Interview mit Rolf Raggenbass und Toni Vescoli

© April 2000 / Bruno Michel

 

In den USA sprengt die Country Music mit ihren Variationen schon lange die Grenzen des eigenen und anderer Music-Genres. Nun hat sich dieses Phänomen auch bei uns eingestellt. Als Country Musiker Rolf Raggenbass zum ersten Mal mit Volksmusik-Papst Carlo Brunner über die Idee einer „völlig anderen“ CD-Produktion fachsimpelte, brauchte es nicht viel, um das Feuer für ein neues Projekt zu entfachen: Ethno-Country-Rock, was für eine explosive Bezeichnung!

 

Rolf ging mit seiner Country Heart Band (Ueli Gasser, Silvio Fantauzzi, Erich Hunkeler und Helmut Schöni) ins Pink Studio nach Österreich, wo die Titel unter der Regie des versierten Tontechnikers Günter Slatinski eingespielt wurden.

 

Toni Vescoli, als Mundart Songwriter und Urgestein der Schweizer Musikszene bekannt, konnte sich im Nu dafür begeistern, die  Mundarttexte für die Ethno-Country-Rock CD zu liefern. Zudem ist Toni Vescoli auch als Duett Partner mit dabei.

 

In einer zweiten Session in den Pink Studios gingen dann Carlo Brunner und sein virtuoser Akkordeonist Martin Nauer, sowie der Hackbrett Akrobat Walter Alder ans Werk. Die Wirkung von Klarinette, Hackbrett und Akkordeon auf einer in  Mundart gesungenen Country-Produktion ist einzigartig.

 

Nun fehlten allerdings noch Background Vocals. Mit Susan Orus, die ihr „Stimmwerk“ im Liverpool Institute of Performing Arts vervollständigte, wurde eine gute Wahl getroffen.

 

Trotz intensivster Arbeiten für die bevorstehende Promo-Tour (Daten siehe News im Mai-Newsletter) nahmen sich Rolf Raggenbass (RR), Toni Vescoli (TV) und das umtriebige Raggenbass-Manager-Paar Renate (RS) und Freddy Steffen (FS) von SteffenMusic Zeit, sich mit mir über dieses Projekt zu unterhalten.

 

bm: Die Country Welt hat ja schon viel gesehen, aber Eure Ethno-Country-Rock Produktion ist wohl einzigartig. Was bewegt Euch zu glauben, dass so ein Mix erfolgversprechend ist?

TV: Glauben wir das?
RR: Nein, wir wissen das. Weil das Werk drei Stilrichtungen, die in sich eigenständig sind, vereint.Dazu Texte in Mundart, der Sprache, die jeder versteht.

TV: Es ist gar nicht so sehr daneben, wie mancher denken mag. Country und Rock sind nahe beisammen, Folklore und Country ebenfalls. Oder nimm Folklore und Rock. Den Mix von zwei Stilen gibt es also schon. Interessant ist nun die Kombination aller drei.

 

bm: Rolf hatte mir dieses Projekt ja bereits vor langer Zeit angekündigt, ohne allerdings damals konkret zu werden. Nun ist ein Zusammentreffen von Fans dreier verschiedener Stilrichtungen vorprogrammiert. War es Eure Absicht, den Dialog unter den Lagern zu fördern oder hofft Ihr einfach auf einen grösseren kommerziellen Erfolg, weil „für jeden etwas“ dabei ist?

TV: Sicherheit gibt es diesbezüglich nie. Der Markt ist nicht abschätzbar. Man kann etwas machen, wovon man selber überzeugt ist. Wie es sich anschliessend verkauft ist Schicksal.

RR: Sicher setzt man gewisse Hoffnungen in das Projekt, sonst würde man es nicht machen.

 

bm: Kann es sein, das Ihr die leidige Schubladisierung der Musikstile damit etwas „aufweichen“ wollt?
TV: Das mach ich seit eh und je. Früher war ich allein auf weiter Flur mit meiner Einstellung, heute gibt es viel aufgeschlossenere Musiker und Fans.

RR: Wenn wir durch unsere gemeinsamen Auftritte und diese Produktion gewisse Grenzen abbauen können, dann ist das toll.

 

bm: Die wichtigsten Arbeiten sind abgeschlossen. Was war das grösste Erfolgserlebnis während der Projektrealisierung?
TV: Hatten wir schon eines? (Gelächter)

RS: Es haben uns Leute unterstützt, von denen wir das nie erwartet hätten.

RR: Für mich immer gab es immer wieder neue. Das erste Highlight war, dass Toni mitgemacht und die ganzen Texte geliefert hat. Zudem hat mich als Coach im Studio begleitet und hart rangenommen. Oder gestern, als wir erstmals einen Song in der Band einstudierten, worin jeder Sänger in seinem eigenen Dialekt eine Strophe beiträgt.

Und vielleicht das wichtigste Highlight für mich war, zwei Duette mit Toni zu singen. Was wenige wissen ist, dass ich bereits früher mal vier Jahre in Toni’s Band Vescoli & Co. mitgespielt habe. Für mich war es sehr motivierend, gemeinsam mit ihm zu singen.

TV: Mir machten die Übersetzungen Spass. Ich versuche, möglichst genau an die Aussagen des Authors heranzukommen, übernehme wenn möglich sogar das Versmass und die Silbenverteilung. Das ist zwar nicht immer möglich, aber es soll das Ziel sein. Eine Melodie mit einem völlig themenfremden Text zu versehen mag ich nicht.

 

bm: Und was war das frustrierendste Ereignis?

RR: Während einer Produktion gibt es immer wieder kleinere Ärgernisse. Aber festhalten soll man sich am positiven.

TV: Frust eigentlich nicht. Im Gegenteil. Wir hatten viel Spass.

RS: Manchmal waren die Tage mit 24 Stunden etwas zu kurz.

 

bm: Wie wird diese Produktion vertrieben, welche Kanäle habt Ihr neben dem Verkauf an Auftritten geplant?

RR: Die Scheibe wird von Grüezi Schallplatten AG, Carlo Brunners Firma, vertrieben.
TV: Carlo hat ja auch als Interpret mitgewirkt. Und seine Beiträge machen das Projekt sehr originell.

 

bm: Werden die Songs dieser CD in die jeweiligen Bühnenprogramme der drei Künstler einfliessen, plant Ihr sogar nach dieser Tour weitere gemeinsame Auftritte oder war das eine einmalige Sache?

TV: Ich bin offen für solche Ideen. Wenn das Publikum es wünscht und alle Zeit haben, kann ich mir weitere gemeinsame Auftritte durchaus vorstellen. Ich will aber erst mal abwarten, bis Rolfs Werk im Verkauf ist und die ersten Vorstellungen durch sind.

bm: Das ist ein wichtiger Punkt. Die ganze Produktion ist eine CD von Rolf Raggenbass unter Mitwirkung von Toni Vescoli und Carlo Brunner und verschiedenen Musikern.

 

bm: Wenn Ihr die ganze Sache noch einmal planen und umsetzen müsstet, was würde anders laufen?

TV: Ich hätte gerne mehr Zeit gehabt, zum Beispiel für die Titelauswahl. Auch die Zusammenarbeit mit Rolf hätte noch intensiver sein können, bei mir im Studio und danach. Es ist sehr schwer, Dialektlieder zu singen. Die meisten haben in der Schule letztmals diese Sprache in Liedern verwendet und das Risiko besteht, dass man diesen Schulstubenmief übernimmt. Da muss man hart an sich arbeiten, um solche Songs richtig und lebendig ans Publikum zu vermitteln.

RR: Ich wollte andererseits mit der Umsetzung meiner Idee nicht zu lange warten. Wenn möglich wäre sie noch anderweitig entstanden und realisiert worden. Das Projekt zeigt meinen momentanen Stand auf. Ich bin sicher, dass ich in einem Jahr vieles wieder besser oder anders singen werde. Aber der Mensch soll sich ja weiter entwickeln.

 

bm: Toni sagte, dass er gerne mehr Zeit zur Songauswahl gehabt hätte. Wie kam es überhaupt zur Auswahl der aktuellen Lieder?

RR: Ich hatte eine ganze Palette von Songs. Zusammen mit Carlo haben wir das dann aussortiert. Ein paar Cover-Nummern wollten wir auch mit dabei haben.

TV: Durch die Übersetzung der Texte in Mundart wurden natürlich auch die englischsprachigen Songs, welche einst für Rolf geschrieben wurden, zum Beispiel von John Brack und Max Stenz, zu Covernummern.

 

bm: Toni war schon immer für Neues aufgeschlossen und hat sich im Laufe der Jahrzehnte auch immer wieder anders präsentiert, blieb aber für seine Fans immer Toni Vescoli. Wie verhält sich das mit Rolf Raggenbass? Dein „Publikums-Image“ ist ja doch etwas „eingleisiger“.

RR: Ja, ich bin auch in einer dieser Schubladen. Aber es wird an den Leuten liegen, ob sie meine Fans bleiben wollen oder diese Richtung nicht mehr gut finden.

TV: Die Frage wird sein, ob Rolfs Fans den Dialektgesang akzeptieren. Stilistisch ist dieses Projekt nicht weit weg von dem, was Rolf sonst macht. Ich habe das teilweise selber erlebt. Allerdings habe ich mich mittlerweile durchgesetzt und die Leute akzeptieren die Sprache, in der ich gerade singe.

FS: Da gibt es das „berühmte“ Beispiel eines Fans, der sich beklagte, als Rolf einen Titel in Mundart präsentierte, weil derjenige den Titel in Englisch besser fand. Im Gespräch stellte sich dann heraus, dass die betreffende Person eigentlich kein Wort Englisch verstand.

TV: Ich glaube allerdings, dass heute die Zeit für Mundartsongs reifer ist als auch schon. Wichtig ist, dass es gute Musik ist.

 

bm: Gab es bereits Reaktionen von Musikerkollegen auf dieses Projekt?

RR: Bisher nur von meiner Band. Meine Leute sind sehr kritisch, aber die Reaktionen waren ausserordentlich positiv.

 

bm: Was wünscht Ihr Euch vom Publikum während dieser Präsentations-Tournee?

RR: Ich denke, man wird vielleicht eher zuhören, weil man die Texte versteht. Einen der Songs haben wir kürzlich im Kentucky Saloon in Pratteln anlässlich eines Auftritts mit John Brack gespielt. Ich konnte drei Lieder hintereinander spielen und habe sie nicht angesagt. Das erste Englisch, dann Mundart, dann wieder Englisch. Wir durften feststellen, dass der Lärmpegel während des zweiten Stücks bedeutend tiefer war. Das hat mich sehr motiviert.

TV: Da wird es immer unterschiedliche Situationen geben. Es kommt auch auf die eigene Stimmung an. Manchmal, wenn mir die Leute wie gebannt zuhören, habe ich das Gefühl, dass bei jedem Instrumentenwechsel ein Vakuum entsteht. Ein anderes Mal wirst Du in einer kleinen Clubathmosphäre kaum zur Kenntnis genommen, weil alle sich lautstark unterhalten. Das kann dann, je nach der Stimmung, in der Du selbst bist, recht hart sein.

 

bm: Welche Frage würdet Ihr Euch in einem Interview zu dieser CD-Präsentation gerne noch selber stellen?

RR: Eigentlich keine Frage sondern eine Feststellung. Nämlich den Grund zu nennen, warum Carlo Brunner an diesem Interview nicht dabei ist. Er hat momentan mit seiner 30-Jahre-Jubiläums Tour so viel zu tun, dass es ihm nicht möglich war zu kommen. Ich möchte aber diese Gelegenheit trotzdem nutzen, und ihm für die geleistete Arbeit herzlich danken.

 

bm: Vielen Dank für das Gespräch und vor allem viel Erfolg.