ihr Debut in der Grand Ole Opry. Auf ihren fünf CDs bietet sie traditionelle Honky Tonk Music vom Feinsten.

Justin Trevino, blind geboren, spielt seit dem 7. Lebensjahr Gitarre, hatte mit 13 seinen ersten bezahlten Auftritt und ist seither mit allen Grössen der Texas Music auf der Bühne gestanden. Rund zehn Produktionen hat er seit 1990 veröffentlicht, allesamt ein Garant für fetzige Uptempo Songs, stimmungsvolle Balladen oder gefühlvolle Gospelmusik.

Ihr erstes Duett Album, Keeping Up Appearances, ist bei Heart Of Texas Records erschienen. Bei ihrem gemeinsamen Auftritt im LanTex
Theater in Llano, Texas, habe ich mit den beiden gesprochen.

BM: Ihr habt beide unterschiedliche Karrieren verfolgt, aber trotzdem schon viel zusammen gearbeitet. Was gab den Ausschlag für ein Duett Album?
JT: Unsere Karrieren verliefen nie wirklich getrennt, zumindest nicht während der letzten zehn Jahre. Auch jetzt, wo Amber ihre eigene Band hat, spielen wir nach wie vor viel zusammen. Wir haben also eine langjährige Verbindung und dachten von Anfang an, dass es reizvoll wäre, ein Duett Album zu produzieren. Es hat einfach sehr lange gedauert, bis wir diesen Gedanken umgesetzt haben.
AD: Ja, ich habe auf Justin’s Platten Harmonie gesungen und er hat auf meinen mitgespielt. Also war’s irgendwie klar, dass wir das früher oder später machen mussten.
BM: Ich sehe aber heute nur sehr weniger Künstler, welche das Risiko eines Duett Albums eingehen.
AD: Ich glaube, auf unserer regionalen Ebene ist das Risiko kleiner….
JT: Ich glaube, es gibt hier nicht viele Risiken. Amber ist eine der besten Sängerinnen, die ich kenne. Fü mich ist dieses Album eines der Besten, das ich je gemacht habe – meine eigenen eingeschlossen.

BM: Mich erinnert dieses Projekt an die grossartigen Duett Zeiten von Loretta und Conway, Tammy und George oder Dolly und Porter, um nur die wichtigsten zu nennen. Und es klingt für mich ebenso gut, wie jene Alben.
JT: Das ist ein grosses Kompliment. Ich bin froh, dies zu hören. Ich glaube auch, dass dieses Album beim Publikum sehr gut ankommt.
AD: Du hast schon recht, in der Mainstream Industrie machen sie das heute nicht mehr. Aber ich glaube, so ein Projekt steht für kreative Freiheit, besonders dann, wenn man es mit einem langjährigen Freund und grossartigem Sänger machen kann. Also für uns kein Risiko.

BM: Ihr seid Vertreter der traditionellen Texas- und Country-Musik. Was müsste man offerieren, damit ihr euren Stil ändert und ein Teil der heutigen Mainstream Musik werdet?
JT: (lacht). Ich könnte und würde meinen Stil nicht ändern, weil ich die stimmlichen Voraussetzungen für eine andere Richtung nicht habe. Bei Amber ist das anders, sie kann alles singen. Also muss sie das selber beantworten. Aber ich kann nicht wie Kenny Chesney singen, also versuche ich es gar nicht erst.
AD: Ich beurteile den heutigen Mainstream Sound nicht als Ganzes. Es gibt auch da viel grossartige Musik. Das gleiche gilt für die 60er und 70er Jahre. Schon damals gab es gute und weniger gute Musik. Ich liebe traditionellen Country, aber gleichzeitig will ich nur Musik machen, die mich inspiriert, ohne dass ich sie schubladisieren muss. Ich bin zufrieden mit dem, was ich momentan mache. Lieder schreiben, mich weiter entwickeln und wachsen. Aber du hast Recht, es gibt Musik in der Country Welt, bei der man sich fragen kann, ob das noch als Country durchgeht. Es ist einfach ein komplexes Geschäft heutzutage.
JT: Ich sehe es nicht so schwarz-weiss. Meine persönliche Lieblingszeit war so 1958 bis 1972. Aber auch aus jener Zeit kann ich dir ohne zu zögern einige Alben nennen, die nicht besser waren, als das, was wir heute kritisieren.

BM: Es gibt kaum Grössen in der Texas und Country Music, mit denen ihr nicht schon gemeinsam auf der Bühne wart. Gibt es noch einen Traum-Künstler, mit dem ihr gern auftreten würdet?
AD: Nun, ich weiss, wer meiner wäre. Eigentlich sind’s sogar zwei. Der Erste ist Vince Gill. Wir haben zusammen geschrieben, sind aber noch nie gemeinsam aufgetreten. Das wäre ein tolles Erlebnis.
JT: Es ist ja nicht mein Interview, aber wer wäre dein zweiter Favorit?
AD: George Jones…
JT: … Für mich ist es schwer, mich festzulegen, wenn ich jemanden nennen soll, mit dem ich noch keinen Ton gesungen habe. Bei mir steht George Jones ganz oben auf der Wunschliste. Auch Loretta Lynn wäre ein toller Duett Partner. Ich kann Vince Gill nicht auf die Liste nehmen, weil ich mit ihm schon mal gemeinsam auf der Bühne stand, obwohl Amber ihn sehr viel besser kennt als ich. Ich habe auch schon einmal mit Connie Smith gesungen und sage dir gleich: Einmal ist nicht genug.

BM: Ein voller Tour Kalender und viel Reisen gehört zu eurem Alltag. Wie bringt ihr dieses Leben unter einen Hut mit euren Familien Verpflichtungen?
AD: Mein Mann, Randy Linley, ist in meiner Band und gleichzeitig mein Manager. Aber es ist trotzdem eine Herausforderung. Ich habe sowohl eigene als auch Stiefkinder. Die Kerze an zwei Orten gleichzeitig anzuzünden ist oft schwierig. Aber unsere Kinder sehen, dass ihre Eltern glücklich sind bei dem, was sie machen. Das ist für uns sehr wichtig. Natürlich vermissen wir uns gegenseitig, aber sie verstehen, dass wir dieses Leben führen wollen solange wir können.
JT: Zuerst muss ich noch Mel Tillis als einen meiner Favoriten auf die vorherige Frage nachliefern (Gelächter). Was die Familie angeht ist’s einfach. Meine Frau und ich haben keine Kinder und sie begleitet mich überall hin. Also kein Problem für uns.

BM: Wenn ihr eure Karriere in der aktuellen Musik Industrie beginnen müsstet, was würdet ihr anders machen, um den gleichen Erfolg zu haben?
JT: Ich bin nicht sicher, ob das auf mich zutrifft. Vielleicht müstest du die Frage einem älteren Künstler stellen. Ich bin seit ungefähr dreizehn Jahren professionell in diesem Geschäft, und meiner Meinung nach hat sich seither nicht viel geändert. Also würde ich wohl alles noch mal genau so machen.
AD: Auch ich glaube nicht, dass ich irgendwas anders machen würde. Der Fall liegt anders, wenn du unbedingt ein Star sein willst und alles dafür tust, dies zu erreichen. Gewicht verlieren, dich modisch anziehen, nach Nashville umziehen, Country Pop aufnehmen und so weiter. Aber meist ist sowas dann nicht von Dauer. Ich singe in Bands seit ich fünfzehn bin und werde dieses Jahr dreissig. Seit vier Jahren habe ich meine eigene Band und schreibe Lieder mit bekannten Songwritern aus Nashville. Also habe ich meines Erachtens bereits schöne Erfolge erzielt. Trotzdem mache ich immer noch traditionelle Country Musik. Ich glaube, Ethik und Ehrlichkeit bei der Arbeit zahlt sich immer aus.
JT: Viele dieser heutigen Top Shots sind Opportunisten. Die machen alles, was man ihnen sagt, und einige haben keine sehr intensive Verbindung zur Musik. Da geht es mehr darum, ein Star zu sein und all das…
AD: ...Was wiederum der wahren künstlerischen Seele schadet.

BM: Was gibt bei euch den Ausschlag für einen neuen Song, die Worte oder die Musik? Und was glaubt ihr, hilft mehr, damit es ein Hit wird?
AD: Für mich die Melodie...
JT: … beides passiert gleichzeitig. Ich kann es nicht gewichten. Du kannst einen Super Text haben, aber keine Melodie. Folglich wird daraus auch nie ein gutter Song. Die Melodie miss ebenfalls stimmig sein.

BM: Was war das grösste Erlebnis in eurer bisherigen Karriere?
AD: Mein erster Auftritt in der Grand Ole Opry am 19. Dezember 2009. Nicht nur der Auftritt an diesem legendären Ort, sondern auch die Tatsache, dass ich durch einen meiner Helden, Ronnie Milsap, angesagt wurde und er sogar die ganze Zeit gleich neben mir mitspielte. Das werde ich nie vergessen.
JT: Schwer zu sagen. Es gab einige solcher Momente. Als Amber und ich mit einigen andern Musikern in Schweden spielten, waren wir erstaunt, dass das Publikum nicht nur mit unserer Art Musik vertraut war, sondern die Songs kannte und mitsang. Das war ein gutes Gefühl, dass ich so schnell nicht vergesse.

BM: Nehmt an, ihr könntet die Welt zum Besseren verändern. Was wäre das erste, was ihr von den Verantwortlichen dieser Welt verlangen würdet?
JT: (lacht)…
AD: Oh je… Das mag jetzt verrückt klingen, aber da ich Kinder habe, glaube ich echt, dass das Fernsehen heutzutage übertreibt. Die Kinder wachsen mit all diesen so genannten Reality Shows auf. Da stelle ich lieber die Kiste ab und gehe mit den Kids draussen spielen. Es sollte wirklich mehr Regeln geben, was die Stationen zur Haupt Sendezeit bringen dürfen. Auch wenn die Sendungen das Label „für Kinder geeignet“ tragen, sind sie meist weit über dem Horizont eines neun- oder zehnjährigen.
JT: Dem stimme ich 100% zu. Wenn keiner regulierend eingreift, gerät das Ganze bald ausser Kontrolle. Es ist unrealistisch, wenn Eltern ihren Kindern das Fernsehen verbieten. Also müssen bessere Regeln her. Wer uns kennt weiss, dass wir alles andere als prüde sind. Aber es gibt einen Ort und eine Zeit für alles.

BM: Welchen Beruf würdet ihr ausüben, wenn das mit der Musik nichts geworden ware?
AD: Fotografieren, das wär’s bei mir…
JT: … ja, bei mir auch (Gelächter). Oder Häuser streichen (wieder Gelächter). Nein, ernsthaft. Keine Ahnung was ich machen würde. Ich habe mal angefangen, mich zum Programmierer auszubilden, dies aber wieder abgebrochen. Vielleicht wäre ich heute ein Informatiker.

BM: Wenn ihr ein Interview mit Amber und Justin führen würdet, welche Frage stellt ihr, die ich nicht gestellt habe?
AD: Hmm…
JT: … Du hast Fragen gestellt, an die ich nicht mal gedacht hätte. Also für mich hast du es ziemlich gut abgedeckt.
BM: Auch gut. Vielen Dank für das Interview.