Wer kennt ihn nicht, den typischen VOX Orgelsound auf Hits wie "Mendocino" oder "Nuevo Laredo" (Sir Douglas Quintet) oder "Just Can't Fake It" (Texas Tornados). Der Mann hinter diesem Instrument ist der legendäre August (Augie) Meyers aus San Antonio, TX.
Als der Beatles- und Stones-Sound in Europa noch nicht mal geboren war, begann Augie gegen Ende der 50er Jahre in Texas mit seinem Jugendfreund Douglas Wayne (Doug) Sahm, der leider 1999 verstarb, zusammen zu arbeiten.
In den rund fünfzig Jahren, welche seither verstrichen sind, hat Augie Meyers mehr als 60 Solo- oder Band-Projekte veröffentlicht und spielte in verschiedenen Filmen und Fernseh-Serien mit. Obschon er am 31. Mai 2012 seinen 72. Geburtstag feiern konnte, ist er alles andere als im Ruhestand.
Bruno Michel: Augie, als Kind konntest du nicht laufen. Also setzten dich deine Grosseltern an ein Piano, banden deine Füsse am Stuhl fest, und so hast du spielen gelernt. Heute bist du eine lebende Legende. Hättest du dir damals vorgestellt, irgendwann so weit zu kommen mit deiner Musik?
Augie Meyers: Niemals. Mir war einfach langweilig. Wir lebten auf dem Land ohne Elektrizität oder fliessendes Wasser. Meine Grossmutter kochte auf einem Ofen mit Holzfeuerung. Wenn mein Grossvater auf den Feldern arbeitete, brachten sie mich jeweils zu Leuten in der Nähe. Die hatten ein Klavier. Sie setzten mich auf den Stuhl, banden die Beine fest, damit ich nicht runter fiel, gaben mir einen Krug Wasser ein paar Cookies oder ein Sandwich. Ich konnte keine Noten lesen und habe alles übers Gehör gelernt.
Was wäre Augie Meyers heute beruflich, wenn er nicht Musiker wäre?
Nichts (lacht).
Speedy Sparks (Bassist): Autoverkäufer. Du verkaufst doch alles an jeden
Augie Meyers: Stimmt, ich würde einem Eskimo auch Eis verkaufen. Oder einen Kühlschrank.
Du wurdest kürzlich 72 Jahre alt, bist nach über 50 Jahren im Geschäft immer noch äusserst aktiv. Wo nimmst du bloss tagtäglich die Energie her?
(denkt nach). Ich muss einfach weiter machen. Wenn ich's nicht mache, wer dann? Immer weiter voran, ist mein Motto. Ich habe nie viel vom Leben erwartet, bin aber dankbar, für alles, was es mir gegeben hat. Das nehme ich an und renne wie der Teufel, damit es mir keiner weg nimmt.
Du bist mit der Musik von Jimmy Reed aufgewachsen, der später dein Freund wurde. Wer hat dich sonst noch musikalisch beeinflusst?
Oh, ich liebte diesen Mann, Jimmy Reed. Ein grossartiger Mensch. Andere waren Lefty Frizzell oder Fats Domino. Und natürlich meine Freunde Doug Sahm, Freddy Fender und Flaco Jimenez.
Du hast eine schöne Angewohnheit. Immer, wenn einer deiner Freunde stirbt, kaufst du ein Instrument und lernst darauf einen Song, der dem/der Verstorbenen viel bedeutet hat. Ist das jedesmal so?
Nun, ich habe viele Freunde, die bereits verstorben sind. Bei jedem mache ich das nicht, aber bei vielen. Vor allem, bei denen, die musikalisch aktiv waren. Als Freddy (Red.: Fender, 2006) starb, kaufte ich ein Baby Grand Piano. Als uns Doug (Red.: Sahm, 1999) verliess, kaufte ich eine Gitarre. Immerhin waren das zwei meiner engsten Freunde. Dann lerne ich einen Song auf dem entsprechenden Instrument, der eine besondere Bedeutung für den Verstorbenen hatte, und ehre sie so auf meine persönliche Weise.
Auch ohne Doug Sahm und Freddy Fender sind die Texas Tornados äusserst aktiv und erfolgreich. "Esta Bueno" kam 2010 heraus, ein grossartiges Album. Deine letzten Solo-Projekte waren die Alben "Country" und "Trippin' Out On Triplets", eine Blues Scheibe. Was kann man von den Tornados oder von dir Neues erwarten?
Die Tornados werden wohl nächstes Jahr eine neues Projekt veröffentlichen. Auch Flaco arbeitet an einem Album. Ich selber werde hoffentlich im Frühling ein weiteres Country Album und vor allem ein Polka Album auf den Markt bringen. Das ist unser Job, wir arbeiten immer an irgendwelchem neuen Material.
"Garcia's Mexican Food" in San Antonio war das Lieblingsrestaurant von Doug und dir. Gehst du auch ohne Doug ab und zu noch dahin essen?
Ich war gerade letzte Woche dort. Wenn immer möglich, besuche ich das Restaurant wöchentlich oder mindestens zwei Mal pro Monat - wenn ich zu Hause bin.
Dein Vater war Deutscher. Gibt es irgend eine Charaktereigenschaft von Augie Meyers, die du als typisch deutsch bezeichnen würdest?
Nein, nicht wirklich. Stimmt schon. mein Vater war Deutscher und meine Mutter war Polin. Also bezeichnete ich mich immer als durstig wie ein Deutscher und hungrig wie ein Pole. Bis ich neun Jahre alt war, sprach ich sogar Polnisch. Das war die Umgangssprache meiner Grosseltern, bei denen ich viel Zeit verbrachte.
Kannst du die beiden Sprachen noch?
Nun, ich kann immer noch "Guten Tag", Auf Wiedersehen" oder "Fahr zur Hölle" auf Polnisch. So die wichtigsten Phrasen (lacht). Aber wenn du eine Sprache nicht pflegst, verlierst du den Wortschatz. Meine Mutter sprach ebenfalls eine Weile Polnisch mit mir. Mein Vater war mehrsprachig, das setzte sein Job voraus. Er konnte Spanisch, Italienisch, Deutsch, Englisch und entweder Chinesisch oder Japanisch, das weiss ich nicht mehr so genau. Auf Deutsch kriege ich immer noch "Danke schön" oder "Gesundheit" hin...
...oder "Ein Bier bitte".... (Gelächter). Siehst du einen Unterschied zwischen dem amerikanischen und dem europäischen Publikum?
Die europäischen Fans sind echte Diskografen. Da kommt einer und fragt mich, wie's Wayne geht. Ich sage: "Wer ist Wayne". Und er meint: "Dein Schlagzeuger". Da sage ich: "Den hab ich seit 45 Jahren nicht mehr gesehen". Die Europäer kennen jeden einzelnen Musiker, mit dem du mal zusammen warst. Bei den Amerikanern ist das nicht so. Die kommen heute an eines deiner Konzerte und morgen gehen sie woanders hin. Klar gibt es auch hier treue Fans. Kürzlich sagte mir einer, er sei seit 1990 Tornados Fan und käme an fast alle Konzerte. Oder dann jene, die uns in den 60ern und frühen 70ern mit dem Sir Douglas Quintet folgten.
Wenn du ein Interview mit Augie Meyers führen würdest, welche Frage stellst du ihm, die ich nicht gestellt habe?
Was ist deine Lieblingsfarbe (lacht). Ich habe keine Ahnung. Aber lass mich dir eine Frage stellen: Wenn du einen Wunsch frei hättest, was wäre das?
Nun, vermutlich gute Gesundheit für meine Frau, meine Familie und für mich.
Meiner wäre, dass all meine andern Wünsche in Erfüllung gehen (Gelächter).
Ein guter Schluss. Herzlichen Dank für das Gespräch