Interview mit Wildfire

© March 2004 / Bruno Michel

 

Auf das Gespräch mit Phil Leadbetter (PL),  Robert Hale (RH), Darrell Webb (DW), Curt Chapman (CC) und Barry Crabtree (BC) freute ich mich, weil ein Interview mit einer Band meist mehr Überraschungen verspricht. Leider war Gitarrero Robert verhindert. Er wurde aber würdig vertreten durch das italienische Multitalent Massimo Gatti (MG), der letztes Jahr im Vorprogramm von Rhonda Vincent im Albisgüetli zu sehen war.

 

bm: Viele von Euch haben früher in andern Bands gespielt. Wie schwierig war es, die „Marke“ Wildfire zu etablieren?

CC: Überhaupt nicht schwierig. Es kam wie von selbst. Wir fünf passen einfach hervorragend zusammen.

 

bm: Heute Bluegrass zu spielen heisst, sich eher zu ehrlicher, gradliniger Musik zu bekennen, als zu kommerziellem Erfolg. Wie kommt es, dass Bluegrass in letzter Zeit in breiten Kreisen eine Art Wiederauferstehung erfährt?

PL: Sicher waren der Film O Brother Where Art Thou oder Leute wie Alison Krauss eine Art Türöffner. Es gibt wieder mehr Bluegrass Bands in der Grand Ole Opry. Die Zeiten, als unsere Musik mit Auftritten in Scheunen assoziiert wurde, sind vorbei. Die Leute, welche sich heute Bluegrass Alben kaufen, stammen aus allen möglichen Schichten. Die Musik gewinnt an Breite.

 

bm: Rhonda Vincent hat mir letztes Jahr stolz erzählt, sie habe gerade die 50’000er Verkaufs Grenze mit ihrem aktuellen Album überschritten. Dies sei ein Riesenerfolg für ein Bluegrass Album. Ist das heute noch so, trotz des erneut gestiegenen Interesses?

CC: Ich glaube, das ist immer noch eine tolle Zahl.

 

bm: Wie wählt ihr eure Songs für eine Show oder ein Album aus? Sind euch die Worte oder die Musik wichtiger?

DW: Es ist eine Kombination von beidem. Wir schreiben viel selbst, nehmen aber auch Songs anderer Künstler auf. Älteres Country Material interessiert uns ebenso, wie Bluegrass Titel. Wir versuchen, eine grosse Bandbreite von Songs zu spielen, so dass für jeden Geschmack etwas dabei ist.

 

bm: Fast alle von Euch kennen Europa und haben schon auf dem alten Kontinent gespielt. Wo seht ihr die grösste Differenz gegenüber dem heimischen Publikum?`

BC: Ich kann dir diese Frage morgen beantworten. Ich war noch nie in Europa (Gelächter).

PL: Das Publikum hier schätzt unsere Musik mehr als Zuhause. Da kannst du jedes Wochenende zu irgend einem Bluegrass Konzert fahren. Die Besetzung der Konzerte ist fantastisch, aber die Leute haben eine so grosse Auswahl, dass sie vielleicht die Musik weniger schätzen als ihr. Dies ist mein vierter Besuch und ich bin jedes Mal erstaunt, wie grossartig das Publikum ist. Sie lassen uns wissen, dass sie uns mögen und kaufen unsere CDs.

BC: Wir legen viel Energie in unsere Musik und spielen grundsätzlich so, wie wir das von Kindesbeinen an gelernt haben, mit viel Freude und Spass an der Sache. Zu Hause sind die Leute es gewohnt, laufend solche Bands sehen zu können.

PL: Die Gegenden, aus denen wir stammen, ist Bluegrass Land schlecht hin. Curt und Barry stammen aus Kentucky, der Gegend von Bill Monroe. Darrell und Robert kommen aus West Virginia. Bei uns klingt Bluegrass anders, als wenn du weiter westlich oder östlich ziehst.

CC: Die nächste Frage muss Massimo beantworten, egal was kommt (Gelächter).

PL: Klar. Übrigens, schreib bitte, dass Massimo nur diese Woche für unseren Gitarristen Robert Hale einspringt. Sonst meinen die Leser, wir hätten eine Umbesetzung vorgenommen. Wir spielen seit unserer Gründung mit den selben Musikern.

 

bm: Zu Hause versteht aber euer Publikum jedes Wort, dass ihr singt. Wie geht ihr an ein Publikum heran, dass möglicherweise die Texte nicht so ganz versteht?

CC: Es ist das Gefühl, die Emotionen der Songs. Das verstehen die Leute überall auf der Welt.

PL: Was mich immer erstaunt in Europa: Die Leute mögen unsere Sprache nicht sprechen, aber sie kennen die Songs und die Texte. Als wenn sie es auswendig gelernt hätten. Curt und ich waren an einem Anlass, wo eine russische Band Bluegrass spielte. Keiner konnte auch nur ein Wort Englisch. Aber sie sangen die Lieder, die sie gelernt hatten, mit sehr viel Gefühl.

 

bm: Wo seht ihr Wildfire heute in fünf oder zehn Jahren?

BC: Hoffentlich als einen der Top Acts in unserer Musikrichtung. Wir haben bereits unseren eigenen Stil entwickelt, kopieren niemanden. Also möchten wir es bis dahin geschafft haben.

 

bm: Wenn ihr auf eure individuellen Karrieren zurück blickt, gibt es da etwas, was ihr heute anders machen würdet?

CC: Nicht das geringste. Ausser dass ich heute mit mehr Geld anfangen könnte.

BC: Doch, du hast mit Rock and Roll angefangen. Dies solltest du nächstes Mal lassen (Gelächter).

PL: Ich kann mir auch nichts vorstellen.

BC: Hey, wir müssen nicht in einer Fabrik arbeiten oder sonst in einem Job, der keinen Spass macht. Wir machen das, was wir am liebsten tun und kriegen auch noch Geld dafür. Was gäbe es daran zu ändern. Wir haben sehr viel Glück. Klar ist der Job nicht einfach. Oft von zu Hause weg, Reisen, laufend andere Orte. Der spassigste Teil sind die 45 Minuten auf der Bühne, und das entschädigt für alles.

PL: Viele machen Musik als Hobby und sehen deshalb unser Leben als einfach und lustig an. Wir leben davon. Das ist unsere Karrierre, unser Job und letztlich müssen wir unsere Familien davon ernähren. Wir können es uns nicht leisten, eine Woche zu spielen und danach eine Woche auszuruhen.

BC: Wir spielen zwar nicht jeden Tag, aber es gibt immer was tun. Songs schreiben, üben, Auftritte buchen, Papierkram, irgend was ist immer los.

MG: Ich habe in Europa angefangen zu spielen. Es war schwierig. Aber durch konstantes Lernen kann ich heute mit solch grossartigen Jungs wie diesen hier spielen.

 

bm: Stichwort Lernen. Warum lernen die jungen Leute heute nicht mehr ihr Handwerk, bevor sie auftreten.

BC: Viele Leute behaupten, sie hätten aufgrund der Musik von Flatt & Scruggs oder Doyle Lawson angefangen. Aber in Wirklichkeit musst du nicht nur deren Musik hören, du musst die verschiedenen Stile lernen.

PL: Ein Vorteil von Bluegrass ist, dass du alt werden kannst, ohne dass sie dich rauswerfen. Ralph Stanley ist momentan angesagter denn je. Aber hört man noch was von Leuten wie George Jones aus der Country Ecke? Die Country Szene ist viel härter zu alternden Stars. Wenn die Zahlen nicht mehr stimmen, bist du raus. Bei uns ist es einfacher. Heute findest Du Alison Krauss immer noch in der Bluegrass Ecke im Plattenladen. Aber weil die Leute Alison kaufen, stolpern sie auch über andere Bluegrasser und beginnen, sich dafür zu interessieren (Anm. wir diskutieren einige Zeit über die verschiedenen Country Acts, die heute Bluegrass Elemente einbringen).

 

bm: Wenn ihr mit einem eurer Idole auftreten könntet, wer wäre das?

PL: Ich durfte mit allen, die ich verehre, schon auf der Bühne stehen. Ich bin sicher, die andern sehen das ähnlich. Wir lebten glücklicherweise alle in der Zeit, als unsere Idole noch aktiv waren. (Anm. es folgt eine sehr lange Liste von Namen und Auftritten mit anderen Künstlern).

 

bm: Wenn ihr Wildfire interviewen müsstet, welche Frage stellt ihr, die ich nicht gestellt habe?

DW: Warum hat unser Dobrospieler noch kein Haarteil (Gelächter).

BC: Wir wüssten viele, aber keine, die du straffrei abdrucken könntest.

PL: Doch: Was ist euer liebster Song, den ihr je aufgenommen habt?

 

bm: und die Antwort?

CC: Ein Song von Darrell, All Because Of Me oder My Last Name.

BC: Songs von Jimmy Martin.

PL: Das gute bei uns ist, dass du die CD spielen kannst, und irgend einen Song findest, der dir zusagt. Genau so ist es bei uns.

 

bm: Danke für das interesssante Gespräch und bis zum nächsten Mal.