bm:
Albert, du und deine Jungs haben mit den Topshots im
Musikbusiness auf der Bühne gestanden und viel erreicht. Was hält dich nach so
vielen Jahrzehnten immer noch auf Trab?
AL: Die Hypotheken meiner
Häuser (Gelächter von der Band). Ich habe meiner ersten Frau ein Haus gekauft
und nun auch meiner zweiten.
bm:
Wenn du zurück schaust auf deine Anfänge in den frühen 70ern, was hat sich seit
der Zeit am Meisten verändert?
AL: Nun, ich muss heute mehr arbeiten für’s Geld. Ich spiele viel in Clubs und an kleineren
Anlässen. Damals, mit Joe Cocker oder Emmylou Harris spielten wir die grossen
Festivals. Danach folgte die Zeit mit Eric Clapton und das war wirklich Big
Time. Für mich ging es in all den Jahrzehnten immer wieder mal rauf, mal
runter.
bm:
Liebst du eher die grossen oder die familiäreren, kleineren Auftritte?
AL: Musikalisch sicher
die kleineren Anlässe. Aber klar, je grösser das Festival, an dem du auftreten
kannst, desto grösser auch die Gage.
bm:
Viele Fans erinnern sich wehmütig an die Zeiten der ehrlichen, gradlinigen
Musik von Eric Clapton, Matchbox oder den Hollies.
Heute gelten Marketing Gesetze mehr als die Musik. Welchen Rat gibst du jungen
Künstlern, die sich profilieren wollen?
AL: Es ist echt hart
geworden, alles scheint nur noch vom Geld beinflusst
zu sein, dass du als Firma mit einer Produktion machen kannst. Dadurch
erscheinen viele junge Künstler auf der Bühne, ohne dass sie ihr Handwerk
wirklich erlernt haben. Klar, es gab auch schon früher Künstler, die einfach
gut aussahen, aber nicht wirklich spielen konnten. Heute scheint es mir aber
schlimmer zu sein. Schau dir mal die Musiksendungen im Fernsehen an. Die
spielen ja kaum noch, die tanzen nur herum. Es stimmt mich traurig, dass die
Jungen sich nicht mehr die Mühe nehmen, wirklich ein Instrument zu beherrschen.
Es hängt wohl davon ab, ob einer „nur“ schnell ein Star werden will, oder ob er
wirklich an der Musik interessiert ist.
bm:
Jeder von euch hat unterschiedlich Karriere gemacht und in verschiedenen
Musikrichtungen Erfolge gefeiert. Ist es da nicht schwierig, Songs für eine
Show aus zu wählen?
AL: Eigentlich nicht, das ist bei uns ein
ziemlich demokratischer Prozess. Wir machen zwar alle unterschiedliche Musik,
aber es gibt auch viele Gemeinsamkeiten. Wir lieben alle die gut gespielte,
ehrliche Musik, sei es Country oder Rock. Ich wähle viele der Songs aus, weil
ich die meisten auch singe. Doch die Jungs bringen ihre Ideen auch ein.
bm:
Wenn es etwas gibt, dass du in deiner Karriere anders machen könntest, was wäre
das?
AL: Ich brauchte lange, um genügend
Selbstvertrauen zu entwickeln. Ich war immer im Hintergrund und spielte Lead Gitarre. Es vergingen bestimmt zehn, fünfzehn Jahre,
bis ich mir genügend zutraute, mehr im Vordergrund zu arbeiten und selber zu
singen. Wenn du von Leuten wie Chris Farlowe umgeben
bist, grossartige Sänger, dann siehst du deine Fähigkeiten in einem anderen
Licht. Heute bin ich überzeugt, dass ich viel früher mit dem Singen hätte
anfangen sollen.
bm:
Du bist in vielen Ländern aufgetreten. Was geht dir durch den Kopf, wenn du von
der Bühne herab auf ein Publikum schaust, das möglicherweise nur wenig Englisch
versteht.
AL: Wir haben letztes
Jahr zum ersten Mal in Prag gespielt. Das Publikum war einfach grossartig. Sie
kannten die meisten Songs und haben voll mit gemacht. Ich denke, dass es durch
die heutigen technischen Mittel für die Leute viel einfacher ist, sich zu
informieren. Es gibt Satelliten-Fernsehen, Internet etc. Dadurch kennen sich
die Fans viel beser mit dem aus, was in andern Ecken
der Welt läuft. Die Grenzen verschwinden.
bm:
Falls es überhaupt noch jemanden gibt: Mit wem würdest du gerne einmal auf der
Bühne stehen?
AL: Oh, es gibt so viele
grossartige Künstler auf dieser Welt. Ich hab schon einmal mit Little Richard
in einer Jam Session gespielt, das würd’ ich gern noch mal tun. Aber über all die Jahre habe
ich mit vielen meiner persönlichen Legenden gespielt, in so fern schätze ich
mich sehr glücklich. Einen Wunsch in diesem Sinne habe ich momentan nicht.
bm:
Hast du eine Vision, was Albert Lee mit seiner Band in fünf oder zehn Jahren
macht?
AL: Nun, ich hoffe, wir
können weiter so arbeiten wie bisher und hoffentlich können wir bald wieder an
grösseren Anlässen spielen.
bm: Kannst du dich an die wildeste Nacht in deiner Karriere
erinnern?
AL: Oh Mann, ich vergesse
viel. Aber mit Clapton habe ich einige durchzechte Nächte verbracht. Auch mit
vielen verrückten Jungs gearbeitet. Allerdings war ich immer der eher
konservative Typ. Ich versuche, nicht zu viel zu trinken, was bei unserm Job
eine ziemliche Herausforderung ist. Aber da gab es schon ein paar wilde Typen,
mit denen wir rumgezogen sind. Aber an ein spezielles
Erlebnis erinnere ich mich momentan nicht.
bm:
Letzte Frage: Wenn du Albert Lee interviewen würdest, welche Frage stellst du
ihm, die ich nicht gestellt habe? (Gelächter der Band, Pete Wingfield
ruft: „Wie ist Eric Clapton“..)
AL: (lacht) Oh ja, alle
fragen mich das laufend: Wie war Eric Clapton. Aber was würde ich mich fragen?
Ich glaube, die meisten Leute kennen mich und meine Leistungen. Mir fällt
eigentlich nichts ein, was den Leuten eine neue Perspektive über mich
vermitteln würde.
bm:
Herzlichen Dank, dass du dir trotz Stau und Verspätung für das Gespräch Zeit
genommen hast.