Interview mit Gary P. Nunn, Salado, TX, 2012

© December 2012 / Bruno Michel

 

Für viele Texas Musiker ist er das Vorbild schlechthin. Als 6.-Klässler zog Gary Phillip Nunn mit seinen Eltern von Oklahoma nach West Texas. In Brownfield, rund 60 Kilometer südwestlich von Lubbock, fanden sie ihr neues Zuhause. Der junge Gary P. war ein ausgezeichneter Sportler und Musterschüler. Aber in seinem Innern kochte bereits das Musikerblut. 1967 ging er nach Austin um Pharmazeutik zu studieren und kam musikalisch mit Leuten wie Rusty Wier, Michael Martin Murphey oder Jerry Jeff Walker in Kontakt. Anfang der 70er Jahre war er ein wichtiger Bestandteil der Cosmic Cowboys, und später der Lost Gonzo Band. 1980 startete Gary P. seine Solokarriere. Er ist der offizielle Texas Music Ambassador, ernannt von Gouverneur Rick Perry und hat vielen, heute erfolgreichen Künstlern zu ihrer Karriere verholfen. Die Country Music Szene in Texas wäre ohne Gary P. Nunn nicht nur anders, sondern auch kaum vorstellbar.

Bruno Michel: Gary, du bist Musiker, Produzent, Besitzer einer Publishing Firma, Liedermacher und Familienvater. Etwas viel für einen 24-Stunden Tag. Woher nimmst du die Energie, dies alles unter einem Hut zu halten?
Gary P. Nunn: Normalerweise passiert ja nicht alles gleichzeitig. Ich fokussiere jeweils auf das wichtigste Projekt und arbeite daran, dieses zu erledigen, bevor die nächste Aufgabe ansteht. Wir nehmen es locker und  versuchen, nicht allzu viel unserer Zeit zu verplanen. Nice and Easy ist unser Motto.

Du hast vielen, heute bekannten, Künstlern geholfen, ihre Karriere zu etablieren. Vor allem durch dein Terlingua North Chili Cook Off Festival in den 80er Jahren. Einige davon haben es bis nach Nashville geschafft, zum Beispiel Pat Green. Was würdest du ändern, damit der Fokus im Musikgeschäft wieder vermehrt auf der Musik liegt?
(Ruth, Garys Frau lacht im Hintergrund, Gary schmunzelt). Das war mehr ein Projekt von meiner Frau als von mir. Aber zu deiner Frage: Wir stehen alle unter dem Druck der Kommerzialisierung. Manchmal ist das frustrierend, weil es scheint, dass einigen Leuten vieles wichtiger ist, als die Musik. Natürlich ist es reizvoll, den aktuellen Trends zu folgen, anstatt der inneren Überzeugung. Nicht für mich. Mein Rat ist daher: Stellt die Musik wieder in den Mittelpunkt.

Du hast in einem Interview mal erwähnt, dass von all den Auszeichnungen, die du erhalten hast, deine Mitgliedschaft in der Texas Music Hall of Fame die für dich wichtigste sei. Gibt es irgendetwas, dass du in deiner Karriere noch erreichen möchtest?
Absolut. Es gibt noch so vieles, was ich erreichen möchte. Da sind viele Songs, die nicht veröffentlicht wurden. Auch möchte ich wieder vermehrt international Konzerte geben. Wir waren in letzter Zeit vor allem in Texas und Umgebung unterwegs. Ich würde wirklich gerne mal wieder in Europa oder auch in Asien spielen. (Red.: wir verstehen dies als Hinweis an die Veranstalter, welche Leser von CountryStyle sind).

Lange Nächte und Parties gehören zum Musikgeschäft, nicht nur in der Country Szene. Hast du als ausgebildeter Apotheker ein spezielles Rezept gegen den morgendlichen Kater?
(lacht). Das Rezept heisst, hänge nicht herum bis zum Morgengrauen und trinke nicht zu viel. Abgesehen davon habe ich kein spezielles Rezept.

Deine Eltern waren beide Lehrer, somit hast du sicher auch viele Ratschläge erhalten. Was war der für dich wichtigste Rat, den du jemals von jemandem bekommen hast?
Gute Frage (denkt nach). Mir sagte ein guter Bekannter einmal: Mach deine Sache gut, bleibe fokussiert und lass dich von all dem Mist um dich herum nicht ablenken. Daran erinnere ich mich immer wieder und lebe danach.

Man kann sicher behaupten, dass du "Miles And Miles Of Texas" und auch sonst von der Welt gesehen hast. Gibt es noch eine Traum-Destination, wo du gerne mal auftreten würdest?
Australien wäre toll. Ich habe die Australier immer als Texaner mit englischem Akzent bezeichnet (lacht).

Früher hast du Bass gespielt, dann, als du deine Solo-Karriere gestartet hast, Gitarre, und natürlich bist du ein Meister des Pianos. Würdest du dich als instrumentales Naturtalent bezeichnen?
Ich denke schon, dass es mir irgendwie im Blut liegt. Ein Instrument zu lernen, war für mich immer ziemlich einfach. Darum war ich früher auch etwas zu bequem, das Ganze "richtig" zu lernen und mein Spiel durch viel Übung zu perfektionieren. In den letzten Jahren bringe ich diesbezüglich mehr Disziplin auf. Früher habe ich meist einfach drauf los gespielt und gesungen. Die Gitarre war für mich etwas schwieriger, da ich in meiner linken Hand manchmal zu wenig Gefühl in den Fingern habe.

Einige Leute dachten, dass wir dieses Jahr nach dem 21. Dezember die Welt neu definieren müssten...
...(lacht) Genau, ein kompletter Neustart....

... offenbar ist das nicht passiert, da wir hier sitzen und uns unterhalten. Was wären die drei wichtigsten Dinge, die Gary P. Nunn für einen Neustart mitnehmen würde?
Natürlich meine Frau, meine Familie und...(denkt nach)... eine Gitarre und ein gutes Pferd (lacht).

Du hast durch deine Schweizer Ehefrau Ruth den so genannten Schweizer Lebensstil kennen gelernt. Wie hat dieses "Schweizerische" Denken und Handeln deinen texanischen Lebensstil beeinflusst?
Ich konnte viel von dem Schweizer Lifestyle meiner Frau profitieren, und damit meine ich nicht nur das gute Essen (lacht).  Ich esse nicht mehr so viele Chicken Fried Steaks und Hamburger wie früher. Umgekehrt denke ich, dass unser Texas Lifestyle etwas mehr relaxed und weniger strukturiert ist, wovon der Schweizer wiederum profitieren kann. Aber ich bin trotzdem froh, dass sie mich in gewisse Bahnen lenkt und die vielen Aufgaben professionell managed. Dafür bin ich sehr dankbar.

Letzte Frage: Wenn du Gary P. Nunn interviewen würdest, welche Frage stellst du ihm, die ich nicht gestellt habe?
Wow, keine Ahnung... vielleicht: Warum machst du überhaupt, was du machst?

Und die Antwort?
Ich bin immer dem Weg des geringsten Widerstands gefolgt, habe nie geplant, so weit im Musikgeschäft zu kommen. Aber immer, wenn wir einen Auftritt beendet hatten, folgte der nächste. Meine Eltern haben mein Talent schon erkannt. Sie sagten aber nie: Mach eine Musiker-Karriere. Es ist irgendwie interessant, wie sich alles entwickelt hat. Nun gut, ich habe auch nie jemandem gesagt, er solle keine Auftritte mehr buchen (lacht). Ich nahm die Dinge einfach, wie sie sie kamen.

Vielen Dank für das Gespräch.