Interview mit Albi Matter, Promoter International Country Music Festival Albisgütli

© December 2003 / Bruno Michel

 

1985 haben Albi Matter und George Tännler einen seit zwei Jahren bestehenden „Amateur“-Anlass übernommen und kontinuierlich professionell ausgebaut. Was im August mit einer Dauer von rund zwei Wochen begann, wurde auf den Februar verschoben und bald zum längsten Country Music Festival der Welt. Heute ist das Albisgütli Festival über die Landesgrenzen hinaus bekannt und mit seiner 100'000 Fr. Tombola, den vielen Medien Sponsoren und dem erfolgreichen American Brunch jeweils am Sonntag ein Markenzeichen in unserer Country Music Szene.

 

Nach 1997, 1998 und 2002 traf ich mich zum vierten Mal mit Promoter Albi Matter zu einem Interview. Im Verlauf des Gesprächs konfrontierte ich ihn mit einigen „alten“ Aussagen, um zu sehen, was von den damaligen Vorstellungen umgesetzt werden konnte.

 

bm: Albi, das kommende Festival läuft unter dem Motto: The Best of 20 Years. Was – ausser dem Budget – hat die Selektion der Künstler für dieses Programm bestimmt?

AM: Es ist eben trotzdem und vor allem eine Frage des Budgets. Natürlich hätten wir gerne die Dixie Chicks wieder ins Albisgütli gebracht. Die sind aber heute für uns unbezahlbar geworden. Ansonsten machen wir den Anlass nach wie vor für das Publikum. Was nützen mir Künstler, die uns, den Organisatoren, gefallen, welche aber das Publikum nicht schätzt.

 

bm: 1997 hast Du mir erzählt, dass Du mit George Tännler schon lange die Idee einer Super-Super Special Night hättest, Dir aber nicht sicher wärst, ob das Publikum bereit ist, CHF 80 für einen Act auszugeben. Damals kostete eine „normale“ Special Night CHF 25. Mittlerweile kosten sie zwischen CHF 35 und CHF 65 –. Sind das jetzt diese Super-Super Nights?

AM: Nein, ein Beispiel für einen solchen Event wäre ein Auftritt von Alan Jackson oder Willie Nelson, wobei hierzu die 80 Franken schon lange nicht mehr ausreichen würden. Auch dieses Jahr haben wir mit den Bellamy Brothers oder Rosanne Cash eigentlich Künstler, welche am obersten Rand unseres Budgets liegen. Die Idee ist noch nicht gestorben, aber das aktuelle wirtschaftliche Umfeld und die schwierige Sponsorensuche lassen momentan nicht mehr Spielraum.

 

bm: Apropos Sponsoren. Die, welche wir in den 90er Jahren am Festival sahen, sind meist ausgestiegen oder existieren nicht mehr. Welchen Aufwand betreibst Du, um immer wieder neue Sponsoren zu finden und wie können diese in einer wirtschaftlich schwierigen Zeit überzeugt werden, in den Anlass zu investieren?

AM: Die Sponsoren haben sich gegenüber früher ebenfalls verändert. Heute gehören auch Radio- und Fernsehspots dazu, um den Anlass breit abzustützen. Wir hatten auch dieses Jahr wieder Glück, aber der Aufwand ist extrem hoch. Trotzdem ist es gelungen, wiederum und als Beispiel, das aufwendige Programmheft gratis abgeben zu können. Ohne mein grosses Beziehungsnetz wäre die Sponsorensuche noch viel schwieriger.

 

bm: Wie haben sich eigentlich die Besucherzahlen in den letzten beiden Jahren entwickelt? Die Wirtschaftslage war – und ist – wie gesagt schwierig, und man hatte am einen oder andern Wochentag das Gefühl, dass es auch schon mehr Publikum hatte?

AM: Das Publikum ist heute irgendwie übersättigt und geht nur noch an ausgewählte Anlässe. Um wahrgenommen zu werden, muss man viel mehr in die Offensive gehen. Ich bin aber der Meinung, dass unsere Besucherzahlen, über das gesamte Festival gesehen, mehr oder weniger konstant sind. Zudem ist der Anlass heute breiter abgestützt als früher. Neben den reinen Country Music Freunden kommen immer mehr Leute ins Albisgütli, die sonst mit dieser Musik keinen engen Kontakt haben.

 

bm: Zur Auswahl Deiner Acts bist Du jahrelang an die SRO in Nashville gereist, um Dir ein Bild zu verschaffen. Diese Messe gibt es nicht mehr Welcher Anlass ist heute der Gradmesser für Deine Auswahl?

AM: Heute ist es einerseits die Fan Fair und andererseits sind es die Künstleragenturen, zu denen ich im Laufe der Jahre ebenfalls gute Kontakte entwickelt habe. Rosanne Cash wurde mir beispielsweise dieses Jahr von einer Blues-Agentur in Massachusetts vermittelt, deren Mitarbeiter ich beim AVO Bluesfestival, welches ich organisiert habe, kennen lernte.

bm: Das Albisgütli Publikum liebt traditionelle Country Acts und ehrliche Musik. Warum sind immer noch so wenige Musiker aus den alternativen Szenen in Texas oder Kalifornien am Festival zu finden?
AM: Wie bereits erwähnt, bringen wir das, was beim breiten Publikum ankommt. Das Risiko ist uns einfach zu hoch, mit unbekannten Namen einen Flop zu riskieren. An einem Abend, wo Du Auftritte von vier, fünf Bands hast, kannst Du eher mal einen unbekannten Namen einbauen. Wir haben pro Tag aber eine, höchstens zwei Bands, die wir dem Publikum vorstellen.

bm: Bleiben wir mal in Texas. Künstler wie Bruce Robison mit Ehefrau Kelly Willis oder Bruder Charlie Robison, Ehemann eines der Dixie Chicks, wären bestimmt Garanten für volle Säle. Auch Larry Joe Taylor, Gary P. Nunn oder Pat Green würden hier sicher gut ankommen. Wann kommen solche, für die Schweiz neue Acts?

AM: Moment. Wir sind schon Risiken eingegangen, wie beispielsweise mit Mustang Sally. Aber wir wollten vor allem für das 20-Jahre Jubiläum wirklich und im Rahmen unseres Budgets das bringen, was in der Vergangenheit beim Publikum angekommen ist.

 

bm: Ist Deine Idee eines American Music Festivals noch ein Thema? Was ist aus dem 13er Country-Tram oder dem 100er Club geworden? Alles Ideen, welche Du vor einigen Jahren für das zwanzigste Festival im Kopf hattest.

AM: Wir haben uns entschieden, dass wir vorläufig mit dem Country Music Festival weiter fahren. Die Tramgeschichte haben wir abklären lassen. Für einen Monat wäre ein sehr hoher Betrag fällig geworden, den wir lieber in Musiker und in unsere Doppel-CD investiert haben, welche am Festival zu kaufen sein wird. Der 100er Club ist nach wie vor pendent, es gab einfach andere Prioritäten. Wenn ein solches Projekt kommt, dann muss es wasserdicht sein.

 

bm: Was hat sich in Deiner Arbeit fürs Festival geändert, wenn Du die späten 80er Jahre mit heute vergleichst?

AM: Früher konntest Du zwanzig Plakate aufhängen und die Leute kamen – um es mal vereinfacht auszudrücken. Heute ist ein Mega Anlass daraus geworden. Ich habe wie gesagt ein grosses Netzwerk an Kontakten und muss täglich erreichbar sein. Auch das Marketing Budget erreicht heute Dimensionen, die früher undenkbar waren. Ich renne permanent dem Werbematerial der Bands hinterher, um nur ein Beispiel zu nennen. Auch während des Festivals sind 16- oder 17-Stunden Arbeitstage die Regel.

 

bm: Was macht Albi Matter in Zukunft? Nochmals 20 Jahre Country Music Festival?

AM: Ich arbeite an einem neuen Projekt: Bücher über die wichtigsten Schweizer Städte. Ich bin ja von Beruf Buchdrucker. Es ist eine Idee, die mir schon lange im Kopf herum ging. Die ersten Bücher werden unter anderem die Städte Zürich, Luzern und Bern abdecken. Diese Buchreihe, bei der ich als Ideenlieferant und Verleger wirke, ist so etwas wie meine Altersversorgung. Betrefffend dem Festival glaube ich, dass der Anlass bestehen bleibt, ich kann aber noch nicht sagen, wie lange ich das noch selber machen werde. Es hängt auch von der Publikumsreaktion ab. Die nächsten Festivals bin ich sicher noch dabei.

bm: Wenn Du Albi Matter interviewen würdest, welche Frage stellst Du ihm, die ich nicht gestellt habe?
AM: Warum muss die Abwicklung des Anlasses so kompliziert sein?

bm: Und die Antwort?

AM: Es ist ein derartiger Aufwand, dass es wohl auf die einfache Weise einfach nicht mehr geht. Glücklicherweise habe ich die Disziplin und die Energie, all diese verschiedenen Elemente zu einem Ganzen zusammen zu führen. Wie Du weißt, war ich schon nahe dran, aufzugeben. Wenn ich aber am Ende sehe, dass der Anlass ein Erfolg war, gibt mir das wieder die Kraft, es erneut anzupacken.

 

bm: Besten Dank für dieses Gespräch und auf ein erfolgreiches 20. Internationales Country Festival im Schützenhaus Albisgütli.