Interview mit Tracy Lawrence

© Februar 2008 / Bruno Michel; Fotos Daniela Mueller-Smit (2), Bruno Michel

 

Als 1991 sein Debut Sticks And Stones auf den Markt kam, war Tracy Lawrence gerade mal 23 Jahre alt. Ein freundlicher, einfacher Junge aus Texas, aufgewachsen in Arkansas. In jener Zeit einfach „noch ein Hat Act“.
Aber sein erstes Album brachte vier Top-10 Hits und katapultierte ihn auf die Titelseiten der Musik Magazine. Heute mit 40 kann er auf zahlreiche Auszeichnungen und jede Menge Hits zurück blicken.

BM: Tracy, nach deinem Debut Album 1991 bliebst du zehn Jahre lang bei Atlantic. Du kanntest die Leute und sie wussten, was du wolltest. Was war die grösste Veränderung nach deinem Wechsel zu einem neuen Label?
TL: Rick Blackburn, der damalige Atlantic Chef teilte mir an einem Donnerstag mit, dass Atlantic mit Warner Bros. fusionieren werde. Ich hätte die Woche darauf für Aufnahmen ins Studio gehen sollen. Also nutzte ich sein Angebot, zu Warner zu wechseln. Einige Atlantic Künstler gingen mit, andere nicht. Es war die Zeit als auch andere Tochterfirmen wie Giant oder Reprise in Warner Brothers integriert wurden. Also hatten die plötzlich so um die vierzig Künstler in ihrem Angebot. Ich fühlte mich da nie zu Hause, erhielt nicht die Aufmerksamkeit, die ich mir
wünschte und hatte in den Jahren, als ich dort war, keinen Erfolg. Also ging ich zu Dreamworks, deren Stil ich sehr mochte, aber auch die machten ihre Tore dicht.

BM: Du hast viele Hits zusammen mit Larry Boone und Paul Nelson jr. geschrieben. War das Zufall oder stimmt bei euch dreien einfach die Chemie?
TL: Absolut. Wir fingen ganz am Anfang meiner Karriere an, Songs zu schreiben und tun dies heute noch. So kamen viele Hits zustande und wir bilden auch heute noch ein ausgezeichnetes Team.

BM: Du hattest grosse Hits aber auch Songs, welche die Leute einfach mochten, ohne dass sie die Spitzen der Hitparaden erreichten. Würdest du eher einen Song schreiben, der hundert Jahre überdauert, oder einen, der sich hundert Millionen mal verkauft?
TL: (lacht) Klar einen, der sich hundert Millionen mal verkauft, wer wollte das nicht. Danach kann ich ja dann immer noch ein paar schreiben, die hundert Jahre überdauern.

BM: Du bist einer der grossen Texaner, die es in Nashville geschafft haben. Dann gibt es aber auch gestandene texanische Künstler, welche nie und nimmer nach Nashville gehen würden. Welchen Unterschied siehst du zwischen Nashville Country und der texanischen Country Music?
TL: Weisst du, es kommt eine Menge guter Musik aus Austin, aber sie ist ein wenig ungeschliffen. In Nashville machen wir Projekte in Top Qualität, mit ausgezeichneter Orchestrierung und hochstehenden Arrangements. Dazu haben wir supergute Studio Musiker. Ich sage nicht, dass die Country Music aus Texas schlechte Qualität hat, aber sie ist irgendwie nicht auf dem selben Level wie jene aus Nashville. Also ist es hart für texanische Künstler, sich
ausserhalb von Texas zu behaupten, da ihnen dort die Fan Basis fehlt.

BM: Ist das der Grund warum Texaner wie Pat Green und andere nach Nashville gehen?
TL: Ich weiss, dass dies bei Pat der entscheidende Grund war. Und es hat seine Fans in Texas teilweise verärgert, weil die das Gefühl hatten, er habe den Texas Sound verraten. Aber du musst dich entscheiden zwischen deiner Integrität als Künstler und der Möglichkeit,
gutes Geld zu verdienen. Wir lieben alle die kleinen Clubs mit wenigen, dafür aktiven Fans. Aber wenn du die Chance hast, Platin für ein Album zu erreichen und Geld zu verdienen, musst du dorthin, wo sich dies realisieren lässt. Speziell, wenn du Kinder hast. Ich selbst habe schon als Kind davon geträumt, in Nashville zu leben. Und heute kann ich sagen, dass es alles bietet, was ich mir je erträumt habe.

BM: Du sagtest mal, dass du dein eigenes Label (red. Rocky Comfort, 2006) gegründet hättest, weil du die Nase voll hattest, dauernd herumgereicht zu werden. Ist ein eigenes Label nicht auch eine Verantwortung, junge Künstler zu unterstützen, die anderswo nie einen Vertrag bekommen würden?
TL: Für mich hat das eigene Label viel Positives. So kann ich endlich in Europa touren. Ich habe immer Druck auf meine Bosse gemacht, dies tun zu können, stiess aber auf viel Gegendruck. Die sagten, ich würde meine Fanbasis in den USA vernachlässigen usw. Oder ich durfte nie ein Album mit meinen Tour Musikern aufnehmen. Jetzt kann ich es und auf dem nächsten Album werden die Meisten mitwirken. Es wird viel mehr nach uns klingen als die bisherigen Produktionen. Ich habe nun die Freiheit, das zu tun, was mir immer verwehrt wurde. Dabei bin ich Profi genug, die Qualität meiner künftigen Alben auf dem selben Stand zu halten. Was die Unterstützung anderer Künstler angeht, so werden wir einen bis zwei unter Vertrag nehmen. Mehr kann ich mir im Moment nicht leisten. Ich will keine Verträge abschliessen, nur um ein Talent „ins Gestell zu legen“, wie das manche Labels tun, damit kein anderer an ihre Talente ran kommt.
Wenn ich jemanden unter Vertrag nehme, will ich das Bestmögliche für seine Karriere tun.

BM: Du hast gelernt, was es heisst, die Fans während vier, fünf Sets auf der Tanzfläche zu halten, in dem du als Teenager in kleinen Clubs aufgetreten bist. Heutige Shows wie Nashville Star machen "Stars" über Nacht. Ist es dass, was du den jungen Talenten raten würdest: Lernt erst mal euren Job?
TL: Unbedingt. Und ich glaube, dass diese Talentshows die Qualität der Künstler, die aus Nashville kommen, beeinflussen. Es braucht mehr zum Star als nur eine gute Stimme. Du brauchst Charisma, Bühnenpräsenz, die Fähigkeit, gute Songs auszusuchen oder zu schreiben usw. Das ganze Paket muss stimmen. Die wenigsten haben dieses Paket und darum verschwinden sie auch wieder nach kurzer Zeit. Es braucht sehr viel, um in diesem Business zu bestehen.
BM: Aber sind des nicht gerade die Business Verantwortlichen, welche diese Shows, die es bald überall gibt, unterstützen und Teilnehmern
vorgaukeln, dies sei der Weg zum Erfolg?
TL: Die Leute träumen von einer grossen Karriere und machen alles, um ans Ziel zu kommen. Ich hätte vielleicht das selbe getan als ich anfing, aber da gab’s so was nicht. Der Markt ist so klein. Für jeden von uns, der es geschafft hat, gibt es Tausende, die es nie schaffen werden, trotz Talent.

BM: Wenn die Leute in 50 Jahren auf dein Leben zurückblicken, was wünschst du dir, dass sie über dich sagen?
TL: Ich hoffe, sie sagen, dass ich zu jederzeit sehr leidenschaftlich für meine Musik gelebt habe. Vom Anfang bis zum Ende. Meine Liebe galt immer der Musik und ich habe mein Leben darauf aufgebaut. Also hoffe ich, dass die Leute das einmal respektieren.

BM: Nimm an, du findest Aladin’s Wunderlampe. Welche drei Wünsche hast du an den Flaschengeist?
TL: (denkt nach) Ich wünsche meinen Kindern ein langes, gesundes und zufriedenes Leben. Dann wünsche ich meiner Frau und mir ein langes, gesundes, zufriedenes Leben (lacht). Eigentlich wünsche ich mir nichts finanzielles. Aber mein dritter Wunsch ist, dass es mir gelingt, meine Leidenschaft für die Musik beizubehalten.

BM: Vor einigen Jahren meintest du in einem Interview, dein Hauptziel sei es Anfangs gewesen, auf die Bühne zu gehen, und Musiker wie Publikum in Ekstase zu versetzen. Mittlerweile würdest du aber eher das Publikum entscheiden lassen, wie deine Show aussieht. Was können wir heute abend erwarten?
TL: Ich werde viele meiner bisherigen Hits präsentieren. Bevor wir herkamen, fragte ich einige Leute, was uns erwartet. Die meinten, dass die Fans hier viel tanzen. Also wird es viele Two-Steps und Waltzer geben, nicht zu viele Balladen am Stück, damit mir keiner einschläft. Wir liefern einfach eine gute Show ab.

BM: Wenn du Tracy Lawrence interviewen müsstest, welche Frage stellst du ihm, die ich nicht gestellt habe?
TL: Wow! (denkt nach). Vielleicht wo ich meine Karriere in zehn Jahren ab jetzt sehe. Ich möchte als sehr erfolgreiche Plattenfirma gelten, weiterhin auf Tournee gehen. Dann erfolgreiche Hit Alben produzieren und noch viele gute Hits schreiben. So sehe ich mich in zehn Jahren.

BM: Vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg für die Zukunft.
TL: Danke gleichfalls, Bruno