Zwei erstklassige Texas-Songwriter
Seit rund 15 Jahren sind Owen Temple (OT) und Adam Carroll (AC) feste Bestandteile der texanischen Songwriter Szene. Im Lauf der Zeit haben sie viele Gemeinsamkeiten entdeckt. Beide schreiben neben sozialkritischen und lebensnahen auch humorvolle Lieder. Der Produzent ihrer Erstlingswerke 1997 (Temple) und 1999 (Carroll) war der legendäre Produzent Lloyd Maines (Vater des Ex-Dixie Chicks Natalie). Der gemeinsame Sinn für Humor auf der Bühne kommt bei den Fans gleichermassen gut an. Folglich haben sie sich entschieden, rund einmal pro Monat gemeinsam aufzutreten. Bei einem dieser Auftritte habe ich im Cactus Cafe auf dem Gelände der Texas University of Austin mit den beiden gesprochen.
BM: Owen, du hast 1997 mit 'General Store' dein erstes Album veröffentlicht und bei dir, Adam, war es 'South Of Town' zwei Jahre später. Was war nebst eurem gemeinsamen Produzenten der grösste Faktor für euren Erfolg?
AC: Nochmals Lloyd Maines. Er war auch nach der Produktion immer für uns da. Er half, mein Netzwerk zu erweitern, kennt enorm viele Leute und dank ihm öffneten sich für mich viele Türen, welche ich selber nicht mal gefunden hätte. Vor allem, wenn du wie ich aus der Gegend von Dallas kommst und die Austin Szene nicht gut kennst.
BM: Owen, du nickst die ganze Zeit, also bist du mit Adams Beurteilung einverstanden?
OT: Absolut. Lloyd hat unsere CDs an jede Menge Leute verschickt, und die Tatsache, dass er als Produzent erwähnt war, liess die Radiostationen aufhorchen und sie spielten unsere Musik. Auch heute können wir ihn noch jederzeit anrufen und um Rat fragen.
BM: Ihr habt mit so ziemlich allen Grössen der Texas Music gespielt oder sie haben eure Songs aufgenommen. Gibt es noch Wunschpartner, mit denen ihr gemeinsam ein Projekt machen würdet?
AC: Wir hatten wirklich viel Glück. Ich glaube, ich bin als Sänger noch nicht soweit, dass ich einen Wunschpartner erfolgreich anfragen könnte. Ich konzentriere mich mehr darauf, Lieder zu schreiben.
OT: Ich hatte viel Spass mit Jamie Wilson von den Trishas zu singen. Eine weibliche Stimme bringt immer Abwechslung in einen Song. Zudem hatten wir Spass bei der Sache. Wir haben, wie du siehst, nicht wirkliche Wunschpartner, sondern sind zufrieden mit dem, was wir gegenwärtig machen dürfen.
BM: Was ist der Unterschied zwischen meinen Gesprächspartnern Adam Carroll und Owen Temple hier und euch beiden auf der Bühne?
OT: Vielleicht sind wir auf der Bühne ein bisschen extrovertierter, verrückter, als im täglichen Leben.
AC: Wir unterhalten uns laufend über Leute. Kennst du den Typen oder hast du den schon gehört. Das Leben liefert uns Geschichten, welche wir dann auf der Bühne wieder erzählen, einfach in Liederform verpackt.
BM: Ihr kennt beide auch die Szene in Nashville. Wodurch unterscheidet sie sich eurer Meinung nach von der Texas Music Szene?
AC: Es gibt gute Songwriter in Nashville und schlechte in Texas. Und umgekehrt. In Texas hast du etwas mehr Freiheiten, wie du einen Song bringen kannst. Es ist nicht so vordefiniert, was geht und was nicht. Hier kannst du sicher eher deinen Lebensunterhalt mit unserer Art von Musik verdienen.
OT: Guter Punkt, Adam. Zudem kannst auch mal ein Wah-Wah Pedal in eine Steel-Guitar Passage einbauen oder ein Song wird in Texas von den Radios auch gespielt, wenn er nicht ganz astreine Textpassagen enthält. Da bist du in Nashville etwas limitierter.
BM: Ihr seid beide erfolgreiche Liedermacher. Welchen Rat gebt ihr einem talentierten Newcomer, der sich in der Szene etablieren will?
AC: Oh Mann, schwierige Frage. Ich würde raten, ein offenes Ohr und ein offenes Herz zu haben, für alles, was dir begegnet. Daraus kannst du offene und ehrliche Lieder schmieden. Treffe viele Leute und lass dich inspirieren, bleibe aber, wie du bist. Versuche nicht, zu imitieren.
OT: Schreibe so viel du kannst und nutze jede Gelegenheit für einen Auftritt. Das formt dich im Laufe der Zeit. Ein Lied ist immer eine Konversation mit deinem Publikum. Nimm die Leute mit auf eine Reise.
BM: Was sollen die Leute in fünfzig Jahren über euch sagen? Oder besser in siebzig, weil ihr seid ja noch relativ jung?
AC: Ich hoffe, in siebzig Jahren haben sie vergessen, was ich alles angestellt habe (Gelächter). Im Ernst, ich möchte, dass sich die Leute an mich erinnern als jemanden, der seine Musik und sein Publikum geliebt hat. Nimm Levon Helm als Beispiel, der vor ein paar Tagen verstorben ist. Er hatte eine Art, die Leute in seinen Bann zu ziehen. Viele haben ihn nicht persönlich gekannt, auch ich nicht. Aber die Reaktionen auf seinen Tod kamen aus der ganzen Welt. Ich werde sicher nie seinen Status erreichen, aber so in der Art erinnert zu werden, wäre mein Ziel.
OT: Wenn ich Lieder schreibe, hoffe ich, dass diese sich zu einer Art Archiv entwickeln, worin die Leute in der Zukunft suchen und sich vorstellen können, wie es damals war.
BM: Warum müssen sich Altstars wie Merle Haggard oder George Jones heute auf Indie Labels konzentrieren, damit ihre Musik überhaupt noch vertrieben wird? Warum trennen sich die grossen Plattenfirmen von diesen, ehemals so erfolgreichen Legenden?
AC: Ich glaube, diese Stars fühlen sich bei diesen kleinen Labels wohler und können dort die Musik machen, die sie wollen.
OT: Merle muss sich von keinem 35-jährigen Produzenten sagen lassen, wie er seine Musik machen soll. Der sagt: 'Get out of my way' und geht zu einem Label, wo er sein Ding durchziehen kann.
BM: Welche drei Dinge würdet ihr auf einer einsamen Insel nicht missen wollen?
AC: Wir und viele Musiker haben einen gemeinsamen Fan südlich von Dallas, der eine riesige Sammlung von Schallplatten hat. Er bringt allen, die er trifft auch diese Musik näher. Also nehme ich seine Sammlung mit...
OT: ...und sein Haus und natürlich ihn selber (Gelächter). Dann noch Gitarre, Capo (Clip für Saitenverkürzung, Red.) und das reicht.
BM: Was wäre der Titel eurer Autobiografie?
OT: The Modern Explorer .
AC: An Unfinished Lunch (Gelächter). Dann kaufen es die Leute sicher, weil sie wissen wollen, was das sein soll.
BM: Wenn ihr Owen Temple und Adam Carroll interviewen würdet, welche Frage stellt ihr, die ich nicht gestellt habe?
AC: Woher nimmst du die Energie, immer weiter zu schreiben. Manchmal ist es schwierig, aber ein fertiges Werk entschädigt dann für alle Strapazen.
OT: Wie archivierst du all deine Ideen, damit du sie, wenn nötig, erneut abrufen kannst? Ich habe eine Art Ordner System mit Eingang, Pendent, In Arbeit, etc.
BM: Vielen Dank für das Gespräch.