Interview with Howdy

© November 1997 / Bruno Michel

 

Dass der Aargau der grösste Kanton der Schweiz ist, weiss man. Dass im Aargau an manchen Orten das Motto „Play Country Music“ vorherrscht, weiss man spätestens, seit die Country Rock Band „Howdy“ immer häufiger an entsprechenden Anlässen Erfolge verbucht. Eine Vorstellung über einen Kurzsteckbrief hinaus erübrigt sich, denn der nationale Pressespiegel der Band füllt mittlerweile schon fast einen Bundesordner. Ein persönliches Gespräch mit Bandleader und „Motor“ von Howdy, Renato Rocchinotti, beleuchtet die Motivation und Einstellung dieser Formation.

 

bm: Wie würdet ihr Eure Musik jemandem beschreiben, der Euch noch nie gehört hat ?

RR: Country Musik wie sie in der heutigen Zeit in Amerika gespielt wird. Wir bringen also keine alten Standards, sondern Songmaterial, Instrumentierung und Spieltechniken repräsentieren die Zeit der 90er Jahre.

 

bm: Was bedeutet für Dich „Instrumentierung der 90er“ ?

RR: Dass Du ohne weiteres auch mal einen Synthesizer einsetzen darfst. Wir sind offen für neue Trends und Strömungen. Damit ziehen wir auch Leute an, die sonst wenig mit Country Music anzufangen wissen.

 

bm: Viele der heutigen US Acts setzen aber wieder mit Erfolg Steel Guitar, Fiddle und Mandoline ein. Also moderne Musik mit traditioneller Instrumentierung.

RR: Das stimmt. Auch wir machten uns solche Überlegungen, vor allem betreffend der Steel Guitar. Aber wir sind mit fünf Mann gut besetzt. Ein sechster Mann, der Steeler, müsste excellent spielen, denn bei diesem schwierigen Instrument fällt sonst leicht der an sich gute, kompakte Sound der Band auseinander. Durch die Komplexität dieser Instrumente gibt es aber eben nur wenige, sehr gute Spieler in unserer Szene.

 

bm: Wie seid ihr in dieser Besetzung zusammengekommen und was hält Euch zusammen ?

RR: Wir kommen mit Ausnahme des neuen Gitarristen alle aus der gleichen Gegend, sind zum Teil sogar zusammen aufgewachsen. Nach einigen Erfahrungen in andern Musikbereichen wie Rock oder Pop – ich hatte letztes Jahr mein 20-jähriges Bühnenjubliäum – wollte ich gegen Ende der 80er Jahre eine Country Band zusammenstellen. Auch meine andern Kollegen haben eine langjährige Musikererfahrung. Mit Beni Koch hatten wir eines Tages den Start beschlossen. Zuerst übten wir mal zu zweit zwei Jahre lang im Keller.

 

bm: Die Suche nach dem ersten Gitarristen war recht interessant.

RR: 1992 meldete sich auf unsern Aufruf ein gewisser Giampiero Colombo bei uns. Mir stand fast das Herz still, denn uns kleine Kellermusiker beehrte der damalige Gitarrist von Jeff Turner mit einem Besuch im Übungsraum. Während sieben Monaten spielte Giampiero dann mit uns, und wir traten gelgentlich zu dritt auf, bis die Terminkollisionen bei Giampiero zu häufig wurden. Nach und nach kamen dann Rolf Meier und Marc Zwicky dazu und zuletzt Eugen Marian, der zuerst bei Angy Burri und bis Ende 1996 bei Andy Martin‘s Valley Band spielte. In dieser Kombination fühlen wir uns äusserst wohl.

 

bm: Würden wir den Namen HOWDY im Lexikon finden, was würde unter dem Namen als Erklärung stehen ?

RR: Explosive Mischung aus Country Music mit rockigen Elementen, sowie viel Herz und Gefühl.

 

bm: Warum Countryband und nicht Rock oder Pop ?

RR: Wir mögen Country, haben viele andere Richtungen probiert. Country in der heutigen Ausprägung lässt mir als Sänger den grössten Freiraum.

 

bm: In der Schweiz haben seit Eurer Gründung 1993 Dutzende von Country Bands Fuss gefasst, oder es zumindest versucht. Was unterscheidet Euch von der Masse ?

RR: Wir haben sehr lange Zeit zuerst im Übungsraum verbracht. Dann vielleicht die Bewegung auf der Bühne. Ich suche vom ersten Moment an den Kontakt zum Publikum um ihnen zu zeigen, dass wir uns freuen, für sie spielen zu dürfen. Ich lebe mich während des Auftritts voll aus. Du könntest mich am Ende einer Show wie einen nassen Lappen auswringen. Wenn ich uns mit anderen Bands auf unserer Stufe vergleiche – wohlgemerkt die Grossen der Schweizer Szene ausgenommen – dann scheint mir dies eines der wichtigsten Unterscheidungsmerkmale zu sein.

 

bm: Aufgrund welcher Kriterien habt Ihr das Material für Eure erste CD ausgesucht?

RR: Du findest darauf ein relativ breites Spektrum. Wir wollten uns für unser erstes Werk bewusst nicht binden, sahen es als eine Art Standortbestimmung. Als Kriterien bei den Cover-Versionen – ausser „Truck Drivin‘ Man“ – wollten wir Songs, die man im breiten Publikum weniger kennt, mit denen wir uns aber identifizieren konnten. Das zweitwichtigste war, mindestens noch zwei eigene Songs drauf zu haben. Ich schrieb die Texte. Die Melodie dazu kam beim einen Song von unserm ehemaligen Gitarristen, Christoph Pfiffner, beim andern – und darüber freue ich mich heute noch riesig – von Giampiero Colombo. Unser Werk wurde abgerundet durch zwei Songs, die John Brack beisteuerte.

 

bm: Wie kam es zu dieser Unterstützung durch John Brack ? Er ist ja dafür bekannt, vielen Leuten den Weg in die Country Music geebnet zu haben und arbeitet mit seinen Projekten als Produzent und Songwriter immer wieder mit viel Einsatz für weniger bekannte Bands und –Musiker.

RR: Ich habe John Brack kennengelernt, als wir 1995 als Vorgruppe in Geroldswil auftraten. Er ist ein Supertyp ohne jegliche Starallüren. Wir heizten dermassen an, dass sich John Brack nach einigen Songs von der Bühne herab bei uns bedankte. Ich fand das schlicht grossartig. Irgendwann rief ich ihn dann an und er schickte mir die beiden Songs.

 

bm: Wer sind Deine wichtigsten musikalischen Vorbilder ?

RR: Travis Tritt, Little Texas, Pirates Of The Mississippi. Auch Garth Brooks, obwohl wir kein einziges Stück von ihm in der Show haben. Ich covere lieber nicht, als schlecht, und Garth Brooks zu covern, verlangt einiges. Mein absolutes Bühnenvorbild ist Mark Miller von Sawyer Brown. Seine Aktivität auf der Bühne kommt meinem eigenen Temperament am nächsten. Wenn wir die Schweizer Ebene anschauen ist mein Vorbild klar John Brack – als Sänger und als Mensch.

 

bm: Welchen Stellenwert nimmt Songwriting bei Euch ein ? Was ist nach zwei eigenen Songs auf der ersten CD für die nächste Produktion zu erwarten ?

RR: Die nächste Scheibe kommt bestimmt und wird vermutlich keinen Coversong mehr beinhalten, sprich keine Songs, die bereits veröffentlicht wurden. Wir werden im kommenden Winter tüfteln und schreiben. Nebst eigenem Material werden sicher auch andere Songwriter wieder vertreten sein.

 

bm: Was war Eurer bisher schönster Moment ?

RR: Da gibt‘s viele und ich will niemanden verärgern, in dem ich ihn nicht nenne. Aber einer der schönsten war, als wir nach dem zweiten Set am letztjährigen Kreuzlinger Seenachtsfest vor rund 4000 Leuten  zwei Zugaben spielen durften.

 

bm: Und der frustrierendste Moment ?

RR: Wenn es am Anfang auf der Bühne nicht läuft. Heute passiert das weniger, aber als wir am Anfang noch wenig Erfahrung hatten, wussten wir nicht genau, wie uns die Soundleute einstellen sollten. Da war es uns während des ganzen Sets unwohl, weil wir uns selber schlecht hörten und nicht wussten, wie der Sound beim Publikum rüberkommt.

 

bm: Wie sehen die Zukunftspläne von HOWDY aus ?

RR: Weiterhin mit offenen Augen und mit offenem Herz durch die Szene zu gehen. Hart an uns und unserer Musik zu arbeiten. Kontakte schaffen und dem Publikum viel Freude mit unsern Auftritten zu bereiten.

 

bm: Ich bedanke mich für das Interview.