Interview mit Albert Lee

© February 2004 / Bruno Michel

 

Es sind zahllose Country- und Rock-Grössen, mit denen Albert Lee aufgetreten ist. Von Eric Clapton über die Everly Brothers und Emmylou Harris bis hin zu Joe Cocker ist alles vertreten, was Rang und Namen im Business hat. Zudem ist er als Session Musiker im Studio äusserst gefragt und auch auf Schweizer Produktionen, z.B. beim Walliser Paul McBonvin, zu hören.

 

bm: Albert, du und deine Jungs haben mit den Topshots im Musikbusiness auf der Bühne gestanden und viel erreicht. Was hält dich nach so vielen Jahrzehnten immer noch auf Trab?

AL: Die Hypotheken meiner Häuser (Gelächter von der Band). Ich habe meiner ersten Frau ein Haus gekauft und nun auch meiner zweiten.

 

bm: Wenn du zurück schaust auf deine Anfänge in den frühen 70ern, was hat sich seit der Zeit am Meisten verändert?
AL: Nun, ich muss heute mehr arbeiten für’s Geld. Ich spiele viel in Clubs und an kleineren Anlässen. Damals, mit Joe Cocker oder Emmylou Harris spielten wir die grossen Festivals. Danach folgte die Zeit mit Eric Clapton und das war wirklich Big Time. Für mich ging es in all den Jahrzehnten immer wieder mal rauf, mal runter.

 

bm: Liebst du eher die grossen oder die familiäreren, kleineren Auftritte?

AL: Musikalisch sicher die kleineren Anlässe. Aber klar, je grösser das Festival, an dem du auftreten kannst, desto grösser auch die Gage.

 

bm: Viele Fans erinnern sich wehmütig an die Zeiten der ehrlichen, gradlinigen Musik von Eric Clapton, Matchbox oder den Hollies. Heute gelten Marketing Gesetze mehr als die Musik. Welchen Rat gibst du jungen Künstlern, die sich profilieren wollen?

AL: Es ist echt hart geworden, alles scheint nur noch vom Geld beinflusst zu sein, dass du als Firma mit einer Produktion machen kannst. Dadurch erscheinen viele junge Künstler auf der Bühne, ohne dass sie ihr Handwerk wirklich erlernt haben. Klar, es gab auch schon früher Künstler, die einfach gut aussahen, aber nicht wirklich spielen konnten. Heute scheint es mir aber schlimmer zu sein. Schau dir mal die Musiksendungen im Fernsehen an. Die spielen ja kaum noch, die tanzen nur herum. Es stimmt mich traurig, dass die Jungen sich nicht mehr die Mühe nehmen, wirklich ein Instrument zu beherrschen. Es hängt wohl davon ab, ob einer „nur“ schnell ein Star werden will, oder ob er wirklich an der Musik interessiert ist.

 

bm: Jeder von euch hat unterschiedlich Karriere gemacht und in verschiedenen Musikrichtungen Erfolge gefeiert. Ist es da nicht schwierig, Songs für eine Show aus zu wählen?
AL: Eigentlich nicht, das ist bei uns ein ziemlich demokratischer Prozess. Wir machen zwar alle unterschiedliche Musik, aber es gibt auch viele Gemeinsamkeiten. Wir lieben alle die gut gespielte, ehrliche Musik, sei es Country oder Rock. Ich wähle viele der Songs aus, weil ich die meisten auch singe. Doch die Jungs bringen ihre Ideen auch ein.

 

bm: Wenn es etwas gibt, dass du in deiner Karriere anders machen könntest, was wäre das?
AL: Ich brauchte lange, um genügend Selbstvertrauen zu entwickeln. Ich war immer im Hintergrund und spielte Lead Gitarre. Es vergingen bestimmt zehn, fünfzehn Jahre, bis ich mir genügend zutraute, mehr im Vordergrund zu arbeiten und selber zu singen. Wenn du von Leuten wie Chris Farlowe umgeben bist, grossartige Sänger, dann siehst du deine Fähigkeiten in einem anderen Licht. Heute bin ich überzeugt, dass ich viel früher mit dem Singen hätte anfangen sollen.

 

bm: Du bist in vielen Ländern aufgetreten. Was geht dir durch den Kopf, wenn du von der Bühne herab auf ein Publikum schaust, das möglicherweise nur wenig Englisch versteht.

AL: Wir haben letztes Jahr zum ersten Mal in Prag gespielt. Das Publikum war einfach grossartig. Sie kannten die meisten Songs und haben voll mit gemacht. Ich denke, dass es durch die heutigen technischen Mittel für die Leute viel einfacher ist, sich zu informieren. Es gibt Satelliten-Fernsehen, Internet etc. Dadurch kennen sich die Fans viel beser mit dem aus, was in andern Ecken der Welt läuft. Die Grenzen verschwinden.

 

bm: Falls es überhaupt noch jemanden gibt: Mit wem würdest du gerne einmal auf der Bühne stehen?

AL: Oh, es gibt so viele grossartige Künstler auf dieser Welt. Ich hab schon einmal mit Little Richard in einer Jam Session gespielt, das würd’ ich gern noch mal tun. Aber über all die Jahre habe ich mit vielen meiner persönlichen Legenden gespielt, in so fern schätze ich mich sehr glücklich. Einen Wunsch in diesem Sinne habe ich momentan nicht.

 

bm: Hast du eine Vision, was Albert Lee mit seiner Band in fünf oder zehn Jahren macht?

AL: Nun, ich hoffe, wir können weiter so arbeiten wie bisher und hoffentlich können wir bald wieder an grösseren Anlässen spielen.

 

bm: Kannst du dich an die wildeste Nacht in deiner Karriere erinnern?
AL: Oh Mann, ich vergesse viel. Aber mit Clapton habe ich einige durchzechte Nächte verbracht. Auch mit vielen verrückten Jungs gearbeitet. Allerdings war ich immer der eher konservative Typ. Ich versuche, nicht zu viel zu trinken, was bei unserm Job eine ziemliche Herausforderung ist. Aber da gab es schon ein paar wilde Typen, mit denen wir rumgezogen sind. Aber an ein spezielles Erlebnis erinnere ich mich momentan nicht.

 

bm: Letzte Frage: Wenn du Albert Lee interviewen würdest, welche Frage stellst du ihm, die ich nicht gestellt habe? (Gelächter der Band, Pete Wingfield ruft: „Wie ist Eric Clapton“..)

AL: (lacht) Oh ja, alle fragen mich das laufend: Wie war Eric Clapton. Aber was würde ich mich fragen? Ich glaube, die meisten Leute kennen mich und meine Leistungen. Mir fällt eigentlich nichts ein, was den Leuten eine neue Perspektive über mich vermitteln würde.

 

bm: Herzlichen Dank, dass du dir trotz Stau und Verspätung für das Gespräch Zeit genommen hast.