8th Annual Texas Music Awards, Marshall, TX

© May 2010 / Bruno Michel

 

Früh am Morgen des 15. Mai setzten wir uns für die 5-stündige Fahrt nach Marshall, TX, ins Cabrio. Das Wetter spielte trotz negativer Vorhersage mit und es blieb trocken.

Die Veranstalter, Lucky und Jinelle Boyd hatten wiederum einen passenden Veranstaltungsort ausgesucht. Das grosse Marshall Convention Center bot einen hervorragenden Rahmen für die 8. Texas Music Awards.

Die TMA sind keine Award Show der üblichen Art, sondern bieten deutlich mehr musikalische Darbietungen der nominierten Künstler. Das macht den Anlass eher zu einem, von gelegentlichen Durchsagen unterbrochenen, Konzert. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass die Verleihung der siebzehn Kategorien rund vier Stunden dauert. Eher verwunderlich ist, dass trotz eingestreuter Anekdoten verschiedener Redner die ganze Veranstaltung wiederum pünktlich zu Ende ging.

Nachdem ich letztes Jahr dem Veranstalter Lucky Boyd einige Fragen gestellt hatte, wollte ich dieses Jahr mehr Hintergründe von seiner Frau Jinelle erfahren. Unter anderem ist sie die Mitbegründerin von My Texas Music (mytexasmusic.com), die Produzentin der Texas Music Awards (texasmusicawards.org) und Exekutiv-Direktorin der Academy of Texas Music (see academyoftexasmusic.org).

BM: Jinelle, du machst zusammen mit Lucky einen tollen Job zur Förderung und Verbreitung von Texas Musik. Was bringt euch dazu, nach so vielen Jahren immer noch weiter zu machen?
JB: Das fragen wir uns jedes Jahr auch immer, vor allem, wenn die Rechnungen rein kommen. Wir tun es aus einem einfachen Grund: Einer muss es tun. Als Lucky noch aktiver Musiker war, stiessen wir beim Vermarkten seiner Musik auf sehr viele Hürden. Niemand schien bereit, irgend was zu tun, ohne zu fragen, welche Vorteile er daraus ziehen könne. Dieser Mangel an Unterstützung brachte uns dazu, MyTexasMusic.com ins Leben zu rufen. Viele Leute denken, wir seien komplett verrückt, da wir tatsächlich die meisten Kosten selber finanzieren (aus Luckys „normalem“ Job). Es wäre toll, wenn wir eines Tages ein kleines Einkommen aus dieser ganzen Sache erwirtschaften könnten. Aber wir haben ein Dach über’m Kopf, Essen im Bauch und unsere grosse Leidenschaft für die Musik aus Texas. Lucky ist nicht nur mein Ehemann, sondern mein Partner und bester Freund, und jemand, mit dem ich extrem gerne meine Zeit verbringe. Wir wissen am Abend jedes Tages, dass wir alles mögliche getan haben, um der Texas Musik Gemeinde zu helfen.

BM: Wann und wie seid ihr auf die Idee mit den Texas Music Awards gekommen?
JB: Es war 2003. Wir hatten etwa 150 Mitglieder auf unserer Webseite, MyTexasMusic und sassen in unserm kleinen Büro, unterhielten uns über die Tatsache, wieviel ausgezeichnete Musik es da draussen gibt. Diese Tatsache wollten wir honorieren und öffentlich einige dieser Künstler ehren und auszeichnen. Nachdem wir uns jeden Song auf jeder CD, die wir über die Webseite anbieten, angehört hatten, kreierten wir Auszeichnungs-Kategorien, wählten Nominierte aus und veröffentlichten diese in unserem Newsletter. Wir wählten die Sieger aus und schenkten ihnen ein Papier-Zertifikat (lacht). Aber der Druck, die einzigen Entscheider zu sein, wurde zu gross. Also gründeten wir ein Wähler-Konsortium, bestehend aus allen Künstlern, die je eine Auszeichnung erhielten. Es machte die Awards zu einer Kollegen-Wahl, was uns sehr wichtig ist. Im Jahr darauf versammelten wir einige Freunde in einer Bar und kamen mit der Idee einer richtigen Award Show. Ohne jegliche Finanzmittel. Natürlich lachten uns alle aus. Aber im folgenden Jahr zogen wir den Anlass in einer Bar in Houston durch und es wurde ein voller Erfolg. Uns war klar, dass wir nun unter Druck standen und jeder folgende Anlass grösser und besser werden musste,

BM: Was war das verrückteste Ereignis in all diesen Award Jahren?
JB: Von Anfang an war unsere Vision die einer “grossen” Show, mit Vorhang und allem Drum und Dran. Wir wollten die Musiker präsentieren, und sie nicht einfach auf der Bühne von links nach rechts die Preise abholen lassen. Die Bühne in dieser Bar war sehr klein. Also mieteten wir uns bei einem Sanitärgeschäft ein Leitungsrohr und kauften uns billige Vorhangclips. Eine andere Bar lieh uns einen Vorhang. Am Morgen der Show stellten wir allerdings fest, dass der Vorhang sich nicht so elegant über die Stange schieben liess. Also organisierten wir etwas Butter in der Küche der Bar und schmierten die Stange. Es hat perfekt funktioniert. Seither haben wir unter der Treppe zu jeder Bühne auf der wir stehen eine Stange Butter liegen. Fast niemand weiss davon, aber das ist sowas wie unser Glücksbringer.

BM: Was glaubst du passiert, wenn Texas Musik sich weiterhin mit dem Nashville Sound verbindet (es gibt da so einige Beispiele)?
JB: Es gibt einen Riss im Zeit-Raum Kontinuum und wir warden alle zurück in die Zukunft katapultiert.

BM: Wo würdest du die Priorität sehen, wenn du die Musik Industrie verändern könntest?
JB: Ich möchte die Radiostationen wieder so wie früher. Keine riesigen Firmen mit Papierfüchsen, die entscheiden, was gespielt wird und was nicht. Bei manchen grossen Stationen hörst du laufend die gleichen Songs. Geld regiert die Radios. Wer Texas Music kennt, weiss, dass dies eine sehr bedauernswerte Entwicklung ist. Texas Music ist mindestens gleichwertig oder besser als das, was heute in den Radios gespielt wird. Als Motivation für Radiosender und DJ’s haben wir deshalb unsere Award-Kategorien Radiostation, DJ und Internet-Radio of the Year eingeführt. Die Kriterien dort besagen, dass Nominierte gewillt sein müssen, sich neue Künstler anzuhören und deren Musik auch zu spielen.
Ein neueres Problem ist der so genannte Performance Rights Act, ein Gesetz, wonach Radiostationen eine zusätzliche Gebühr zahlen müssten, wovon 50% zu den Plattenfirmen statt zu den Künstlern gehen würden. Dies wird gegenwärtig heiss diskutiert. Ich wünsche mir einfach die guten alten Zeiten zurück, wo ein motivierter Künstler etwas erreichen konnte, wenn er gut war und nicht nur wenn er die richtigen Verbindungen hatte.

BM: Wenn ein Ausserirdischer in Texas landete, was würdest du ihm raten?
JB: Halte deine Nase sauber, pflanz einen Garten, iss etwas von unserem tollen Brisket und erkunde die riesige Vielfalt dieses grossartigen Staates – und hab ein offenes Ohr für die Musik. Ich würde ihn daran erinnern, dass er letztlich in Texas ist, und damit Teil einer grossen, fantastischen neuen Familie.

BM: Was ist dein Lieblings-Song und warum?
JB: Das ist, als ob du eine Mutter fragst, welches ihr Lieblingskind ist. Ich habe keinen Favoriten. Ich mag alles von Bluegrass bis hin zum Psychodelic Rock der 60er Jahre. Jeder Song, bei dem ich die Leidenschaft des Sängers spüre und bei dem sich etwas in mir berührt fühlt, ist ein Titel, den ich gerne mag.

BM: Welche drei Dinge würdest du auf eine einsame Insel mitnehmen?
JB: Mein Zune, gefüllt mit gutter Texas Musik – inclusive Batterien, ein Schweizer Armee-Messer mit allen Optionen, sowie Papier und Bleistift. Somit könnte ich gute Musik hören, aus meinem Herzen mitsingen (hört mich ja keiner), eine Hütte bauen, Kokosnüsse zum Essen schneiden, einen Holzsplitter aus meinem Finger operieren und ein Feuer anzünden. Ich könnte Lieder schreiben (ich bin sicher, die Umgebung würde mich dazu inspirieren) wie: „Ich bin alleeeiiin auf einer Insel, niemand anders in Sicht, ..Ich habe Sonnenbrand und bin einsam – was wird wohl heute mein Abend-Gericht.“ (lacht)

BM: Wenn du Jinelle Boyd interviewen würdest, welche Frage stellst du ihr, die ich nicht gestellt habe?
JB: Ich frage sie, wie sie glaubt, ihre Aufgabe bei der gemeinnützigen Academy of Texas Music noch besser erfüllen zu können. Und ich glaube, sie würde antworten, dass es eine Gemeinschaft braucht. Es gibt viele die Texas Musik und die Musiker unterstützen, und das ist gut so. Besser wäre, wenn diese Leute ihre Unterstützung auch anders zeigen, zum Beispiel in dem sie in unserer Academy mitarbeiten. Ich glaube, dann wäre mein Job einfacher.

Und nun zu den Gewinnern der diesjährigen Awards in den Kategorien:

Male Vocalist of the Year: David Fenley (von Poor J. Brown)
Female Vocalist: Christen Sawyer
Vocal Duo or Group: Shake Russell Trio
Rising Star: Mark Allan Atwood
Musician: Big John Mills (guitar)
Producer: Ryan Murphey (für Buckaroo Bluegrass mit Michael Martin Murphey)
Live Band: The Captain Legendary Band
Song: Find Your Shine (Kevin Higgins)
Singer / Songwriter: Robert Frith
Record: Utopia (von John Arthur Martinez)
Album: Tommy (von Thomas Michael Riley)
Entertainer: Pauline Reese
Disc Jockey: J.B. Cloud (KBCY 99.7 FM, Abilene)
Broadcast Radio Station: KPFT 90.1 FM, Houston
Internet Radio Station: Radio Free Texas
Artist Excellence: David Lutes
Palmwood Award: Grady Lee

Geht mal auf die Myspace-Seiten dieser Künstler oder schaut auf den Homepages nach. Hört euch Songs an und ihr werdet verstehen, warum Texas Music anders ist.

Kurz nach 18 Uhr eröffnete der legendäre B.J. Thomas sein einstündiges Konzert mit vielen Medleys aus seiner Glanzzeit und Kostproben der Top Hits in voller Länge. Der mittlerweile 68jährige Künstler bewies genügend Energie, um nach vier Stunden Award Präsentation auch noch ein Konzert durchzuziehen. Respekt.

Für die Taylor Swift- und Lady Antebellum-Generation unter den Country Fans: B.J. Thomas startete seine Karriere 1962 mit einer Interpretation des Hank Williams Klassikers I’m So Lonesome I Could Cry. Thomas spielte zu jener Zeit eher Rock. Sein Vater bemerkte scherzhaft vor einem Konzert: „Wehe du gehst da raus und singst keinen Country Song, dann brauchst du gar nicht mehr nach Hause zu kommen.“ Dem Publikum gefiels und Thomas kam zum New Yorker Label Scepter Records, wo auch Dionne Warwick unter Vertrag war. Sie stellte ihn dem Produzenten Burt Bacharach vor und B.J. landete 1970 mit dessen Raindrops Keep Falling On My Head einen Hit. Nach weiteren Erfolgen kam 1975 die erste Nummer 1 mit (Hey Won’t You Play) Another Somebody Done Somebody Wrong Song. Nicht unüblich für diese Zeit war der Titel sowohl in den Country-, als auch in den Pop Charts erfolgreich. Nach dem Gewinn mehrerer Gospel Grammys landete Thomas anfang der 80er Jahre weitere Nummer 1 Hits wie Whatever Happened To Old Fashioned Love und New Loooks From An Old Lover.

Wiederum eine gelungene Award Show mit einem weiteren legendären Präsentator. Wir sind gespannt, wer die Awards 2011 moderieren wird. Eines ist jetzt schon sicher. Lucky und Jinelly Boyd werden sich wohl erneut übertreffen und mit einer Legende aufwarten. Danke dass wir einmal mehr dabei sein durften.