Canadian Country Music - Portrait of a few artists

© August 1991 / Bruno Michel

 

Es gibt unzählige Künstler in Kanada. Hier werden ein paar gegenwärtig erfolgreiche Gruppen und KünstlerInnen portraitiert, um einen Eindruck über die aktive kanadische Country Music Szene zu vermitteln.

 

Blue Rodeo

 

Dies ist eine der bekanntesten kanadischen Country Formationen und dabei sind sie nicht mal Country...nun ja, vielleicht eine Art davon. Ihre beiden ersten Alben, Outskirts und Diamond Mine gewannen beide massenhaft Preise und wurden in Kanada so oft verkauft, dass es zweimal Doppelplatin dafür gab.

Blue Rodeo, das sind die Sänger / Gitarristen Jim Cuddy und Greg Keelor, der Keyboarder Bob Wiseman, Bassist Bill Donovaan und der neue Drummer Mark French. Ihr aktuelles Album Casino wurde produziert von Pete Anderson, dessen Arbeiten mit Dwight Yoakam und Michelle Shocked bereits eine Kombination von "good old Country" und heutigem Sound aufzeigten. Casino erzählt hauptsächlich über das einsame Leben auf Tournee. Till I Am Myself Again ist eine ehrliche Abhandlung über das Tourleben und die Tatsache, dass es die Künstler während dieser Zeit ihres Eigenlebens beraubt. Hier wird der Zuhörer mit einer Band konfrontiert, die sowohl kommerziell als auch ehrlich klingt, ähnlich den Liedern der Beatles und deren weniger bekannten Protegées, Badfinger.


Blue Rodeo ist Pop Country mit Stil., Two Tongues klingt, als wenn John Lennon mit Kautabak im Munde singen würde. Es sind denn
auch gerade die ursprünglichen Stimmen und Texte, welche es erlauben, dass Blue Rodeo noch als Country Formation durchgehen mag. Wie bei Standard Country handeln auch hier die Songs letztlich von Liebe und Liebeskummer. 5 A.M. (A Lovesong) erinnert an Hank Williams sr. mit seiner fast weinerlichen Stimmlage. Von der thematischen Seite aus gesehen, ist das wirklich Country im traditionellsten Sinne von Einsamkeit und Isolation erzählend. Diese Thematik hat sich ursprünglich in der Mountain Music etabliert und wurde dann, unter anderem von Hank Williams, weiter entwickelt.

Aber Blue Rodeo wirkt auch enorm frisch. Sie verwenden konventionelle Country Strukturen und mischen diese mit gewagten Chören und weniger "süssen" Stimmharmonien. Das Stück Montreal ist ein Walzer mit Banjos und Akkordeon, You're Everywhere ein Rockabilly Square Dance, worin Produzent Pete Anderson auch als Gitarrist zu hören ist. Die ganze Aufmachung beweist, dass Blue Rodeo eine Band für die Neunziger Jahre ist.

 

Patricia Conroy

 

Nach sechseinhalb Jahren in dunklen, lokalen Bars und Honky Tonks geniesst die Kanadierin Patricia Conroy heute das Leben im grösseren Stil. Und die in Vancouver lebende Sängerin / Songschreiberin kommt mit ihrem Debutalbum Blue Angel (erschienen auf WEA Records) gut voran. Kürzlich erhielt sie eine Reihe von Auszeichnungen der British Columbia Country Music Association.

Ihre Karriere startete Patricia, als sie bei einer Ausscheidung den ersten Preis gewann. Dieser bestand aus Studiozeit im wert von 10'000 kanadischen Dollar. Sie und ihre Band nutzten die Gelegenheit, um ein Album auf einem unabhängigen Label aufzunehmen, wodurch wiederum die Plattenfirma WEA auf sie aufmerksam wurde. Prompt erhielt sie einen Vertrag inklusive der seltenen Chance, ihr eigenes Songmaterial zu veröffentlichen.


Dann kam ein Angebot von Vince Gill, auf ihrer neuen Platte die Backup Stimme zu singen. Patricia, seit Jahren ein Gill Fan, konnte es kaum fassen, mit diesem hochkarätigen Star zusammen arbeiten zu können. "Mit diesem Album ging für mich ein Traum in Erfüllung, weil ich
endlich mit Leuten zusammen arbeiten durfte, mit denen ich dies seit Jahren tun wollte", sagt Patricia. "Generell hat sich mein Leben zu 100% verbessert, vor allem, weil ich nicht mehr während sechs Nächten pro Woche in irgendwelchen Bars spielen muss."

Ursprünglich stammt sie aus Montreal, der kanadischen Country Hauptstadt, wie sie versichert. "Viele meiner Songs basieren nicht auf eigenen Erfahrungen, sondern auf dem Anhören alter, trauriger Lieder." Patricia's sanfte Stimme und die herrlichen Harmonien erzählen von den üblichen Love Stories. Speziell der Song This Time, ein Walzer mit Mandolinen und verträumten Steel Melodien ist so ein Heartwrencher. Dieses Lied wie auch Over And Done lassen ihre Vorliebe für dieses zeitlose Genre erkennen. Man wird versetzt in verräuchterte Bars, in Honky Tonks mit Whiskey Duft in der Luft, und man kommt nicht umhin, sich an Patsy Cline zu erinnern. Andere erwähnenswerte Songs von Patricia Conroy sind Why I'm Walkin' und Take Me With You.

 

"Ich glaube schon, dass wir erfolgreich sind", meint Patricia. "Aber dieses Album ist für mich nur ein Funke dessen, was noch folgen soll. Obwohl ich sehr romantisch sein kann, habe ich auch viele energiegeladene Momente. Diese möchte ich auf meiner nächsten Produktion vermehrt einbringen."

 

George Fox

 

Wird nun das amerikanische Publikum kennen lernen, was das kanadische seit nunmehr zwei Plattenproduktionen so sehr mag? George Fox sieht aus wie du und ich, und dies ist vielleicht gerade ein Teil seines Erfolgs. Der Rest ist auf den beiden bisher erschienenen Alben zu finden, speziell auf dem letzten With All My Might. Der aussergewöhnliche Sänger lässt I Threw It All Away besser klingen, als es der Autor, Bob Dylan, je gekonnt hätte. Auch der Fox Yodel in Long Gone Lonesome Blues von Hank Williams sr. lässt aufhorchen.

Produziert wurde das Album von Brian Ahern, der auch schon Grössen wie Johnny Cash, Rodney Crowell, Jesse Winchester, Emmylou Harris oder Anne Murray produziert hat, sowie von Gregg Brown, seines Zeichens Produzent von Travis Tritt und Vern Gosdin. Es ist ein gelungener Mix aus Altem und Neuem. "Ich bin glücklich, dass man mich zu den neuen Traditionalisten zählt", sagt George, "aber ich mag auch sehr gerne die alten Traditionen. Viele junge Country Fans denken vielleicht, dass Minnie Pearl eine Zahnpasta Marke oder sowas sei. Ich möchte mein Publikum sowohl unterhalten als auch Wissen um die alten Traditionalisten vermitteln.

Georges Stimme ist warm und gefühlvoll. Seine Emotionen sind für alle spürbar. Obwohl noch jung an Jahren, ist Fox ein excellenter Kommunikator, der es versteht, sich seinem Publikum mitzuteilen. Der Mann hat live vor 300'000 kanadischen Zuschauern gespielt und gleichzeitig vor 18 Millionen TV Zuschauern. Sein Debutalbum kann vier Top Ten Singles aufweisen. Dies ist eine brillante Grundlage für den grossen Durchbruch mit With All My Might.

 

k.d. lang

 

Sie wird mittlerweile mit allen möglichen Leuten verglichen, allen vorab mit Patsy Cline. Gerade hat k.d. eine Hauptrolle im Film Salmon Berries abgedreht. Dieser Film wird das diesjährige Filmfestival in Cannes eröffnen. Es scheint nichts zu geben, was dieses grossgewachsene Girl aus Süd-Alberta nicht schafft. Ihr Debutalbum Angel With A Lariat von 1987 überrolte den Markt mit einem unglaublichen Mix aus Polka, Balladen und "Cowpunk". Zu jener Zeit wirbelte k.d. auch in einem Aufzug über die Bühne, der genau dieser Mischung entsprach.

Als der ehemalige Produzent von Patsy Cline den Song Three Cigarettes In An Ashtray in der Version von k.d. lang im Fernsehen sah und hörte, wusste er, dass es mit seinem Pensionierten Dasein nun ein Ende hatte. Er musste dieses erstaunliche Talent unter Vertrag nehmen und produzieren. Das Resultat dieses Entscheids war Shadowland, ein Album, das einige Hinweise auf k.d.'s neue Vorliebe für Jazz enthielt.

Der grosse Durchbruch kam mit Absolute Torch And Twang. Mittlerweile rissen ihre Shows das Publikum in ganz Nordamerika von den Sitzen. Oft musste sie ihre Konzerte kurz unterbrechen, damit sich die Leute wieder beruhigen konnten. In New York wurde sie von so bekannten Showgrössen wie Liza Minelli oder Bernadette Peters genauso bejubelt, wie vom Rest des Publikums. Selbst ihr Duett Cryin' mit Roy Orbison wurde am Ende als ihr Song erkannt, und nicht mehr als derjenige von Roy.

Nun ist sie einmal mehr im Studio, schreibt, nimmt Songs auf und betätigt sich als Co-Produzentin. Ein Sprecher ihrer Plattenfirma: "Es gibt soviele Gerüchte darüber, was k.d. als nächstes rausbringt. Ich glaube aber, dass selbst sie noch keine Ahnung davon hat, was es sein wird. Sie lässt sich inspirieren und nimmt die Dinge, wie sie kommen." Es gab und gibt auch immer wieder Stimmen, die behaupten, dass sie der Country Music den Rücken kehrt, speziell im Licht ihrer aktuellen Vorliebe für Jazz. Weder die Plattenfirma noch ihr Management wollen dies jedoch bestätigen. Ronna Rubin von Warner Bros. meint: "k.d. lang hat schon immer getan, was sie gerade wollte. Sie liebt Country Music, es sind ihre Wurzeln und ich glaube nicht, dass sie dieses Gebiet verlässt. Aber wer weiss? Unabhängig und sicher genug wäre sie."

k.d. langs viertes Album, was auch immer es sein wird, soll noch diesen Sommer erscheinen und wird von einer grösseren Tournee begleitet.

 

Anne Murray

 

Man munkelt, dass der Juno Award, das kanadische Pendant zum amerikanischen Grammy, umgetauft werden soll in Annie's Award. Anne hat mittlerweile nämlich 28 (!) dieser Awards eingeheimst. Daneben hat sie auch noch vier Grammys gewonnen, elf mal wurden ihre Platten vergoldet, viermal gab's Platin, einmal Doppel-, zweimal Dreifach- einmal Fünffach- und einmal Sechsfach-Platin. Anne hat zu Hause unzählige CMA- und Academy of Country Music Awards. Im Jahr 1984 wurde ihr A Little Good News von der CMA zur Single und zum Album des Jahres gewählt.

Anne Murray ist zweifellos eine der erfolgreichsten internationalen Künstlerinnen aller Zeiten. Ihre Stimme und die Art, wie sie ihre Lieder vorträgt, sind zeitlos. Ihre songs waren immer sowohl kommerziell gut zu verkaufen als auch künstlerisch unvergleichlich in ihrer Ehrlichkeit. Sie hört sich beinahe jeden der mehreren hundert Songs an, die ihr jedes Jahr zugeschickt werden und ihre Auswahl wie auch ihr Urteil haben sich in den letzten zwanzig Jahren immer als treffsicher erwiesen. Der Song You Needed Me wurde zum Beispiel nur veröffentlicht, weil Anne die Plattenpressen stoppen liess, die bereits für einen anderen Titel warm liefen. You Needed Me gewann dann auch prompt mehrere Preise.

Bis heute hat Anne Murray über 22 Millionen Platten verkauft. Ihr 29. Album, You Will, enthält Highlights wie Hold Me; A New Moon; An Old Flame And You, das Calypso Stück Bluebird und das gefühlvolle Wrong End Of The Rainbow. Die Reinheit von Anne's Stimme blieb über all die Jahre erhalten und bringt sie in eine Reihe mit Superstars wie Barbara Streisand oder George Jones.


Wie ihr Produzent, Jerry Crutchfield, richtig bemerkt: "Ihre Professionalität ist unvergleichlich. Sie weiss wa sie will und genau das tut sie auch."

 

Prairie Oyster

 

Rockabilly, Bluegrass, Cajun, Balladen, Swing... Sie spielen alles und sie spielen es gut. Und dies seit 15 Jahren.

"Viele Leute glaubten, mit uns sei es vorbei, aber ich glaube, heute ist genau die richtige Zeit für uns", sagt Sänger Russell deCarle. Schon 1975 gegründet, ging die Band drei Jahre später auseinander, um 1983 ihr Comeback einzuleiten. Das zweite Album der Gruppe, Prairie Oyster, wurde vom Tex-Mex Saxophonisten Steve Berlin produziert, einem früheren Mitglied von The Blasters. Berlin spielt heute bei Los Lobos. Für das erste Album, Oyster Tracks, gab es zwei Juno Awards, die kanadische Grammy Variante.


"Country Music schliesst heute die Kluft zwischen den Generationen", sagt Joan Besen, Keyboarderin der Band. "Für die Musiker war das schon immer so, heute gilt es auch für das Publikum. Vor sechs, sieben Jahren konntest du kaum jemanden im Alter von 18 oder 19 Jahren für Country Music begeistern. Und nun schau dir die Alan Jacksons, Clint Blacks und Kathy Matteas von heute an. Alles junge Leute, die Country Music machen und auch junges Publikum anziehen. Ich glaube, dass dies ein sehr wichtiger Effekt ist, um diese Musik am Leben zu erhalten."

 

Michelle Wright

 

"Ich bin keine Rebellin, aber auch niemand, der sich so einfach anpasst und unterordnet." Die kleine, energiegeladene Michelle spricht mit einer Stimme, die noch vielfältiger klingt, als wenn sie singt.

 

Immer noch Kettenraucherin, hatte sie früh Alkoholprobleme, welche sie auf ihre schwierige Kindheit im nicht funktionierenden Elternhaus zurückführt. Seit drei Jahren ist sie trocken und heute froh, dass dieses Problem schon frühzeitig auftrat, erkannt und behandelt werden konnte und dass es heute gelöst ist. "Ich musste lernen zu verstehen, welche Auswirkungen dieses Problem auf mich und meine Umgebung hatte", sagt Michelle heute.

 

Sie gehört zu einer neuen Generation von Interpretinnen, die ihre Erfahrungen auf der Strasse sammelten und die ihre Ziele als Frauen durchzusetzen verstehen. Ihre Wurzeln sind zwar Traditional Country, jedoch stark beeinflusst von Rock, Blues und Soul. Ihr Sound wirkt frisch, wenn sie von Unabhängigkeit und eigener Stärke singt.

Als einzige kanadische Artistin hat Michelle einen Vertrag mit Arista Nashville. Damit ist ihre Musik auch in den USA einem breiteren Publikum zugänglich, als diejenige ihrer Landsleute. Die Musik von k.d. lang hat grosses Erstaunen bezüglich kanadischer Country Music ausgelöst. Der Unterschied zwischen lang und Michelle ist, dass lang vom Stil der 50er und 60er Jahre beeinflusst ist, sowie von Patsy Cline. Michelle Wright dagegen ist vom Stil der 70er und 80er Jahre beeinflusst.

Als sie einmal gefragt wurde, ob sie wirklich Country oder nicht eher Crossover singe, antwortete sie, dass ihre Musik im Vergleich zu den 50er und 60er Jahren sicher eher progressiv wirke. Aber sie versuche, ein breiteres Publikum anzusprechen. Da draussen gebe es Rock- und Pop Fans, die sich noch nie Country angehört hätten. Vielleicht gelinge es durch ihre Musik, dass einige von denen mal reinhören und eventuell angezogen würden.

Zu Zeiten, als Michelle noch in Bierhallen und Bars spielte, war sie definitiv eine Rebellin. Weil sie sich nie darum kümmerte, was noch als traditionell durchging, hatte sie des öfteren Schwierigkeiten mit den Club- und Barbesitzern und wechselte häufig den Ort ihrer Auftritte. "Nashville", sagt sie, "ist offen für neue Stile und neuartigen Sound. Zugegeben, es kann schief gehen, wenn deine Musik nicht innerhalb gewisser Tendenzen und Strömungen liegt, aber das war schon immer so. Letztendlich bestimmt das Publikum unseren Erfolg. Alles in allem hatte ich eine grossartige Karriere und viel Glück. Ich bin restlos zufrieden. Meine Einstellung passt zu meiner Musik."

Ihr Freund, Joel Kane, ist zugleich auch ihr Bassist und Road Manager. Dies vereinfacht natürlich die Probleme des Privatlebens auf Tournee.

An ihrem neuen Album bedauert sie einzig, dass ihr Freund sowie die anderen Musiker, mit denen sie seit drei Jahren zusammen ist, nicht zu

hören sind. Die Produktion wurde mit Studio Musikern aus Nashville aufgenommen.


Talent, eiserner Wille und Disziplin werden Michelle Wright zu einem der kommenden Stars machen. The Dust Ain't Settled Yet - um mit dem Titel eines ihrer letzten Songs zu schliessen - der Staub um Michelle wird sich noch lange nicht legen.