Interview mit Mustang Sally

© February 2001 / Bruno Michel

 

Die Auftrittsreferenzen der sechs Ladies lesen sich wie ein Who Is Who der Country Music. Sie sind schon mit John Anderson, Bryan White oder Confederate Railroad aufgetreten. Die Auftrittsorte, von kleinen Musikclubs bis hin zu Arenen oder dem MGM Grand Casino in Las Vegas, umfassen alle Grössenordnungen von Publikum.


Vor etwas mehr als vier Jahren stellte Schlagzeugerin Lisa Romeo (LR) Band zusammen, um an der All Female Jam Night in Nashville’s Hall of Fame Lounge aufzutreten. Mustang Sally war geboren. Anfangs wurden die Girls gebucht, weil es hip war, eine Ladiesband zu buchen, doch das Können der Sechs und ihre Show brachten ihnen umgehend Folgebuchungen ein.

 

Eine in USA geborene Italienerin, vier Amerikanerinnen und eine Lady aus Neuseeland haben ganz unterschiedliche musikalische Geschichten. Am internationalsten ist dabei wohl diejenige von Keyboarderin Becky Priest (BP). Sie spielte bei drei Welttourneen mit Trisha Yearwood. Leadsängerin Buffy Lawson (BL) stammt aus Kentucky und hat in Jay Leno’s Tonight Show schon ein Duett mit Neil Diamond gesungen. Gitarristin Lynne Campbell (LC) war in Neuseeland mit Eric Clapton unterwegs und hatte mit ihrer Band eine goldene Schallplatte. Bassistin Debbie Johnson (DJ) singt seit sie sechzehn war, und Multiinstrumentalistin Renaé Truéx (RT) komplettiert die Band mit Saxophone, Fiddle, Gitarre und andern Instrumenten.

 

bm: Ladies, wie unterscheidet Ihr Euch von den andern All Female Bands, abgesehen davon, dass Ihr zu sechst seid?

BP: Es gibt nicht all zu viele reine Frauenbands in den Staaten. Die bekanntesten sind die Dixie Chicks. Aber wir sind eben doppelt so viele, also auch doppelt so viel Power.

DJ: Aber ernsthaft. Wir sind die Band. Wir brauchen keine weiteren Musiker mehr zu verpflichten, um auftreten zu können. In dieser Form gibt es nicht viel vergleichbares.

 

bm: Sechs unterschiedliche Karrieren, Meinungen und Denkweisen. Wie bringt Ihr das alles unter einen Hut?

LR: Nun, eine von uns trifft die Entscheidungen, alle andern machen mit (Gelächter).

 

bm: Was geht ab, wenn Ihr trotzdem mal nicht einer Meinung seid?

LR: Natürlich geht es nicht, wie ich eben scherzhaft gesagt habe. Wir treffen uns regelmässig zu Besprechungen. Jede hat Ihren Job. Becky ist zum Beispiel unser Music Director. Sie stellt unsere Planung zusammen. Gemeinsam entscheiden wir mit dem Management, welche Gigs wir annehmen und welche nicht. Es braucht aber auch Kompromissbereitschaft und gegenseitigen Respekt.

 

bm: Gibt es die Band in dieser Formation bereits seit 1996, dem Jahr des ersten Auftritts in der Hall of Fame Lounge?

LR: Oh nein, es gab viele Änderungen. Wir hatten zahlreiche Lead Sängerinnen, weil....

BP: ...wir sie alle so schnell verschleissen... (Gelächter)...

LR: ...nein, aber wir haben neue Talente gesucht und gefunden, stets bestrebt, unsere eigene Identität weiter zu entwickeln. Zum Beispiel als Renaé zu uns kam, suchten wir eine vielseitige Instrumentalistin. Sie spielt einfach alles, sogar auf Küchengeräten, wenn’s sein muss...

RT: Ja, ich bin der Klempner in unserer Band.

 

bm: Wie würdet Ihr Eure Musik jemandem beschreiben, der Euch noch nie gehört hat?

BL: Ehrlich. Ich denke unsere Musik ist einfach ehrlich, mit Ecken und Kanten, nicht zu modern mit einem Touch von Blues.

LR: Buffy bringt viel eigenes Material in die Band. Das gibt den persönlichen Touch. Wir spielen auch Coversongs, speziell hier in Europa auf unserer folgenden Tour für die US Militärs. Songs, welche die Leute wieder erkennen und die sie einfach hören wollen. Aber wir arbeiten für unseren Plattenvertrag an viel eigenem Material.

 

bm: Nach welchen Kriterien stellt Ihr Euer Repertoire zusammen?

BL: Als Songwriter schreibe ich nicht aus Marketingaspekten oder um den Vorstellungen der Plattenindustrie zu entsprechen. Wenn ich vorher „ehrlich“ gesagt habe, meine ich, dass wir gute, aufrichtige Melodien und Texte bringen, mit denen sich die Leute identifizieren können.

DJ: Wenn ich einen Song höre, kann ich sofort sagen, ob er von Buffy geschrieben wurde. Sie hat – wie alle guen Songschreiber – das Talent, ihre Ideen und Gefühle so in Worte und Musik zu kleiden, dass die Zuhörer berührt werden.

 

bm: Garth Brooks sagte einmal, dass ein Song eine Drei-Minuten-Gelegenheit sei, dem Publikum eine Message rüber zu bringen. Was ist Eure Message?

LR: Wir wollen Spass haben, aber auch ernst genommen werden – aber nicht zu ernst. Wir wollen auch rüber bringen, dass man es als Frau schaffen kann, als Team von Frauen, gemeinsam Erfolg zu haben. Jede von uns möchte als Inspiration für die jungen Girls im Publikum gesehen werden. Als wir im Oktober und November auf Tour mit Bryan White waren, kamen viele Mädchen und sagten: „Ich wünschte, so Gitarre oder Schlagzeug zu spielen, wie ihr“...

RT: ...Quatsch, niemand sagte was von Schlagzeug (Gelächter)...

LR: ...stimmt, alle wollen nur Gitarre spielen. Aber uns ist der positive Einfluss wichtig, den wir so ausüben können.

 

bm: Ihr habt bereits mit zahllosen Superstars auf einer Bühne gestanden. Gibt es einen Traumauftritt für Euch, jemanden, mit dem ein gemeinsamer Auftritt das absolute Highlight wäre?

BL: Dolly...

RT: ...ich hätte nichts gegen Elton John...

LR: ...es gibt so viele. Wir haben das Glück, mit vielen Stars auf der Bühne zu stehen. Das grösste ist sicherlich unsere Tour mit George Jones. Aber wir sehen jeden dieser Auftritte als Gelegenheit, uns zu verbessern, uns einem grösseren Publikum vorstellen zu können.

 

bm: Wieviele Auftritte absolviert Ihr pro Jahr und was bedeutet das viele Reisen für Euer privates Umfeld?

LR: Wir haben etwa 250 Auftritte pro Jahr.

DJ: Privatleben? Was ist das?

LR: Es ist harte Arbeit. Von selbst fällt Dir nichts in den Schoss.

BL: Jeder in dieser Band mit einer festen Beziehung – und das sind alle ausser einer – hat diese Beziehung mit jemandem aus der Musikbranche. Diese Leute können einfach besser nachvollziehen, was es heisst, fast das ganze Jahr über auf Tour zu sein. Sie können es eher respektieren, als Leute, die nicht in diesem Umfeld tätig sind. Wir versuchen, unsere Männer und Freunde so oft wie möglich mitzunehmen. Und wenn sie nicht dabei sind, vermissen wir sie. Oh wie wir sie vermissen – aber unsere Haustiere vermissen wir ganz besonders (Gelächter).

BP: Es ist schon schwierig. Ich habe zwei Kinder, die ich natürlich sehr vermisse. Aber Du machst  Zugeständnisse wie in jedem Beruf.

BL: Ich will niemanden so werden lassen, wie ich. Ich muss jetzt mal sagen, dass ich kein gutes Vorbild bin (Gelächter).

 

bm: Woran liegt es Eurer Meinung nach, dass die Country Music Verkäufe seit 1998 rückläufig sind?

BL: Aus der Kunst ist ein Marketinggeschäft geworden. Die Leute fühlen sich zu sicher, gehen einfach die Wege, die Erfolg versprechen, anstatt sich von ihren Gefühlen zu den Songs leiten zu lassen. Das Geschäft wird durch die Progammdirektoren der Radios bestimmt. Wer gespielt wird, verkauft, wer nicht gespielt wird, verliert. Man spielt nicht, was die Leute hören wollen, die Seele der Country Music ist verloren gegangen. Wenn das so weitergeht, verdient das Business die sinkenden Verkaufszahlen.

 

bm: Wenn Ihr ein Interview mit Mustang Sally führen würdet, welche Frage stellt Ihr der Band, die ich nicht gestellt habe?

RT: Kommt Ihr alle miteinander aus...(Gelächter). Diese blöde Frage wird uns immer wieder gestellt. Man sieht doch wohl, wie wir auskommen.

 

bm: Aber welche Frage stellt Ihr Euch selber?

LR: Vielleicht: Wie kam es zu dem Bandnamen. Wir spielten in einem Club. Jemand fragte nach unserem Bandnamen. Wir hatten uns da noch keine Gedanken darüber gemacht. Da wir gerade den Song Mustang Sally gespielt hatten, nannte ich aus einer Eingebung heraus diesen Namen. Und er blieb hängen.

 

bm: Ich wünsche Euch weiterhin viel Erfolg und bedanke mich für das Interview.