Interview mit Mustang Sally
Die
Auftrittsreferenzen der sechs Ladies lesen sich wie ein Who
Is Who der Country Music.
Sie sind schon mit John Anderson, Bryan White oder Confederate
Railroad aufgetreten. Die Auftrittsorte, von kleinen
Musikclubs bis hin zu Arenen oder dem MGM Grand Casino in Las Vegas, umfassen
alle Grössenordnungen von Publikum.
Vor etwas mehr als vier Jahren stellte Schlagzeugerin Lisa Romeo (LR) Band
zusammen, um an der All Female Jam
Night in Nashville’s Hall of Fame
Lounge aufzutreten. Mustang Sally war geboren. Anfangs wurden die Girls
gebucht, weil es hip war, eine Ladiesband zu buchen,
doch das Können der Sechs und ihre Show brachten ihnen umgehend Folgebuchungen
ein.
Eine in USA geborene
Italienerin, vier Amerikanerinnen und eine Lady aus Neuseeland haben ganz
unterschiedliche musikalische Geschichten. Am internationalsten ist dabei wohl
diejenige von Keyboarderin Becky Priest (BP). Sie
spielte bei drei Welttourneen mit Trisha Yearwood. Leadsängerin Buffy
Lawson (BL) stammt aus Kentucky und hat in Jay Leno’s
Tonight Show schon ein Duett mit Neil Diamond
gesungen. Gitarristin Lynne Campbell (LC) war in
Neuseeland mit Eric Clapton unterwegs und hatte mit ihrer Band eine goldene
Schallplatte. Bassistin Debbie Johnson (DJ) singt seit sie sechzehn war, und
Multiinstrumentalistin Renaé Truéx
(RT) komplettiert die Band mit Saxophone, Fiddle,
Gitarre und andern Instrumenten.
bm: Ladies, wie unterscheidet
Ihr Euch von den andern All Female Bands, abgesehen
davon, dass Ihr zu sechst seid?
BP: Es gibt nicht all zu viele
reine Frauenbands in den Staaten. Die bekanntesten sind die Dixie
Chicks. Aber wir sind eben doppelt so viele, also auch doppelt so viel Power.
DJ: Aber ernsthaft. Wir sind die
Band. Wir brauchen keine weiteren Musiker mehr zu verpflichten, um auftreten zu
können. In dieser Form gibt es nicht viel vergleichbares.
bm: Sechs unterschiedliche
Karrieren, Meinungen und Denkweisen. Wie bringt Ihr das alles unter einen Hut?
LR: Nun, eine von uns trifft die
Entscheidungen, alle andern machen mit (Gelächter).
bm: Was geht ab, wenn Ihr
trotzdem mal nicht einer Meinung seid?
LR: Natürlich geht es nicht, wie
ich eben scherzhaft gesagt habe. Wir treffen uns regelmässig zu Besprechungen.
Jede hat Ihren Job. Becky ist zum Beispiel unser
Music Director. Sie stellt unsere Planung zusammen.
Gemeinsam entscheiden wir mit dem Management, welche Gigs wir annehmen und
welche nicht. Es braucht aber auch Kompromissbereitschaft und gegenseitigen
Respekt.
bm: Gibt es die Band in dieser
Formation bereits seit 1996, dem Jahr des ersten Auftritts in der Hall of Fame Lounge?
LR: Oh nein, es gab viele
Änderungen. Wir hatten zahlreiche Lead Sängerinnen,
weil....
BP: ...wir sie alle so schnell
verschleissen... (Gelächter)...
LR: ...nein, aber wir haben neue
Talente gesucht und gefunden, stets bestrebt, unsere eigene Identität weiter zu
entwickeln. Zum Beispiel als Renaé zu uns kam,
suchten wir eine vielseitige Instrumentalistin. Sie spielt einfach alles, sogar
auf Küchengeräten, wenn’s sein muss...
RT: Ja, ich bin der Klempner in
unserer Band.
bm: Wie würdet Ihr Eure Musik
jemandem beschreiben, der Euch noch nie gehört hat?
BL: Ehrlich. Ich denke unsere
Musik ist einfach ehrlich, mit Ecken und Kanten, nicht zu modern mit einem
Touch von Blues.
LR: Buffy
bringt viel eigenes Material in die Band. Das gibt den persönlichen Touch. Wir
spielen auch Coversongs, speziell hier in Europa auf unserer folgenden Tour für
die US Militärs. Songs, welche die Leute wieder erkennen und die sie einfach
hören wollen. Aber wir arbeiten für unseren Plattenvertrag an viel eigenem
Material.
bm: Nach welchen Kriterien
stellt Ihr Euer Repertoire zusammen?
BL: Als Songwriter
schreibe ich nicht aus Marketingaspekten oder um den Vorstellungen der
Plattenindustrie zu entsprechen. Wenn ich vorher „ehrlich“ gesagt habe, meine
ich, dass wir gute, aufrichtige Melodien und Texte bringen, mit denen sich die
Leute identifizieren können.
DJ: Wenn ich einen Song höre,
kann ich sofort sagen, ob er von Buffy geschrieben
wurde. Sie hat – wie alle guen Songschreiber – das
Talent, ihre Ideen und Gefühle so in Worte und Musik zu kleiden, dass die
Zuhörer berührt werden.
bm: Garth Brooks sagte einmal,
dass ein Song eine Drei-Minuten-Gelegenheit sei, dem Publikum eine Message rüber zu bringen. Was ist Eure Message?
LR: Wir wollen Spass haben, aber
auch ernst genommen werden – aber nicht zu ernst. Wir wollen auch rüber
bringen, dass man es als Frau schaffen kann, als Team von Frauen, gemeinsam
Erfolg zu haben. Jede von uns möchte als Inspiration für die jungen Girls im
Publikum gesehen werden. Als wir im Oktober und November auf Tour mit Bryan
White waren, kamen viele Mädchen und sagten: „Ich wünschte, so Gitarre oder
Schlagzeug zu spielen, wie ihr“...
RT: ...Quatsch, niemand sagte
was von Schlagzeug (Gelächter)...
LR: ...stimmt, alle wollen nur
Gitarre spielen. Aber uns ist der positive Einfluss wichtig, den wir so ausüben
können.
bm: Ihr habt bereits mit
zahllosen Superstars auf einer Bühne gestanden. Gibt es einen Traumauftritt für
Euch, jemanden, mit dem ein gemeinsamer Auftritt das absolute Highlight wäre?
BL: Dolly...
RT: ...ich hätte nichts gegen
Elton John...
LR: ...es gibt so viele. Wir
haben das Glück, mit vielen Stars auf der Bühne zu stehen. Das grösste ist
sicherlich unsere Tour mit George Jones. Aber wir sehen jeden dieser Auftritte
als Gelegenheit, uns zu verbessern, uns einem grösseren Publikum vorstellen zu
können.
bm: Wieviele
Auftritte absolviert Ihr pro Jahr und was bedeutet das viele Reisen für Euer
privates Umfeld?
LR: Wir haben etwa 250 Auftritte
pro Jahr.
DJ: Privatleben? Was ist das?
LR: Es ist harte Arbeit. Von
selbst fällt Dir nichts in den Schoss.
BL: Jeder in dieser Band mit
einer festen Beziehung – und das sind alle ausser einer – hat diese Beziehung
mit jemandem aus der Musikbranche. Diese Leute können einfach besser
nachvollziehen, was es heisst, fast das ganze Jahr über auf Tour zu sein. Sie
können es eher respektieren, als Leute, die nicht in diesem Umfeld tätig sind.
Wir versuchen, unsere Männer und Freunde so oft wie möglich mitzunehmen. Und
wenn sie nicht dabei sind, vermissen wir sie. Oh wie wir sie vermissen – aber
unsere Haustiere vermissen wir ganz besonders (Gelächter).
BP: Es ist schon schwierig. Ich
habe zwei Kinder, die ich natürlich sehr vermisse. Aber Du machst Zugeständnisse wie in jedem Beruf.
BL: Ich will niemanden so werden
lassen, wie ich. Ich muss jetzt mal sagen, dass ich kein gutes Vorbild bin
(Gelächter).
bm: Woran liegt es Eurer Meinung
nach, dass die Country Music Verkäufe seit 1998 rückläufig sind?
BL: Aus der Kunst ist ein
Marketinggeschäft geworden. Die Leute fühlen sich zu sicher, gehen einfach die
Wege, die Erfolg versprechen, anstatt sich von ihren Gefühlen zu den Songs
leiten zu lassen. Das Geschäft wird durch die Progammdirektoren
der Radios bestimmt. Wer gespielt wird, verkauft, wer nicht gespielt wird,
verliert. Man spielt nicht, was die Leute hören wollen, die Seele der Country
Music ist verloren gegangen. Wenn das so weitergeht, verdient das Business die
sinkenden Verkaufszahlen.
bm: Wenn Ihr ein Interview mit
Mustang Sally führen würdet, welche Frage stellt Ihr der Band, die ich nicht
gestellt habe?
RT: Kommt Ihr alle miteinander
aus...(Gelächter). Diese blöde Frage wird uns immer wieder gestellt. Man sieht
doch wohl, wie wir auskommen.
bm: Aber welche Frage stellt Ihr
Euch selber?
LR: Vielleicht: Wie kam es zu
dem Bandnamen. Wir spielten in einem Club. Jemand fragte nach unserem
Bandnamen. Wir hatten uns da noch keine Gedanken darüber gemacht. Da wir gerade
den Song Mustang Sally gespielt hatten, nannte ich aus einer Eingebung heraus
diesen Namen. Und er blieb hängen.
bm: Ich wünsche Euch weiterhin
viel Erfolg und bedanke mich für das Interview.