Interview mit Marco Gottardi

© May 2000 / Bruno Michel

 

bm: Wenn man unter Marco Gottardi im Lexikon nachschauen könnte, was würde nach dem Namen stehen ?

MG: Nicht „normaler“ Country Musiker und Arbeitstier. Hat seinen eigenen Stil. Versucht immer, allen Verpflichtungen nachzukommen. Das merke ich dann ab und zu wieder an meinem physischen Zustand.

 

bm: Du singst seit 1988. Die meiste Zeit bis 1993 aber in fremden Bands. Warum wolltest Du Deine eigene Band ?

MG: Anfangs sang ich Karaoke. Später durfte ich mit Leuten wie John Brack, Jeff Turner oder den Drifter‘s Caravan mitsingen. Dadurch merkte ich, dass ich weg vom Playback und hin zur Bühne mit eigenen Musikern wollte. Ich suchte Musiker, die – ähnlich wie ich – einen eigenen Stil entwicklen wollten.

 

bm: Warum spielst Du kein Instrument auf der Bühne ?

MG: Weil ich ein fauler Kerl bin…nein, ernsthaft. Ich spielte früher Gitarre. Durch eine Operation am linken Vorderarm musste ich dies aber aufgeben. Danach kam ich nie wieder richtig zum spielen. Ich kann den Arm heute noch nicht richtig biegen.

 

bm: Durch das Schaustellergeschäft bist Du oft an Wochenenden engagiert. Wie vereinbarst Du dieses harte Business mit dem ebenfalls nicht einfachen Musikgeschäft ?

MG: Das ist wirklich schwierig. Letzte Nacht haben wir bis morgens um drei Uhr die Stände demontiert, heute morgen um sechs Uhr sass ich bereits wieder im Lastwagen und  habe die Chilbiwagen transportiert sowie die Autoscooterbahn wieder aufgebaut, danach kurz nach Hause und jetzt wieder im Studio. Ich muss meinen Eltern ein grosses Lob aussprechen. Ohne ihre Unterstützung und ihr Verständnis wäre ich nicht in der Lage, meinem „Hobby“, der Country Music, nachzugehen. Wir sind ein Familienbetrieb und jeder wird gebraucht. Aber sie geben mir sehr viel Freizeit, und dafür bin ich ihnen dankbar.

 

bm: Ist das „Hobby“ nicht schon zum eigentlichen Beruf geworden ?

MG: Zeitweise habe ich dieses Gefühl schon. Beispielsweise hatte ich am Samstag ein Konzert in Sisseln, kam morgens um halb fünf nach Hause und stand um elf Uhr schon wieder bereit auf dem Rummelplatz. Das heisst also, spätestens um neun Uhr musst Du putzen und vorbereiten. Wenn Dir in solchen Momenten die Augen fast zufallen, dann wünschst Du Dir, nur noch Musik zu machen. Dann könntest Du am Morgen liegenbleiben.

 

bm: Aber momentan ist es noch nicht soweit ?

MG: Keinesfalls. Wenn, dann müsste ich erstmal alles mit meinen Eltern besprechen. Ob Du allerdings als Berufsmusiker dann immer noch die gleiche Freude am Spielen hast, wie wir heute, das bleibt dahingestellt. Es ist ja dann nicht mehr „freiwillig“, wie heute. In meiner Band hat es ehemalige Berufsmusiker. Die haben nicht umsonst den Beruf wieder gewechselt. Im Gegensatz zur landläufigen Meinung ist Berufsmusiker zu sein auch nicht immer ein Honiglecken.

 

bm: Wenn Du all Deine Talente in einem Song demonstrieren könntest, welcher wäre das ?

MG: So viele Talente habe ich nun auch wieder nicht. Ich möchte einfach fröhliche Musik machen, wie zum Beispiel der Titelsong meiner CD „On A Caroussel“. Er handelt von der Freude, die Kinder haben, wenn sie eine Chilbi besuchen und sich vergnügen können. Dann habe ich auch ernstere Themen, wie den Song „Shareholder Value Blues“, der von der heutigen Konzentration in der Wirtschaft und den Folgen für die Arbeitnehmer handelt. Also Dinge, die mich persönlich beschäftigen und bewegen.

 

bm: Was ist wichtiger in der Country Musik : Die Worte oder die Melodie ?

MG: Sowohl als auch. Es muss harmonieren, zusammenstimmen. Ich bin Musiker und gleichzeitig Zuschauer. Einen neuen Song wähle ich danach, ob der Zuhörer mitmacht, ob ihm etwas davon hängenbleibt, so dass er es auf dem Heimweg noch vor sich hin summt.

 

bm: Du hast nahtlos die nächste Frage eingeleitet : Wie hast Du das Material für Deine neue CD ausgesucht ?

MG: Mit meinen Musikern. Ich habe die gesamte Produktion mit meiner eigenen Band eingespielt, vorwiegend Eigenkompositionen bis auf zwei Songs. Da ich kein Instrument mehr spiele, komme ich mit einer Melodie im Kopf, singe diese vor, dann beginnen wir zu tüfteln und zu ändern, bis der Song steht.

 

bm: Ein guter Zeitpunkt, Deine Musiker kurz vorzustellen.

MG: Sehr gern. Am Schlagzeug sitzt Christian Vajda, am Bass Germano Cantore, dann Ernst Grams an der Gitarre und Peter Ott spielt Keyboard. Das ist meine CD- und meine Konzertbesetzung.

 

bm: Welche zwei Coverversionen habt ihr eingespielt ?

MG: Von Bette Middler „The Rose“ aber in unserer Version, mit Chorgesang etc.. Dieses Lied wurde von vielen meiner Fans immer wieder gewünscht. Das zweite ist eine a capella Version eines Songs, den Elvis mal aufgenommen hat „I Can‘t Help Falling In Love“.

 

bm: Wodurch unterscheidet sich die neue CD von Deinem Erstling „Open Your Heart“ ?

MG: Es ist ein Produkt von uns, wir haben alle hart dafür gearbeitet. Zudem konnte ich hier das Material aufnehmen, das wir wollten. Wir hatten wesentlich mehr Mitsprache. Der Produzent ist mein Bassist, Germano. Natürlich haben wir Gastmusiker drauf, so Helmut Schöni oder Jens Krüger. Dann Martin Gugger und Martin Stamm, beide von George Hug‘s Steaks & Beans oder auch Urs Schellenberger, einen Sessionmusiker. Sehr wichtig ist auch, dass Martin Schmidt von Hyposound für Aufnahme und Mix verantwortlich zeichnet. Auch er ein echter Supertyp, mit dem man Pferde stehlen kann.

 

bm: Wer ist Dein persönlicher Lieblingssänger ?

MG: Es gibt zwei oder drei. Ich bin ein Riesenfan von Elvis Presley. Dann gehören aber auch Billy Ray Cyrus und Alan Jackson dazu.

 

bm: Bekannt zu werden bedeutet immer auch Veränderung im Leben. Welche Veränderungen erlebst Du ?

MG: Ich hoffe nicht, dass ich mich verändert habe. In meinem Umfeld stelle ich schon solche fest. Beispielsweise, wenn ich zu Hause am Pfäffikersee spazieren gehe und mich fremde Leute mit Namen ansprechen. Das macht mich verlegen. Auch wenn mich die Leute nach einem Konzert mit andern vergleichen. Ich will nicht besser sein als irgend jemand anders. Wir machen alle Musik und unser wichtigstes Ziel ist es, den Zuschauern Freude zu bereiten.

 

bm: Worauf bist Du in Deinem Leben am meisten stolz ?

MG: Auf meine Eltern, die mich derart unterstützen. Dann auf meine Musiker und die Leute, die mit mir diese CD eingespielt haben.

 

bm: Was ist Dein grösstes Ziel und welche Zukunftspläne hast Du ?

MG: Irgendwann mal eine Familie mit Kindern. Aber momentan wüsste ich nicht, woher ich die Zeit dafür nehmen sollte. Gesund zu bleiben und die Freude an der Musik nicht zu verlieren sind auch Ziele, oder vielmehr Wünsche. Zukunftspläne habe ich schon auch. Zum Beispiel würde ich sehr gern mit meinen Musikern mal eine grössere Tournee machen. Wir haben uns in der Zeit dieser Produktion sehr gut und intensiv kennengelernt.

 

bm: Welche Frage würdest Du Marco Gottardi in einem Interview stellen, die ich nicht gestellt habe ?

MG: Warum dass ich nicht ein „Normaler“ bin, wie jeder andere auch.

 

bm: Und was wäre die Antwort ?
MG: Vielleicht weil ich Sternzeichen Löwe bin. Ich will einfach nicht so sein, wie die andern. Sei es mit meinem Auto, einem alten Cadillac, sei es mit meinen Boots und meinem Stetson, den ich nur im Bett ablege.

 

bm: Marco, wir wünschen Dir für Deine neue CD viel Erfolg und weiterhin alles Gute.

MG: Besten Dank für dieses Interview.