Interview mit Pam Gadd

© March 1999 / Bruno Michel

 

Pamela Gadd stammt aus Independence, KY, etwas südlich der Staatsgrenze zu Ohio. In diesen beiden Staaten spielte sie schon früh in verschiedenen Bands, bevor sie sich mit den New Coon Creek Girls zusammentat und mit Bluegrass Grössen wie Bill Monroe, Jim and Jesse, J.D. Crowe and The New South, um nur einige zu nennen, die Bühne teilte. Später, als Leadsängerin der Band Wild Rose – von wo sie die meisten Schweizer Fans kennen – erlangte sie Bekanntheit bei einem breiteren Publikum 1995 gab‘s dann eine Wiedervereinigung mit den New Coon Creek Girls und 1996 absolvierte Pam über 100 Auftritte mit Patty Loveless als Gitarristin und sang die Begleitstimme. Danach verliess sie Patty‘s Band, um ihre langerwartete Solokarriere zu verfolgen.

 

Den Beginn einer unzweifelhaft langen Reise als Soloartistin markiert ihr 98er Debut-Album The Long Road (Vanguard Records). Von den 13 Songs stammen deren neun aus Pam‘s Feder. Ich wollte von Pam Gadd wissen, wohin sie ihre Reise steuern will.

 

bm: Pam, nach langen Jahren in verschiedenen Bands, mit Superstars aus Country und Bluegrass auf einer Bühne, nun endlich die Solokarriere. Was ist das für ein Gefühl?
PG: Es ist belastend und wunderbar zugleich. Früher halfen viele Leute mit, heute schauen alle auf mich, wenn‘s was zu entscheiden gibt. Aber ich mag es. Ich kann meine musikalischen Talente viel besser entfalten.

 

bm: Du vereinigst als eine der wenigen Künstlerinnen beide Stilrichtungen., Bluegrass und Country. Aber die beiden Lager sind – auch in Bezug auf Plattenverkäufe – weit auseinander. Sind zwei Herzen in Deiner Brust?

PG: (schaut an sich hinunter und lacht)…muss wohl so sein, sonst habe ich nichts doppeltes an mir. Nein, ernsthaft, nur ein Herz, aber dieses offen für Einflüsse beider Musikrichtungen. Wir planen, als nächstes ein reines Bluegrass Album zu produzieren. Meine Band ist heute akkustisch, allerdings habe ich diesmal einen Drummer dabei, meine alte Freundin, Nancy (Given-Prout). Kommerziell ist es sicher schwieriger. Das Bluegrass-Lager sieht Dich als „zu Country“ an und umgekehrt. Also versuchen wir, unsere Musik als „Americana“ (Radio-Format) zu vermarkten. Wir kommen mit unsern Videos zwar nicht an Fernseh-Netze wie TNN heran, da brauchst Du mindestens einen Top-40-Hit, aber uns reicht‘s auch so.

 

bm: Deine CD, Photos und Poster kann man immer noch beim Wild Rose Shop bestellen. Was ist von der damaligen Wild-Rose Zeit sonst noch geblieben?

PG: Sollte eigentlich nicht so sein. Aber ich weiss, dass noch viele Web-Seiten auf Wild Rose hinweisen. Dieses „Produkt“ ist gestorben. Aber wir sind alle noch Freunde. Wir wissen, dass wir noch viele Fans haben, aber jede von uns verfolgt ihre eigenen Ziele. Wanda Vick arbeitet bei Prime Time Country mit regelmässigen Auftritten. Nancy war mit Steve Wariner oder Victoria Shaw unterwegs, daneben macht sie mit bei vielen Produktionen. Kathy Mack hat ihre eigene Firma in Nashville und Pam Perry lebt in Kentucky und ist als Staff-Musician in einer Music Hall angestellt.

 

bm: Ich habe gehört, dass Dich Emmylou Harris am meisten von all Deinen Vorbildern beeinflusst hat. Stimmt das, und wenn ja, warum?
PG: Das stimmt. Als ich 17 Jahre alt war, hat sie mich beeindruckt, weil sie nicht in Glitzerkleidern auftrat, sondern auf andere Art überzeugte. Sie wagte sich an Songs, die anders als das gängige Material waren. Das gefiel mir ebenso, wie ihre beeindruckende und lebendige Art auf der Bühne und die vielen Instrumente, die sie in ihrer Band vereinte.

 

bm: Du bist eine hervorragende Sängerin, aber auch Instrumentalistin und Songschreiberin. Was ist für Dich wichtiger in einem Song: Die Worte oder die Musik?

PG: Beides. Ich schreibe nie das eine nach dem andern, sondern immer beides gleichzeitig. Aus der Musik kommen die Gefühle und Du musst die passenden Worte finden. Genauso umgekehrt.

 

bm: Bist Du eine Komponistin, die singt oder eine Sängerin, die komponiert?
PG: Ich denke, ersteres. Viele Leute singen im Auto oder unter der Dusche. Ich kann nicht, wie andere, von mir behaupten, dass ich nichts anderes als singen wollte, seit ich ein Kind war. Ich bin in erster Linie Instrumentalistin, dann Songschreiberin und zum Schluss Sängerin.

 

bm: Welchen Song würdest Du wählen, um all Deine Talente zu zeigen?
PG: Schwierige Frage. Bei einigen meiner Songs spiele ich sowohl Banjo als auch Gitarre und singe. Vielleicht mein Song Home Sweet Highway. Dieses Lied wurde schon durch Wild Rose aufgenommen. Auch Tom Astor hat es auf einer seiner CD‘s. Und ich plane diesen Song auf meinem nächsten Bluegrass Album ebenfalls wieder. Das Album sollte hoffentlich im Frühsommer auf dem Markt sein. Möglicherweise auf Sugar Hill Records, eine Tochter von Vanguard Records.

 

bm: Du packst soviel Emotionen und Kraft in Deine Songs. Was bekommst Du dafür zurück?
PG: Erleichterung, Zufriedenheit, wenn die Show vorbei ist und Du das Publikum begeistern konntest. Nimm zum Beispiel meinen Song All The Old Men Are Gone. Mehrfach kamen Leute nach der Show zu mir und sagten, wie sehr sie der Song bewegt habe, ja sogar zum Weinen brachte. Das macht mich zufrieden. Wenn die Leute reagieren, mir ihre Gefühle zeigen, dann habe ich Kontakt zum Publikum und kann ebenfalls darauf reagieren.

 

bm: Was hat Dir der Erfolg gegeben, was hat er Dir genommen?

PG: Was verstehst Du unter Erfolg?

 

bm: Am Radio gespielt werden, Platten zu verkaufen, häufig aufzutreten, ein zufriedenes Auskommen haben.

PG: Ok, gegeben hat er mir vor allem Freundschaft. Mit den Fans, mit andern Musikern. All diese wunderbaren Menschen, die ich sonst vielleicht nie kennengelernt hätte. Dann Respekt in der Musikindustrie. Die Leute kennen Dich und spielen Deine Songs. Genommen hat er mir eigentlich nichts, ausser dass ich einen ein sehr „bewegtes“ Leben führe, sprich viel unterwegs sein muss. Manchmal ist es auch Stress, wenn die Dinge nicht so laufen, wie geplant, wenn Du den Aufträgen nachrennen musst. Aber das hast Du in jedem andern Job auch. Also beklage ich mich nicht.

 

bm: In jedem Leben gibt es Höhen und Tiefen. Was tust Du, wenn Du mal ein Tief hast?
PG: Ich lasse mir zum Beispiel von meinem Freund den Rücken massieren. Aber meistens spiele ich in so einer Situation mit meinem Hund, Gracie, einem kleinen Boston Terrier, oder gehe mit ihm spazieren.

 

bm: Und wer schaut zu Gracie, wenn Du auf Tour bist?

PG: Nun, zu Hause nehm ich sie immer mit. Und bei Auslandstouren habe ich eine Freundin, die ehemalige Busfahrerin von Wild Rose. Sie arbeitet heute als Fahrerin für Chely Wright, aber wenn sie Zeit hat, passt sie auf meinen Hund auf.

 

bm: Apropos Busfahren: Wie verbringst Du die langen Stunden auf der Strasse zwischen den Auftritten?

PG: Oh je, mit fahren. Heute wechseln wir uns alle als Fahrer ab. Es ist im Bluegrass-Geschäft schon anders, als früher. Die Dollars wachsen nicht einfach so rüber. Ansonsten singen wir viel a capella oder stellen die Set-Listen für die Auftritte zusammen. Irgendwie gibt‘s immer was zu tun.

 

bm: Kannst Du Dich an das verrückteste Ereignis erinnern, das Dir unterwegs passiert ist?

PG: Ja, uns passierten öfter komische Dinge. Einmal brach der Bassist mit seinem Bein durch die Holzbühne und verschwand bis zum Bauch im Untergrund. Oder ein anderes Mal fiel ich von der Bühne am Ende des Konzerts…verrückt, aber eigentlich nicht lustig. Lustig war eher, als ich bei einem Auftritt in Brasilien dem Publikum in Portugiesisch sagen wollte, dass das Essen wunderbar war und wir eine tolle Zeit hatten. Wie sich herausstellte, habe ich wohl einige Worte falsch gewählt oder ausgesprochen. Später übersetzte das Country Magazine zu Hause jedenfalls den Artikel einer brasilianischen Zeitung. Und jener Journalist hatte geschrieben, dass ich auf der Bühne sagte: Das Essen war Sch….

 

bm: Du singst im Titelsong : „May your road rise up to meet you“. Wo wünschst Du, das Dich Deine Strasse hinführt?
PG: Ich wünsche mir, meine heutige Arbeit fortführen zu können. Irgendwann vielleicht ein Privatleben mit Familie zu führen? Ich denke viel über die Zukunft nach. Vor allem wünsche ich mir Gesundheit für mich und meine Familienangehörigen. Eigentlich bin ich, so wie‘s läuft, ganz zufrieden.

 

bm: Wenn Du Pam Gadd interviewen würdest, welche Frage stellst Du ihr, die ich nicht gestellt habe?
PG: Was brachte mich dazu, ausgerechnet die Musik als Lebensinhalt zu wählen, vielleicht?

 

bm: Und die Antwort?

PG: Ich sehe es als Eingebung, so verrückt das klingen mag. Irgendwann wollte ich Musik machen und nichts anderes. Damals wusste ich noch nicht, ob ich je Erfolg haben würde. Aber ich habe den Weg gewählt und bin heute froh über diese Entscheidung.

 

bm: Herzlichen Dank für dieses Gespräch und weiterhin viel Glück bei all Deinen Plänen und Projekten.